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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Septemberheft
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Bode, Wilhelm von: Wie soll man alte Gemälde restaurieren?
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0012

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Wenn sich nun solche Beschädigungen — wie es leider bei
gewissen Bildern z. B. von Cima, Basaiti, Bellini u. a.
nur zu häufig der Fall ist — im Laufe der Zeit mehrfach
wiederholen, so wird das Bild ganz buntscheckig er-
scheinen und sein Eindruck aufs schwerste gestört werden.
Deshalb ist diese „wissenschaftlich allein zu rechtferti-
gende Art der Restauration“ bisher zum Glück auf
einige wenige Versuche (z. B. in der Brera zu Mailand)
beschränkt geblieben. Sie ist vielleicht anwendbar für
historisch interessante primitive Gemälde, die nur noch
fragmentarisch erhalten sind und die in besonderen
Räumen für sich aufgestellt werden: in den öffentlichen
Sammlungen und in allen Privatgalerien wird man, wie
bisher, bei dem alten System, die fehlenden Stellen mit
Farbe zu ergänzen, verbleiben. Freilich kommt dabei
alles darauf an, von der ursprünglichen Malerei nichts
zu verdecken, sondern ausschließlich die Risse und
Löcher auszufüllen und diese Ergänzungen im Ton so
richtig zu treffen, daß sie sich nicht mit der Zeit ver-
ändern und dann störend auffallen.

Wer diese, natürlich nur aufs Notwendigste zu be-
schränkende Art der Restauration allenfalls noch gelten
läßt, wird aber häufig vom Reinigen der Bilder, vom
Abnehmen des alten Firnisses, vom „Putzen“ nichts wissen
wollen. Das Putzen ist für den Restaurator freilich eine
fast noch schwierigere Aufgabe als das Ergänzen fehlender
Stellen. Es läßt sich aber häufig garnicht vermeiden,
da der Firniß, zumal wenn er wiederholt aufgetragen
wurde, nicht nur vielfach vergilbt oder nachgedunkelt ist,
sodaß er das Bild schwer entstellt, er hat auch eigentümliche
Krankheiten: er stirbt ab, erstickt oder wird „schimmelig“,
sodaß die Malerei darunter kaum noch zu erkennen ist.
In solchen Fällen muß das Bild also geputzt werden, um
es überhaupt zu retten. Ebenso notwendig ist aber das
Putzen eines Bildes auch dann, wenn es starke, ent-
stellende Übermalungen hat. Ältere Gemälde, namentlich
italienische aus der klassischen Zeit, sind leider vielfach
und wiederholt ungeschickten Restauratoren in den Händen
gewesen und zeigen nur noch teilweise die ursprüngliche
Malerei. Auch holländische Bilder sind oft arg miß-
handelt; so ist bei einem starken Prozentsatz aller Bild-
nisse des 17. Jahrhunderts der alte Hintergrund im
vorigen Jahrhundert, dem Geschmack derZeit entsprechend,
durch ein einförmiges schweres Grau übermalt worden.
Selbst ganz willkürliche „Verbesserung“ aller Art hat
man sich nur zu häufig erlaubt, zumal in einer Zeit, als
die alten Gemälde nur einen sehr mäßigen Geldwert
hatten. Wenn solche brutale Eingriffe in die alten Werke
wieder beseitigt werden, so ist das nicht nur eine wesent-
liche Verbesserung, sondern häufig geradezu eine Rettung
derselben. Freilich alle solche Eingriffe: das Putzen und
selbst die Abnahme des Firnisses darf nur ein ganz
geübter, sorgsamer und mit der Kunst der alten Meister

völlig vertrauter Restaurator machen, wie Hauser einer
war. Daß ein schwer verputztes Bild durch keine noch
so gute Restauration zu retten ist, wußte er am besten;
er war deshalb beim Putzen ganz besonders vorsichtig.
Heftig angegriffen hat man vielfach die Abnahme des alten
braunen Firnisses; schwärmte man doch namentlich in
England für den warmen braunen Ton. Dabei übersah
man, daß dieser Ton garnicht der vom Künstler gewollte,
und daß der Firniß auch keineswegs noch der ursprüng-
liche war, sondern durch wiederholten Auftrag von neuem
Firniß, durch Einölen und ähnliche Manipulationen seinen
eintönigen schweren braunen Ton erhalten hatte. Durch
seine Abnahme, wenn sie von geübter Hand gemacht
wird (wobei die unterste Firnißschicht sich noch erhalten
läßt), werden solche Bilder regelmäßig außerordentlich
gewinnen und, wenn sie sonst intakt waren, erst in ihrer
vom Künstler gewollten Wirkung herauskommen. Das
hat man jetzt auch in England eingesehen und hat solche
mit einem fast lederartigen Firnißüberzug bedeckten Bilder
auch in der Londoner National-Galerie davon befreit.

Damit ist natürlich nicht gesagt, daß alle Bilder ge-
reinigt werden sollen; im Gegenteil, nur wo schwerere
Beschädigungen und alte Übermalungen oder kranke
Firnißschichten den Eindruck verderben, wird der Restau-
rator eingreifen müssen. Dagegen ist es seine Pflicht,
alle Bilder einer Galerie von Zeit zu Zeit — in der
Regel alle paar Jahre einmal — zu reinigen, d. h. mit
lauwarmem Wasser den Schmutz, den Staub und Nieder-
schlag der Feuchtigkeit, den die Besucher in die Galerien
bringen, zu beseitigen; namentlich bei Bildern, die mit
Glas versehen sind, da gerade unter dem Glas
Staub und Feuchtigkeit mit der Zeit besonders schädlich
auf die Bilder einwirken. Eine solche Reinigung durch
einfaches vorsichtiges Waschen belebt den alten Firniß
meist wieder und gibt ihm das Aussehen, als ob die
Bilder frisch gefirnißt wären. Für Augen, die an
schmutzige Bilder mit trübem Firniß, an den einst so
geschätzten falschen „Goldton“ gewöhnt sind, gelten
diese dann als „lackiert“.

In den meisten großen Galerien wird sich ja glück-
licher Weise in Zukunft, dank dem guten Zustand, in dem
sich die größte Zahl ihrer Bilder befindet, und den ge-
ringen Vermehrungen, die wenigstens in Deutschland
noch möglich sein werden, die Aufgabe des Restaurators
in der Hauptsache darauf beschränken, für diese einfache
Instandhaltung der Gemälde zu sorgen und gegen Be-
schädigungen durch die Zeit, durch Temperaturwechsel
oder Firnißveränderung rechtzeitig möglichst Vorsorge zu
treffen, eintretenden Falles aber sie sofort zu beseitigen.
Daß gerade auch das Kaiser Friedrich-Museum in dieser
günstigen Lage ist, verdankt es vor allem der Sorgfalt,
mit der der verstorbene Professor Hauser durch ein
Menschenalter sich um unsere Bilder bemüht hat.

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