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Der Kunstfreund — Band 1.1874

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Berichte von Nah und Fern
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https://doi.org/10.11588/diglit.56232#0128

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München geht hierin allen anderen Hoftheatern in nicht genug anzuerkennender
Weise voraus. Dagegen lässt unsere Hoftheaterleitung in dem neuen Hause lieber nur
vier Mal wöchentlich und dann auch noch nicht selten vor leeren Bänken spielen, als dass
sie die Preise, wie recht und billig, verhältnissmässig herabsetzte. Der schliessliche Erfolg
aber wird ein recht ansehnliches Deficit sein.
Freilich die niedrigen Preise würden allein es noch immer nicht thun. Für die
Kasse, wie für die Kunst sind zuletzt doch nur die Leistungen das Entscheidende. Um
durch Darstellungen des blos recitirenden Dramas ein Haus von dem Umfange des Albert-
theaters alltäglich zu füllen, würde es einer rastlosen Thätigkeit bedürfen, die sich be-
sonders in der Mannichfaltigkeit und umsichtigen Wahl der Novitäten und in der sorgfäl-
tigsten Vorbereitung derselben kundgeben müsste.
Werfen wir einen Blick auf die Leistungender, der Königl. Hoftheaterleitungunter-
gebenen zwei Theater, so finden wir in dem Zeiträume vom 1. Oct. bis 31. Dec. vorigen
Jahres nur folgende Novitäten zu verzeichnen: 4 grössere Lustspiele. 1 grösseres und
1 einactiges Schauspiel (nämlich Dr. Raimund von G. z. Puttlitz, Prinz Friedrich von
Laube, Ein verarmter Edelmann von At. Feuillet, Der Marquis von Villsmer nach G. Sand,
Der Elephant von Moser, Die Neujahrsnacht von R. Benedix). 1 Oper (Mignon von Thomas,
in welcher Fräulein Malten (Mignon) und Fräulein Proska (Philine) sich auszeichneten und
1 Ausstattungsstück (Schneewittchen).
Äusser Schneewittchen erzielte keine dieser Darbietungen einen wirklich durch-
greifenden Erfolg. Für längere Zeit werden wohl nur Mignon und Dr. Raimund Repertoir-
stücke bleiben. Für die Wahl einiger andrei- von ihnen ist ein treibendes Moment über-
haupt nicht erfindlich. Prinz Friedrich, ein sehr peinlich wirkendes Stück, hätte der
Vergessenheit nicht wieder entrissen zu werden brauchen. Moser’s Elephant glänzt vor-
zugsweise durch Abwesenheit des Geistes. Und die Neujahrsnacht von Benedix*) ist eine
eben so arm- wie gefühlselige Nichtigkeit.
Herr Dr. Hugo Müller, welcher mit seiner Gesellschaft am 2. October v. J. die
Vorstellungen im Residenztheater eröffnete, fand hiernach Verhältnisse vor, die einiger-
maassen geschickt benutzt, ihm einen nicht unbedeutenden Theil des bisherigen Hoftheater-
publikums zuführen mussten.
Allein er hatte zunächst über nur unzulängliche Mittel zu verfügen, zumal er,
äusser dem Lustspiele und Schauspiele, auch die Gesangsposse und Operette in sein
Repertoir mit einzuziehen gedachte.
Nichtsdestoweniger wusste er sich bald entscheidende Erfolge zu erringen, indem
er gerade dasjenige berücksichtigte, was die Leitung des Hoftheaters zu unterlassen für
gut fand. Er begnügte sich, trotz des ungleich beschränkteren Zuschauerraums, mit ver-
hältnissmässig niedrigen Preisen und entwickelte eine wahrhaft überraschende Rührigkeit
in der Herstellung eines mannichfaltigen, immer neu anregenden Repertoirs, indem er
zugleich der Inscenirung jedes einzelnen Stückes die sorgfältigste Aufmerksamkeit
zuwendete.
Wende ich mich dem Gebiete der Concertmusik zu, so habe ich Ihnen nur
Gutes, wenn auch nichts Aussergewöhnliches zu berichten. Dieselbe hat in den letzten
Jahren einen erfreulichen Aufschwung genommen. Durch den grossen Saalbau des
Gewerbehauses sind die Symphonie-Concerte der Königl. Kapelle den weitesten Kreisen
erschlossen und zugänglich geworden. Die Vollendung ihrer Leistungen ist weltbekannt.
— Die vortrefflich geleiteten Wochen-Concerte der Mansfeldschen Kapelle erfreuen sich
in denselben Räumen des lebhaftesten Zuspruchs. — Das Königl. Hoftheater bot am
19. October Gelegenheit, das, die Legende der heiligen Elisabeth, behandelnde Oratorium
von Fr. Liszt kennen zu lernen. Es fesselte durch eine gewisse Grossartigkeit der musi-
kalischen Intentionen und das Geist- und Phantasievolle der instrumentalen Behandlung.
— Das durch seine Leistungen ausgezeichnete Lauterbach’sche Quartett, die Trio-Soireen
der Herren Rollfuss, Sedelmann und Bürcht, sowie die Productionsabende des hiesigen
Tonkünstlervereins boten auch in diesem Jahre den Liebhabern der Kammermusik einen
reichen Schatz von Genüssen und Anregungen dar.
Dagegen war die Salonmusik schwächer vertreten als sonst. Ich erwähne von dem
auf diesem Gebiete Dargebotenen die Concerte des Herrn Pianisten Leitert, der Herren
Concertmeister de Ahna und des Herrn Pianisten Barth aus Berlin, der Pianistin Frl.
Mary Krebs und unter besondrer Hervorhebung, diejenigen der Sängerin Frau Elise
Lawronska.
An öffentlichen Vorlesungen war auch dies Jahr kein Mangel. Besondere Aner-
kennung fanden die Vorträge des Herrn R. Genee (Egmont. Dante’s Hölle). Herrn Prof.
Dr. Stern (über Hans Sachs) und des Herrn Hofrath Rossmann (über griechische
Architectur).
*) Der, wie man weiss, sich mit vollem Bewusstsein, aber ohne jede Anstrengung,
wenigstens dem Shakespeare’schen Geiste fern hält.
 
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