Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstfreund — Band 1.1874

DOI Artikel:
Schiller, der Dichter der Freiheit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0335

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schiller, der Dichter der Freiheit.
Zur Feier des 10. November.
Es ist der heutige Tag ein Dreigestirn an dem vaterländischen Fest-
Himmel, jeder einzelne der grössten Feier würdig. Ihr Glanz leuchtet har-
monisch; denn sie stehen in innigster Beziehung zu einander.
Am 10. November des Jahres 1483 wurde unser National-Heros Dr.
M. Luther geboren. Die Gewissen waren von Born in Fesseln geschlagen;
die Welt seufzte unter der Knechtschaft des römischen Stuhls. Hoch
schwang Luther die Fackel des Glaubens und erkämpfte uns die Freiheit
des Gewissens.
Am 10. Novembei’ 1756 erblickte Scharnhorst das Licht der Welt.
Deutschland sank, in feige Schmach gebettet, zu den Füssen des corsischen
Tyrannen; die alte, ehrwürdige deutsche Herrlichkeit lag zertrümmert am
Boden. Scharnhorst schmiedete das Schwert, mit dem die deutsche Frei-
heit vom gallischen Joche erkämpft wurde; er schuf uns anstatt des Söldner-
Heeres ein Volk in Waffen.
Aber Deutschland war nicht frei zu nennen, so lange die Geister
noch in französischer Sclaverei schmachteten. Deutschlands geistiges Streben
und Ringen war eine entehrende Nachäfferei des hohlen Scheins und nich-
tigen Truges, der von Frankreich ausging.
Schiller war es, der im Bunde mit den Geistesheroen des vorigen
Jahrhunderts die geistigen Sclavenfesseln brach, der uns in deutscher Dich-
tung Deutsch denken und fühlen lehrte, der uns unser Deutschthum wieder
zum Bewusstsein brachte.
Der heutige Tag ist ein Triumph der Freiheit; Schiller, den Sänger
der Freiheit, heut würdig zu feiern, möchten folgende Worte ermahnen.
„Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und würd’ er in Ketten ge-
boren“.
Nach Freiheit hat Schiller gerungen und gekämpft sein ganzes Leben.
Sein Äthern war die Freiheit. Schon die Brust des sechszehnjährigen Kna-
ben wurde tief ergriffen von den Worten aus dem contrat social von
Rousseau: „Auf seine Freiheit Verzicht thun, heisst Verzicht thun darauf,
dass man ein Mensch ist. Nicht frei zu sein, ist daher eine Verzichtleistung
auf seine Menschenrechte, selbst auf seine Pflichten.“ Darum entzieht er
sich schon in der frühesten Jugend durch die Flucht einem Verhältniss, das
seine Freiheit nicht ertragen konnte. Darum bäumt sich in seinen Erstlings-
werken der jugendliche Freiheitsgeist gegen jede Fessel, welche die Welt der
32
 
Annotationen