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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Berichte von Nah und Fern
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0127

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bürg gab die „Leonore“ wie sie eben auch ihr „Gretchen“ in „Faust“, ihre „Luise“ in
„Kabale und Liebe“ gegeben — Talent, Hingabe und Wärme blicken allenthalben durch,
indess werden diese guten Eigenschaften durch einen hohlen Declamationston verdunkelt,
alle Gestalten erscheinen unnatürlich und gepresst. Herr Neumann, welchem glänzende
äussere Mittel, ein markiges Organ zu statten kommen, ist in Scenen der Kraft- und
Feuer-Entwickelung zumeist ein trefflicher Darsteller, währenddessen seinen Monologen
sich öfters ein singender, in den höheren Regionen liegender Ton zugesellt, welcher
schwerlich in der Partitur unserer Dichter steht. In dieser Weise spielte Herr Neumann
den „Fiesko“ und ,,Faust“.
Ueber das vormärzliche „Dorf und Stadt“ der seligen Birch - Pfeiffer, sowie über
Raimund’s „Verschwender“ wird uns wohl der Bericht erlassen. Desgleichen unterlassen
wir über Decorationen und Maschinerien des häufig gegebenen „Aschenbrödel“ von
Görner zu referiren.

Dresden, im Februar 1874. Nachdem das neue Alberttheater in der Neustadt
eröffnet worden war und das frühere Herminiatheater, unter dem Namen des Residenz-
theaters, mit Anfang October v. J. seine Vorstellungen wieder aufnehmen sollte, durften
die Theaterfreunde für den bevorstehenden Winter sich wohl mit Recht grösseren Erwar-
tungen, als gewöhnlich, hingeben. Sie sind aber nur theilweise erfüllt worden.
Das Königl. Hoftheater, welchem seit lange die Aufgabe oblag, Oper, Lustspiel und
Trauerspiel in einem und demselben Hause zur Darstellung zu bringen und welches noch
ausserdem das Ausstattungsstück in dieselbe mit aufgenommen hatte, bevorzugte in den.
letzten Jahren die Oper in einer Weise, welche der Pflege des recitirenden Dramas nach-
theilig werden musste, sowohl in Ansehung des Repertoirs, als der sorgfältigen Vorberei-
tung der einzelnen Stücke.
Es war daher ohne Zweifel ein glücklicher Gedanke, das einfachere Lustspiel und
Trauerspiel in ein besonderes Haus zu verlegen und das andere ausschliesslich der Dar-
stellung von Opern, Ausstattungsstücken und Tragödien höheren Styles zu widmen.
Eine treffliche Gelegenheit kam diesem Vorhaben entgegen, da man für einen
mässigen Preis das frühere Herminiatheater erwerben konnte, welches, wenn auch in einem
anderen Stadttheile, so doch noch immer in der Altstadt gelegen, gerade die jenem
Zwecke entsprechenden, kleineren, räumlichen Verhältnisse darbot. Denn diese erleich-
terten nicht nur ein lebendigeres Zusammenspiel, sie verringerten nicht nur den scenischen
Aufwand, sondern liessen es auch möglich erscheinen, alltäglich vor gefülltem Hause zu
spielen, zumal man hier in ungestörtem Zusammenhang mit dem volkreichsten Tlieile der
Stadt geblieben sein würde.
Aus besonderer Rücksicht für die Bewohner der Neustadt hatte die Königl. General-
Direction sich jedoch für die Uebernahme des auf der Neustädter Seite neuerbauten
Albertstheaters entschieden. Schon dies war ohne Zweifel ein Fehler. Das Wohlwollen
für die Interessen der Neustadt mussten die durch Gewöhnung berechtigten Ansprüche
des volkreicheren Stadttheils verletzen; so dass man Gefahr lief, sich einen Theil seines
bisherigen Publikums zu entfremden, was um so bedenklicher werden konnte, falls die
Räume des neuen Gebäudes sich für den damit beabsichtigten Zweck als zu gross er-
weisen sollten.
Indessen waren diese Uebelstände noch leicht zu begleichen. Man durfte nur thun,
was durch die wesentlichen Zwecke der neuen Unternehmung überhaupt schon geboten
war: man musste die Eintrittspreise möglichst ermässigen und durch ein recht reichhaltiges
Repertoir und die sorgfältigste Vorbereitung der Stücke eine unabweisliche Anziehung
auf das Publikum auszuüben suchen.
Ein von Hof und Staat direkt und indirekt subventionirtes Theater sollte es über-
haupt nicht als eine seiner wesentlichsten Aufgaben betrachten, die Tageskasse auf die
möglichst grösste Höhe zu bringen. Die Finanzfrage ist gewiss auch hier zu berücksich-
tigen, aber ihre befriedigende Lösung musste doch immer nur Mittel zum Zwecke bleiben,
nicht zum letzten Zweck aller Zwecke werden.
Die hohen Preise allein werden weder die Kunst fördern, noch die Theaterkasse
bereichern, sie schliessen vielmehr den schaulustigsten, bildungsbedürftigsten Theil des
Publikums von sich aus, an dessen Stelle dann zwar ein andres, aber zum Theil recht
blasirtes tritt, dass immer stärkerer und kostspieligerer Reizmittel bedarf. Möge man
immerhin die Preise für die grosse Oper und das Ausstattungsstück hoch halten, weil diese
ja in der That einen ausserordentlichen Aufwand bedingen — möge man auch für die
übrigen Vorstellungen einige Plätze auf hohe Preise für Diejenigen stellen, die sich nun
einmal nur wohl befinden, wenn sie durch ihr Geld einen sichtbaren Vorzug vor Anderen
voraushaben — sonst aber sollten die Preise für das keinen besonderen Aufwand fordernde
Lust- und Trauerspiel und für die einfachere, nur auf die Wirkungen der Musik und des
Gesanges gerichtete Oper, möglichst niedrige sein.
 
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