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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Februarheft
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Rosen, Georg von; Leinburg, Mathilde von [Transl.]: Künstlererinnerungen an Carl Plagemann, [1]: (Autorisierte Übersetzung aus dem Schwedischen von Mathilde Freiin v. Leinburg)
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0236

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doch die erste Strophe einer dieser „canzoni“ rein pho-
netisch ins Gedächtnis geprägt; sie lautete:

Uno, due, tre,

Ma il papa non £ re

Ed il re non i papa

E la carota non e rapa . . .

Wie es sich also genugsam erwiesen, war mein lieber
Lehrer ein außerordentlich umgänglicher Mann, und einen
endgiltigen Beweis davon bekam ich, als ich mir eines
Tages erlaubte, ihm irgend ein kleines Skizzenblättchen
zur Erinnerung an meine Schülerzeit abzubetteln. Da
war er nämlich so liebenswürdig, einzig nur allein für
mich, eine gemalte Federzeichnung zu entwerfen, die ihn
selber als „Landwehrmann“ von 1849 vorstellte, wie er,
heimgekommen vom Exerzieren, in seiner mehrmals
erwähnten Uniform der römischen Republik, arbeitend
an seiner Staffelei sitzt. Ich bewahre es noch mit Dank-
barkeit auf, dieses kleine, vortrefflich charakterisierte
Porträt des väterlichen Freundes, ein Andenken an den
Künstler und sein Talent.

Unter Plagemanns sämtlichen Anekdoten war es be-
sonders eine, die mir unvergeßlich blieb, nicht nur, weil
sie an und für sich von Interesse ist, sondern auch des-
halb, weil sie den gutmütig naiven, ich möchte fast sagen
objektiven Gemütszug des Erzählers erklärt.

Er sprach nämlich einmal während des Ausruhens
davon, daß er in den Vierzigerjahren des vorigen Jahr-
hunderts in Rom einen alten Kunsthändler kannte, dessen
Spezialität es war, Ausländern, namentlich Engländern,
florentinische Renaissancemalereien zu verkaufen. Er
hatte sich damit ein hübsches kleines Vermögen erworben,
aber wie die Jahre sich mehrten, so verminderte sich im
Verhältnis dazu der „Bestand“ an alten Bildern, so daß
er zuletzt vollständig „blank“ war. Er unternahm per-
sönlich eine Razzia durch alle Städte und Winkel Umbriens
und Toscanas, kehrte aber, wie erzählt wurde, so gut wie
mit leeren Händen zurück, weshalb er schließlich, aus
reiner Verzweiflung, gezwungen war, den Versuch zu
machen, dem Schicksal — wie man so sagt — nachzu-
helfen! „Offenkundig in dieser Absicht“, setzte Plage-
mann fort, „fand er sich eines Tages in meinem Atelier
ein, blickte etwas mystisch drein, tat aber bald den Mund
auf und sagte ungefähr Folgendes:

„ „Wie Sie, lieber Freund, ja wissen, war ich schon
von der Wiege an wie besessen auf alte Bilder, vor allem
auf unsere herrlichen Quattrocentisten; aber der arme
Teufel, der ich bin, habe ich dennoch nie die Mittel ge-
habt, auch nur eines dieser teuern Kunstwerke, die ich
im Schweiße meines Angesichts für all diese elendigen
Ausländer, die drüber sind, unser edles Italien total aus-
zuplündern, angeschafft habe, für mein Privatvergnügen
behalten zu können. Aber nun bin ich hergegangen und
habe mir was ausgeklügelt, so daß ich mir vielleicht doch
noch, in Ermangelung von anderem, für meine alten Tage
wenigstens ein kleines feines Surrogat für alles Schöne,
was im Laufe der Jahre an meiner häßlichen Nase vor-
beigegangen ist, zulegen könnte! Und das ist just des-
halb, daß ich nun zu Ihnen komme, Sor Carlo, der besser

als irgendeiner hier in Rom daheim ist bei den alten
Herrn, um von Ihnen zu hören, ob Sie mir nicht zu einem
solchen Alterstrost verhelfen wollten, dadurch, daß Sie
mir einige hübsche Gemälde malten ... in der Manier
verschiedener Meister. Zu beginnen mit einem z. B. im
Stile Vater L e o n a r d o s , der immer mein spezieller
Hausgott gewesen ist. Ich bezahle ... so und soviel —
eigentlich schauderhaft viel mehr, als ich, alter Narr, mir
gönnen dürfte, — dafür müßten die Gemälde aber auch
so täuschend a 11 gemalt und behandelt werden, daß
weder ich noch der Teufel selber sie von den aller-
echtesten Ouattrocenti unterscheiden könnte, mit goldener
Patina, zehntausend Sprüngen in der Farbe und allem
Drum und Dran! . . . anders hätte ich ja platterdings
keine Freude . . . und der Kauf würde, so verdrießlich
es auch wäre, zurückgehen. Ja, was sagen Sie dazu?
Schlagen Sie ein?“ “

„Das Angebot war ja verführerisch. Allerdings flößte
mir seine scheinheilige Miene etwas Zweifel an der Ab-
sicht dieser ungewöhnlichen Bestellung ein, aber ich ließ
mir natürlich nichts anmerken, da es mich ja eigentlich
nichts anging, was der Mann mit meinen Bildern vor-
hatte; machte es ihm Vergnügen, eine Arbeit in Leo-
nardos oder Peruginos Stil, die sich auf der Wand
als „alt“ gut ausnahm, zu besitzen, so war das, ä la
bonne heure, seine eigene Sache, und ich war außer
jeder weiteren Verantwortung, da ich gewiß nicht die
Absicht hatte, die Arbeit mit irgend einem Monogramm
zu versehen.

„Wir kamen also bald überein und ich übernahm
es, eine kleine Serie von Gemälden in der persönlichen
Manier einiger Renaissancekünstler auszuführen und
verpflichtete mich, die erste dieser Malereien im
Laufe von, wie ich mich erinnere, zwei Monaten ab-
zuliefern.

„Die Sache machte mir wirklich Vergnügen und es
galt nun, die Zeit einzuhalten. So begab ich mich also
schon am Tag darauf nach dem Ghetto und kaufte dort
von einem Lumpenhändler, für zwei Scudi, eine alte,
ungewöhnlich wurmstichige Eichenplatte, die ursprünglich
mit irgend einem Heiligenbilde bemalt war, von dem sich
nunmehr der größte Teil der Farbe abschieferte; auf der
Rückseite hingegen klebten merkwürdigerweise einige
Wachssiegel, die zeigten, daß das Gemälde in seiner
Glanzzeit entsprechenden Kunstsammlungen angehört
hatte.

„Kaum heimgekommen, reinigte ich die Holzplatte
von der noch zurückgebliebenen alten Farbe, grundierte
sie neu und malte nun darauf im Laufe von fünf bis
sechs Wochen mit Temperafarben, so gewissenhaft, als
ich es nur imstande war, eine Madonna mit dem schlafen-
den Jesuskinde an der Brust. Nach vollendeter Arbeit
bestrich ich die Malerei mit einer dicken Lage von gold-
gelbem Firniß, worauf ich sie auf eine zum Atelier ge-
hörige Terrasse, zu der niemand anderer als ich den
Zugang hatte, hinauftrug und ließ sie dort etwa vierzehn
Tage liegen, die bemalte Seite nach oben.

(Schluß folgt.)

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