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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Dezemberheft
DOI Artikel:
Pazaurek, Gustav Edmund: Altes Zinn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0143

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Altes ECnn

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A A erkwürdig, wenn man von „Zinn“ spricht, kommt
* * * das Beiwort „alt“ von selbst dazu. Die ehedem
blühenden Zünfte der „Kandelgießer“ gehören längst der
Vergangenheit an, und die heutigen, dünn gesäten Ver-
treter des Zinngießerhandwerks leben zum guten Teile
nur noch von den Nachahmungen
alter Zinngeschirre. Die zweifel-
losen Vorzüge dieses schönen
Metalls wurden durch solche
anderer Stoffe seit dem 18. Jahr-
hundert immer mehr in den
Hintergrund gedrängt, so daß
die zeitgemäße künstlerische
Verarbeitung desselben kaum
noch ins Gewicht fällt.

Und ebenso merkwürdig ist
es, daß wir, wenn wir von
„Zinn“ sprechen, heute in
Deutschland zunächst an Sachsen
denken, wie im späteren Mittel-
alter, als die Zinngruben des
Erzgebirges vor der Einfuhr des
ostindischen Zinns für unsere
Versorgung mit diesem Rohstoff
in erster Reihe in Betracht
kamen. Nicht als ob den
schönen altsächsischen Zinn-
Renaissancegefäßen von Anna-
berg, Marienberg, Zittau usw.
nicht künstlerisch mindestens
ebenbürtige Arbeiten aus Bres-
lau, dem damals noch deutschen
Mömpelgard oder Nürnberg
gegenüberstünden; aber die
größten Zinnsammlungen —
wenn wir von der jüngsten, be-
sonders reichhaltigen des Bau-
rates Manz-Stuttgart absehen —
entstanden in Sachsen, wie jene
von Demiani oder Zöllner, oder
kamen wenigstens dorthin, wie
die Perlen der ehemaligen
Sammlung Kahlbau-Stuttgart, so
daß derzeit das Kunstgewerbe-
museum von Dresden, das die
Demianisammlung geerbt hat,
und Leipzig, wo die besten
Stücke aus der Zöllnersammlung ihre dauernde Stätte
gefunden haben, die beste Übersicht über altes
Kunstzinn zu bieten vermögen, wie auch von Sachsen
aus die deutsche Zinn-Literatur am entscheidensten be-
reichert wurde, namentlich durch Demiani.

Von dort kommt nun auch das neueste Buch über

„Altes Zinn“, nämlich das von Hofrat Prof. Dr. Karl
Berling1), der sich bekanntlich bereits früher besonders
mit sächsischem Zinn befaßt hat, auch als erster bei uns
den Zinnmarken besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Dies geschieht auch, und zwar nicht nur auf Sachsen be-
schränkt in dem neuesten Ber-
ling-Buche, das überall froher
Aufnahme sicher sein kann.
Wenn trotzdem leider über-
sichtliche Markentabellen des
ganzen deutschen Sprach-
gebietes, auf das sich der Ver-
fasser vorwiegend beschränkt,
nicht hinzugefügt sind, so unter-
blieb dies offenbar aus dem
Grunde, weil wir ja in Kürze
eine erschöpfende Arbeit da-
rüber von E. Hintze-Breslau zu
erwarten haben.2)

Was das Altertum und das
Mittelalter anlangt, greift Berling
natürlich weit über Deutschland
hinaus und macht uns, nachdem
er zuerst die Eigenschaften und
Gewinnung des Zinns wie die
Verarbeitungsmöglichkeiten zur
Gewinnung der erforderlichen
technologischen Grundlage ge-
meinverständlich und anschau-
lich erörtert hat, mit den wesent-
lichsten Überresten bekannt,
die der bösen, vorwiegend auf
Erkältung zurückzuführenden
Krankheit, dersogenanntenZinn-
pest, glücklich entronnen sind.
Die Liste der gotischen Arbeiten
hätte sich noch mehrfach er-
weitern lassen. Gotische Re-
liquienkästchen, wie das des
GermanischenMuseums in Nürn-
berg (Abb. 24), bewahrt z. B.
auch das Folkwangmuseum in
Hagen oder das bischöfliche
Museum von Münster i. W.;
kantige schlesische Schleif-
kannen, die herrlichsten Zinn-
arbeiten des ausgehenden Mittel-
alters, kann man auch noch im Museum von Kaisers-

J) Bibliothek für Kunst- und Antiquitätensammler (Verlag von
Richard Carl Schmidt & Co., Berlin), Band 16 (8 Mark).

2) Bisherige Verzeichnisse von schlesischen Marken z. B. im
Jahresbericht der Neißer Kunst- und Altertums-Vereine 1906 sind
nur provisorische Lückenbüßer.

Sächsische Renaissance-Zinnkanne.
(Museum zu Linz.)

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