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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Ueber vervielfältigende Kunst [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0107

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die man mit einem Pinsel aufträgt, zu. Nachdem man „gedeckt“ hat, wird
die Platte einem stärkeren Aetzwasser ausgesetzt und dieses Verfahren so
lange fortgesetzt, bis man die Ueberzeugung hat, dass Alles, was man mit
der Radiernadel gezeichnet, auch genügend geätzt hat. Man entfernt nun
den Aetzgrund von der Platte durch Abwaschen mit Terpentin oder Alkohol,
und hat die vorbereitenden Arbeiten beendet, man kann zum ersten Druck
schreiten (Aetzdruck). Dieser Aetzdruck ist insofern für den Kupferstecher
von grosser Wichtigkeit, als er sich darauf seinen Plan für die weitere Voll-
endung des Stiches zeichnet, seine Notizen macht, mit dem Bleistift die Linien-
kreuzungen an deutet, welche noch noth wendig sind für die Modellirung des
Bildes. ■—
Das Aufträgen dieser neuen Linien geschieht entweder mit dem „Grab-
stichel“ oder mit der „kalten Nadel“, welche direct das Kupfer angreift.
Während die bisher beschriebenen Manipulationen in einigen Tagen oder
Wochen vollendet sein können, so bedarf die jetzt beginnende Arbeit der
Zeit vieler Monate, ja oft mehrerer Jahre.
Der Künstler stellt nun seine Zeichnung so auf, dass er in einem auf-
rechtstehend angebrachten Spiegel das umgekehrte Bild (Spiegelbild) der
Zeichnung im Auge hat, und beginnt die mühsame Arbeit mit dem Grab-
stichel. Der Grabstichel ist ein Instrument aus gehärtetem Stahl, das in der-
selben Weise gebraucht wird, wie der Pflug, welcher Furchen in die Erde
reisst, nur dass der Grabstichel nicht von Pferden gezogen wird, obwohl ge-
wiss bei manchem Kupferstecher der Fall eintritt, dass sein Auftraggeber
gern Pferde vorspannen und mit der Peitsche nebenher gehen möchte, denn
wie schon gesagt, liegt oft zwischen dem Auftraggeben und der Ablieferung
der fertigen Platte die Zeit mehrerer Jahre.
Die rechte Hand führt den Grabstichel, während die linke ein Vergrösse-
rungsglas zwischen der Platte und dem Auge hält, da das blosse Auge nicht
im Stande ist, den feinen Bewegungen der Spitze des Grabstichels zu folgen.
Die Spitze des Stichels wird in die vorher geätzte Linie eingesetzt, und die
Hand schiebt ihn in dieser Linie vorwärts so lange und so oft bis die Linie
die nöthige Breite hat, also beim Abdruck der Platte die gehörige Tiefe des
Tones erreicht. Einzelne Stellen, vorzüglich tiefe Schattenmassen im Hinter-
grund und Gewandung ätzt man mit einem starken Wasser noch öfter auf,
(nachdem man vorher die Lichtflächen und feineren Theile gedeckt hat), um
schneller eine bestimmte Wirkung zu bekommen.
Während der Dauer der Arbeit lässt der Kupferstecher die unfertige
Platte von Zeit zu Zeit drucken, da er nicht im Stande ist, auf der Kupfer-
platte die Wirkung zu beobachten. Ist die Platte ihrer Vollendung nahe, so
zeichnet der Künstler auf einem der letzten Abdrücke das noch Fehlende mit
schwarzer oder rother Kreide, ein solcher Abdruck führt im Kunsthandel die
Bezeichnung „preuve d’artiste“ und wird sehr theuer bezahlt. Einen höheren
Preis als die späteren Abdrücke haben auch die sogenannten Drucke „avant
la lettre“, es sind das diejenigen, welche abgezogen werden, ehe der Künstler
seinen Namen auf die Platte gebracht hat.
(Fortsetzung folgt.)
 
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