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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Januarheft
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Regling, Kurt: Italienische Renaissancemedaillen: Einführung für Sammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0205

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des Münzbildnisses trug dann der Umstand bei, daß die
Wiederbelebung des klassischen Altertumes — für Italien
eine recht eigentlich nationale Angelegenheit — mit dessen
Kulturdenkmälern auch die herrlichen Bildnismünzen der
römischen Kaiser ans Licht brachte und zu Vorbildern
der neuen Übung stempelte: Flavio Biondo beglückwünscht
1446 den Leonello von Este, einen Hauptförderer der
jungen Kunst, brieflich ausdrücklich zur Wiederaufnahme
dieser altrömischen Kaisersitte.

Während nun die ältesten, um 1390 geprägten
Medaillen der Carrara, Herren von Padua, noch fürstliche
sind, treten unter den seit 1438 von dem ältesten und
zugleich bedeutendsten Meister Antonio Pisano aus Verona
(Pisanelloj nunmehr gegossenen Medaillen sogleich
neben den Fürsten die Privatleute auf, ein Kriegsmann,
ein Staatsmann, Gelehrte und Schriftsteller, ja wir haben
bezeichnenderweise sogleich auch eine Medaille auf den
Künstler selbst, wenn auch vielleicht nicht von seiner
Hand. Und auch in der späteren Entwickelung bleibt
das Bildnis des Privatmannes bei den Meistern der neuen
Kunst ebenso beliebt wie das des Fürsten; ja einzelne
Meister wie Sperandio, Lysippus, Sangallo, Torre haben
ihre Kraft Vorzugs weise in den Dienst Privater gestellt.

Örtlich betrachtet treten der Heimat jenes ersten
Meisters, Verona, noch in den 40er Jahren namentlich
Mantua, Mailand, Modena, Ferrara, Rimini und Urbino
als diejenigen Plätze zur Seite, denen die Medailleure
entstammen oder an denen sie vornehmlich arbeiten, und
bald, noch im 2. und 3. Viertel des 15. Jahrhunderts,
reihen sich Venedig und Padua, Parma, Bologna und über
den Appennin hinüber Florenz an, denen der päpstliche
Hof und der der Aragonesen in Neapel wenigstens als
Auftraggeber folgen, ohne daß namentlich Rom sich im
Quattrocento zu einer wirklichen Pflanzstätte der Medaille
erhoben hätte. Im Laufe des 16. Jahrhunderts dehnt sich
diese Kunst dann auch auf die übrigen Zentren der Kultur
in Ober- und Mittelitalien aus; nur der Süden steht nach
wie vor zurück, die spanischen Vizekönige und ihre
Höflinge geben wie vordem Alfons von Aragonien-Neapel
ihre Medaillenbildnisse ebenso wie ihre sonstigen Kunst-
aufträge in Rom, Florenz oder jenseit des Appennin in
Bestellung.

Die T e c h n i k der italienischen Renaissancemedaille
ist zunächst, von dem geprägten Vorläufer von 1390
abgesehen, das Guß verfahren: aus freier Hand, nur unter
Zuhilfenahme des Modellierstäbchens, wird in Wachs je
ein Modell für Vorder- und Rückseite gebildet, indem die
erhabenen Teile — Bild und Schrift — in Wachs oder
Ton auf die beiden Seiten einer runden, den Grund ab-
gebenden Schieferplatte von 30—110 mm Durchmesser,
oder auch Vorder- und Rückseite getrennt auf zwei Platten
derart aufgesetzt werden; es ist also kein ä cire perdue
Verfahren. Statt der Wachsmodelle benutzen die deut-
schen Meister (von etwa 1506 bis über die Mitte des
16. Jahrhunderts hinaus) weichen Stein (Kelheimer, Solen-
hofer Stein, nicht Speckstein) oder Holz (Buchs-, Birnbaum),
und zwar sind auch ihre Modelle bald doppelseitig bald
zweiteilig; seit der Mitte des 16. Jahrhunderts verdrängt
unter italienischem Einfluß hier das Wachsmodell langsam

die ältere Übung. Erhalten sind uns italienische
Wachsmodelle der beschriebenen Art erst aus der 2 Hälfte
des 16. Jahrhunderts, aus einer Zeit, wo man ihnen einen
selbständigen Wert über ihre technische Verwendung
hinaus beimaß und sie hinterher kolorierte und durch
aufgesetzten Zierrat bereicherte; urkundlich aber wissen
wir, z. B. aus Briefen des Ferrareser Goldschmiedes Ludovico
da Foligno 1471 und des Medailleurs Leoni 1551—52,
daß auch vordem hier Wachsmodelle das Übliche waren.
Die Modelle werden in Formsand abgedrückt, dann
diese Negative zu einer Form zusammengesetzt und das
Metall, in Italien meist Bronze, seltener Silber oder gar
Gold, hineingegossen. Oft mag ein Erstlingsguß in Metall,
besonders in dem leichtflüssigen, die Tiefen der Form
gut ausfüllenden Blei, als Modell für weitere Güsse ver-
wendet worden sein. Am fertigen Exemplar wird dann
durch Ziselierung die sogenannte Gußhaut, d. h. die
Rauheit der Oberfläche, entfernt und unter Umständen
noch manche Feinheit im Einzelnen hinzugefügt. Oft
wird dem Ganzen schließlich ein Überzug gegeben, eine jener
künstlichen Patinen, durch die uns die italienischen
Bronzeplastiken so oft entzücken. Die ganze Technik
erfordert keine körperliche Anstrengung oder zeitraubendes
handwerksmäßiges Erlernen, wie beides das Vertieft-
gravieren der harten Stahlstempel zum Zwecke der Prägung
verlangt, und ist daher jedem bildenden Künstler geläufig,
dem Maler ebenso wie dem Bildhauer und Goldschmied.
Auch sind dem Medailleur dabei in Bezug auf den Durch-
messer des Stückes und die Höhe des Reliefs nur diejenigen
Grenzen gesteckt, die im Begriffe einer Medaille als eines
handlichen Objektes liegen. — Mehr und mehr breitet
sich freilich seit dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts
daneben die Prägung der Medaillen aus, die durch
das Aufkommen großer und schwerer Münzen seit Mitte
des 15. Jahrhunderts (Testons, dann Taler) erhebliche
technische und künstlerische Fortschritte gemacht hatte
und die erwähnte mühselige Arbeit des Stempelschneidens
durch die Möglichkeit einer fast mühelos, maschinell er-
folgenden Massenauflage belohnte: daher wendeten sich
vor allem die großen Fürstenhöfe, so der päpstliche und
der Mediceerhof, der Prägemedaille zu, da sie für die
große Schar fürstlicher Freunde, Höflinge und Anhänger
vieler Exemplare bedurften. Geprägte Privatmedaillen
hat in größerer Zahl nur Cavino von Padua geliefert, der
seine Technik den römischen Großbronzemünzen ablauschte
und auch getreue Nachahmungen derselben, die sogenannten
Paduaner, hergestellt hat. — Beiden Verfahren, dem Guß
wie der Prägung, ist es, im Gegensatz z. B. zur getriebenen
Metallarbeit, gemeinsam, daß die Technik selbst auf eine
Doppelseitigkeit des Erzeugnisses hinführt, diese durch
die Notwendigkeit eines oberen den Druck vermittelnden
Stempels, jene durch die Gewohnheit, die negative Form
oben mit einer Platte zuzudecken. So hat die Medaille
von Anbeginn an und mit wenigen Ausnahmen zwei
Bildseiten.

Die Darstellung nun, die sich dem Vorderseiten Bildnis
als Rückseite (Kehrseite, Revers) anschließt, steht zu
dem dort dargestellten Manne natürlich in Beziehung: häufig
erscheint er in ganzer Figur, sei es im Gebet versunken

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