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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Septemberheft
DOI Artikel:
Friedländer, Max J.: Über das Kunstsammeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0006

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eigen mache und schwelgen sogar in dem Ge-
danken, die anderen von der Wirkung ausschließen
zu können.

In dem natürlichen Verlangen, sein Eigentum, also
die Genußquelle, zu sichern und zu vergrößern, steigert
der Sammler seine Genußfähigkeit, wobei die Heuchelei
in Selbsttäuschung und die Selbsttäuschung zuweilen in
Kunstverständnis übergeht.

Überschätzung des Eigenen wird selten vermieden.
Die optimistisch bejahende Anlage, die den Entschluß
der Erwerbung bestimmt, endet manchmal in Narrheit,
zumal wenn der Sammler mit naivem und ungebildetem
Selbstgefühl nur dem eigenen Urteil zu folgen, stolz,
nicht von anderen zu lernen bereit ist und sich in
Wahnvorstellungen einspinnt. Der kluge Sammler wird
die letzte Entscheidung dem eigenen Urteil überlassen, aber
fremde Kennerschaft ebensowenig verachten wie ihr
blindlings trauen, er wird jeden Irrtum für möglich und
keine Meinung für unumstößlich halten, er wird sich
daran gewöhnen, statt mit Ja oder Nein mit Mehr oder
Weniger zu rechnen und den prickelnden Reiz empfinden,
den der Umgang mit Gefühlswerten bietet. Glaubt er
Sicherheit gewonnen zu haben, so ist er schon auf den
toten Punkt gelangt. Mißtrauisch zweifelnd und em-
pfänglich lernend, bleibt er frisch und fortschreitend.
Sein Geist ist erfüllt von Eindrücken, die ebenso
zart und kaum faßbar wie maßgebend und entscheidend
sind. Nicht nur durch Geschmacksbedürfnisse, sondern
auch durch Eitelkeit und durch materielle Interessen wird
er zum Aufspüren von Nuancen getrieben und entwickelt
dabei Fähigkeiten, die der gelehrten Forschung und dem
Kunstverständnis zugute kommen.

Wie sich in der Passion des Sammelns der Beruf
des spekulierenden Kaufmanns spiegelt, so auch der
Beruf des Wissenschaftlers. Das Sammeln ist nicht

selten platonische Gelehrsamkeit. Das Entdecken, Wieder-
vereinigen zerstreuter Glieder, das Einordnen und
systematische Vervollständigen befriedigt strebsame
Geister, die sich auf diese Art die beglückende Em-
pfindung aufbauenderTätigkeit verschaffen oder mindestens
der Langweile entgehen. Der Schaffensdrang der Un-
produktiven offenbart sich am klarsten dort, wo Dinge
gesucht werden, die an und für sich wenig bedeuten.
Das Briefmarkensammeln ist das Sammeln an sich. Hier
empfangen die Gegenstände erst aus der Erregung und
Mühe des Erwerbens und als Teile des organisierten
Gefüges ihren Wert. Vom Briefmarkensammeln führt der
Weg aufwärts zum Sammeln von Kupferstichen, Münzen,
Medaillen und dergleichen, wobei sich mit dem absoluten
Triebe Kunstsinn und gelehrtes Streben vereinigen.

Die Phantasie wird bei dem Erwerben durch Aben-
teuer angeregt, eine freiwillige Geschäftigkeit füllt die
Mußestunden aus. Die Jagd mit Glücksfällen und Über-
raschungen wird zum Bedürfnis, ja zum Lebensinhalt.
Wer darauf nicht verzichten will, auch nicht auf die
Betätigung erworbener Kennerschaft, nachdem sein Haus
gefüllt ist oder seine Mittel erschöpft sind, der gleitet
leicht über Tauschen und „Abgeben“ in mehr oder
minder verschämten Handel. Bei den „marchands
amateurs“ findet man neben scharfem Geschäftssinn
nicht selten die zäheste Leidenschaft und das tiefste
Verständnis.

Ohne die gierige Monomanie der Sammler wäre viel
Kulturgut verloren gegangen oder doch verborgen ge-
blieben. Aus der wirren Verwurzelung der Beweggründe
entfaltet sich als die schönste Blüte enthusiastische Kunst-
liebe. Und nicht Wenigen, die aus Snobismus oder gar
aus Berechnung sich dem geistigen und sublimen Sport
gewidmet haben, ist die Besitzfreude eine Brücke zur
reinen Verehrung geworden.

Daniel Chodowiecki Der Blick auf Langfuhr und Danzig

Aus Chodowieckis Danziger Skizzenbuch, Amsler und Ruthardt, Berlin.

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