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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI issue:
2. Novemberheft
DOI article:
Donath, Adolph: Kunst und Politik: zu dem Projekt einer englischen Ausstellung in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0115

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/ahrgang 1Q1Q

2. Novcmbßrheft

Kunff und Politik

Bu dem Projekt einet? englifeben Auskeilung in Berlin

oon

Adolph Donath

[ \er Kunstwanderer hat in seinem 1. Novemberheft
folgende Mitteilung veröffentlicht: „In Berliner Kunst-
kreisen besteht, wie wir hören, der Plan, im kommenden
Jahre eine Englische Kunstausstellung zu veranstalten.
Wie es heißt, soll in dieser Ausstellung, für die man die
Räume der Akademie der Künste verwenden will, die
moderne englische Malerei und Plastik gezeigt werden.“

Diese Mitteilung brachte „Der Kunstwanderer“ ohne
jeden Kommentar. Sie stammt, wie wir heute
hinzufügen möchten, von einwandfreier Seite. Da
aber einige Berliner Blätter das Thema aufgegriffen und
scharf glossiert haben, möchten wir uns doch ein paar
Bemerkungen erlauben.

Kunst und Politik sind unseres Erachtens zwei Dinge,
die nicht zusammengehören. Die Kunst i s t international,
selbst die nationalste Kunst. Das beweist die Kunstge-
schichte . . . Nun sagen heute in Berlin ein paar Leute:
„Wir wollen, daß nach diesem entsetzlichen Kriege die
Menschen sich wiederfinden, ob es Engländer sind oder
Franzosen oder Italiener. Die Menschen müssen Zu-
sammenkommen“ . . . Das ist, glauben wir, nur edel ge-
dacht, ohne jeden Hintergedanken, ohne Hinterlist und ab-
solut würdig eines Menschentums, das, im Grunde ge-
nommen, nicht das geringste gemein hat mit einer „Politik“
der Politik. Und gerade die K u n s t, glauben wir, kann
jene schroffen politischen Gegensätze überbrücken,
wie sie bisher zwischen den Völkern bestanden haben.
Übrigens spielt man heute schon in L o n d o n und Paris
wieder deutsche Opern, und in Italien hat man der
deutschen Wissenschaft bereitwillig wieder Tür und Tor
geöffnet. Es war wirklich Zeit, daß es geschah. Und
Tatsache ist, daß es geschieht.

Warum sollen da nicht in Berlin vernünftige Menschen
die Idee haben dürfen, sich mit den Engländern ver-
ständigen zu wollen? Warum sollen sie nicht ganz ernst
sagen dürfen: wir wollen uns verständigen, wir
müssen uns verständigen?“ Ein Jahr ist seit dem
Waffenstillstand vorübergegangen und die Menschen wagen
es noch immer nicht, sich in die Augen zu schauen. Was
hat denn aber die Kunst mit diesem nationalistischen
Chauvinismus zu tun? Von Kriecherei kann doch
bei einem solchen künstlerischen Projekt nicht im ent-
ferntesten die Rede sein! Und von Würdelosigkeit?
Man greift sich an den Kopf, wenn man liest, daß einige
Herren Kollegen von der Kunstkritik ein Jahr nach dem
Waffenstillstand plötzlich „politisch“ werden! Und schließ-
lich kommt hiebei auch durchaus nicht in Frage, ob die
englische Kunst von heute uns etwas zu sagen hat oder
nicht. Vielleicht ist während dieser furchtbaren vier
Jahre drüben wieder ein Gainsborough erstanden oder
ein Reynolds, ein Constable oder ein Walter Crane, ein
Turner oder ein Whistler! Vielleicht sind drüben während
dieser vier traurigen Jahre Künstler von solcher Be-
deutung entdeckt worden! Sind aber diese vier Jahre
unfruchtbar für die englische Kunst gewesen, dann sagt
es erst heraus, bis Ihr die Arbeiten der Engländer ge-
sehen habt!

Doch wenn sich Menschen zusammentun, die das
Projekt einer englischen Ausstellung für Berlin gefaßt
haben, dann reden sie nicht „aus dem hohlen Faß“ heraus.
Vielleicht haben sie schon gegenseitige Verständi-
gung gesucht, vielleicht schon anzubahnen gestrebt, daß
um die gleiche Zeit des kommenden Jahres, da die Eng-
länder nach Berlin kommen sollen, die Deutschen in

in
 
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