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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Dezemberheft
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Fragen des Kunstunterrichts / Zeitgeschichte des Rahmens / Gefälschte Münzen / Java-Kunst / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Aus der Museumswelt / Schweizerische Kunstchronik / Aus der Kunstwelt Italiens / Neuerscheinungen des Büchermarktes
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0173

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zu führen, anerkannt werden muß. Das gleiche gilt von den Pro-
grammen und Essays, die Wilh. v. Debschitz diesen Fragen
gewidmet hat Aus Oesterreich liegt ein ähnliches Dokument
vor. Unterstützt von Fachgelehrten hat der Wiener Architekt
Adolf Loos „Richtlinien für ein Kunstamt“ (bei Länyi, Wien)
herausgegeben, die besonders in Fragen der Kunsterziehung viel-
fache Berührung mit den angeführten Bestrebungen aufweisen.

Alle diese Manifeste und Pläne sind vom reinen Willen, der
Sache und nur ihr zu dienen, beseelt. Es geht ihnen nicht um
Propaganda oder Richtungen, nicht um Befriedigung der Wünsche
einzelner. Wenn also die eingangs erwähnten Prinzipien der
Kunsterziehung von so verschiedenen Seiten postuliert werden,
so ist zu erwarten, daß die Organisation des Kunstschulwesens
diese Kräfte und Tendenzen nicht umgehen wird. Der erste
praktische Versuch, sie zu verwirklichen, das von Walter Gropius
geleitete „Staatliche Bauhaus“ in Weimar wird, nach allmählicher
Konsolidierung, zum Vorbild des neuen Schultypus dienen müssen.

Dr. B. A.

C. G. Boerner,
Leipzig.

Beitge{cf)tcf)te des Rahmens.

Über den Bilderrahmen und seine Bedeutung für den Künstler
ist eine Unmenge nachgedacht und auch geschrieben worden. Es
sind fast lauter kurze Aufsätze ästhetischer Art. Und diese Menge,
im umgekehrten Verhältnis zum Inhalt stehend, behandelt ihr
Thema fast nie wissenschaftlich, wird aber darum nicht interessanter.
Fast alle, die darüber geschrieben, zerbrechen sich den Kopf über
tiefsinnige Definitionen des Bilderrahmens, philosophieren über
dessen Zweck, der jedem Kind von selbst einleuchtet. Einige
haben in den Bereich ihrer Untersuchung auch den Spiegelrahmen,
wohl als nächsten Verwandten des Ersteren, gezogen. Aber niemand
ist es eingefallen, ein wenig weiter und kritisch-induktiv zu
denken, obwohl jeder dem Rahmen die größte Bedeutung für den
ausübenden Maler zuspricht und ihn nicht als ein Stück für den
Kunstgewerbler ansieht.

Statt der ästhetischen Betrachtungen haben nur einige
Wenige exakte und eben darum nicht trockene Wissenschaft
darüber geschrieben. Bode befaßt sich mit dem Bilderrahmen
in seiner temperamentvollen Weise vom meist rein musealen
Standpunkt aus, Elfried Bock schrieb eine erschöpfende Mono-
graphie über Florentiner nnd Venezianer Rahmen der Renaissance,
übergehend zum Barock. Er streift sogar die Entstehungs-
geschichte, indem er die Verwandschaft mit den steingehauenen
Tabernakeln des Quattrocento andeutet und einmal von der Plastik
in des Masacio Fresken spricht. Damit ist die Art und Zahl der
brauchbaren Arbeiten ziemlich erschöpft, wenn man von einigen
alten und veralteten absieht.

Obwohl ersichtlich sonst eine ganze Anzahl Gelehrter,
Sammler, Ästheten vor Allem sich mit dem Bilderrahmen befaßt
hat, überschritt keiner von ihnen den nächsten Horizont. Daß es
eine Reihe deutscher Malerschulen, ebenso eine Reihe kunst-
liebender Höfe, die Bilder sammelten, gegeben hat, darauf müßten
auch andere gekommen sein. So ist es also wieder die Hintan-
setzung deutscher Kunst, die diese Männer und die Art, wie sie

ihre Heiligen- und Profanbilder unterbrachten, geflissentlich vor
der Urgewalt des ewigherrschenden Italien übersieht. Und: Daß
man nicht den Vorwurf des Chauvinismus erhebe! Holland
Frankreich, Spanien wurden in Gnaden öfter mit einer Rand-
bemerkung gestreift; und alle diese Länder hätten ihre Malerei
ganz einfach in vier Latten eingeschlagen?

Da spricht man nun doch wieder vom „holländischen“ Rahmen
und auch dem „französischen“ nach Schablone. Woher, wohin
fragt niemand. Es ist eben ein „Brauner mit Goldleiste“ usw.

Auf die vielen Theorien darüber, wozu ein Rahmen geschaffen
wird, einzugehen ist nicht möglich. Nur eine bemerkenswerte
Äußerung sei erwähnt: In einer ca. 15 Jahre zurückliegenden
Arbeit stellte man die Behauptung auf, der Rahmen sei im Begriffe,
überflüssig zu werden. Die Zukunft des Bildes als solches er-
kenne man am besten im Plakat an der Litfassäule. Daher der
Rahmen ein überholtes Möbel. Zu Anfang der Neunzigerjahre
hätten Sturm und Drang dies verzeihen lassen. So war es ver-
spätete Revolution.

Daß man wenigstens den Spiegelrahmen der Renaissance in
die Untersuchungen einbezogen, erklärt sich für ihn, den Milch-
bruder des Bilderrahmens, aus der Gestaltung der Innenräume
von jener Zeit ab. Heute ist der Spiegel reine Zweckerfüllung
und der Zierrahmen vergangener Jahrhunderte paßt nicht immer
in unser Haus. Anders freilich, wenn der dekorative Spiegel in
alter Einrichtung seinen Platz findet.

Das wenige in weiser Beschränkung wissenschaftlich Ge-
schriebene über den Rahmen befaßt sich mehr mit früherer Zeit-
kunst. Um den Bilderrahmen unserer Tage haben sich die anderen
Arbeiten sehr bemüht. Die Rolle, die die Graphik spielt, hat man
nicht verkannt: Sie hat in ihrer Einfachheit den großen Rahmen
vielfach überflüssig gemacht; gerade sie ist aber von anderer
Seite dazu berufen worden, den Rahmen oft durch einen Streifen
Leinwand oder Karton zu ersetzen und diese Neuerung wurde
vielfach und in mißverstandener Art auf das große Tafelbild
übertragen.

Eine so radikale Umwälzung konnte und durfte nicht erfolgen,
da es sich ja nur um eine Anpassung handelte, die Graphik alter
Meister vor und nach Dürer andererseits wohl nicht in der
Weise dem Wandschmuck zu dienen bestimmt war.

Die Moderne hat mit Recht in ihrem Streben nach idealer
Einfachheit der Form den Rahmen beeinflußt. Inwieweit dies
geschehen ist und wie ihn Freilichtmalerei und neue Weise ge-
modelt haben, versucht man ästhetisch zu erklären. Der moderne
Rahmen, den eine reifgewordene Raumkunst geprägt hat, sollte
heute aber schon Gegenstand des kunstwissenschaftlichen Denkens
sein. Man hat ja den Rahmen immer als eine Wesenheit mit dem
Bilde betrachtet! Und ob ihn nun Künstler oder Handwerker
bauen, man sieht ihn mit dem Biid. Baut ihn der Künstler, so
gehört er zu ihm und seinen Werk, liefert ihn der Handwerker,
so ist es entweder Schund und undiskutabel oder auch wie im
ersten Fall Fleisch und Blut des Malers.

Wie immer, der Rahmen ist der Begleiter des gemalten
Tafelbildes durch die Jahrhunderte. Zu wenige Künstler befassen
sich aber jetzt damit, ihre Bilder selbst zu rahmen. Wie oft sie
sich schaden, indem sie eine fertige Leiste kaufen! Ab und zu
macht sich einer seine Gedanken, — Böcklin in seinem Tagebuch.
Ihn zumindest selbst entwerfen! Man muß ja nicht gleich tischlern
können. Das aber, wenn er auch noch so einfach werden soll.
So wird der Rahmen Gedanke des Schaffenden, der dann weiß,
wie er sein Bild verläßt. Aber nicht im Zeitalter der allgepriesenen
Innenkultur ein Stück im Laden aussuchen und koste es, was es
wolle, es m uß passen!

Jeden Nagel, jede Kachel behandeln wir mit Liebe, die
unserem Stolz auf den Schatz einer wahren Raumkunst entstammt.
Den Rahmen bespricht man mit Ästhetik, übergibt ihn aber und
seine Wahl der Massenindustrie und dem Antiquitätenhändler.

Man lasse seine Geschichte der Wissenschaft, seine An-
wendung aber wahrer die Raumschönheit suchender Kunst!

Dr. Erwin Paschkis.

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