Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
2. Februarheft
DOI Artikel:
Braun, Edmund Wilhelm: Die Wiener Porzellane der Sammlung Karl Mayer in Wien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0249

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die IDtenev povzellane dev Sammlung Kavl Jvlayei?

in LDien

oon

edmund IDÜbeltn Bt?auru

[jas letzte Werk vor seinem Tode, der den ewig Jungen,
Begeisterten, fällte, hat Josef Folnesics über die
prächtige Sammlung von Altwiener Porzellanen des Herrn
Karl Mayer geschaffen.1) Eine reiche köstliche Meister-
leistung, gleich sympatisch an Inhalt und Form, schenkt
es uns die reinste Erinnerung an das Wirken eines auf-
rechten, treuen Mannes, der ungebeugt und stolz bis zum
seligen Aufschwung seines Endes kämpfte und dem
kranken Leibe trotzend mit glühen-
der Hingabe die reiche Kunst seiner
wunderschönen Heimat umfasste.

Sein ganzes Leben lang war Josef
Folnesics von jener graziösen vor-
märzlichen und feinnervigen, wei-
chen und dabei doch so männlichen
altösterreichischen Kultur erfüllt,
die immer seltener wird, je weiter
wir uns von der josefinischen
Zeit entfernen, in die ihre Wurzeln
zurückragen. Dabei war sein
Empfinden für die neue Kunst
des Lebens immerfort wach und
voll wärmsten Fühlens. Die tiefste
Zärtlichkeit und Liebe aber galt
der feinen österreichischen Kunst
des 18. Jahrh. und seiner Hingabe
und Initiative verdankt das Wiener
Staatsmuseum, welche Eitelbergers
Genie das „österreichische“ ge-
nannt hat, den besten Teil seiner
Schätze an Altwiener Porzellan,
die er im letzten Jahrzehnt seines
Lebens als Vorstand der „Keramik-
und Glasabteilung“ dieses Museums
gesammelt hat. Ein ihm günstiges
Geschick hat es ihm gestattet, diese
Abteilung noch in würdiger und schöner Form auf-
zustellen und seine letzte große Erwerbung war das
prächtige Porzellanzimmer aus dem Palais Dubsky zu
Brünn, die ihm mit der tatkräftigen Unterstützung des
Kuratoriums und des Direktors Hofrat Dr. Eduard Lei-
sching gelang.

Für die Geschichte der Wiener Porzellanmanufaktur,
der Zweitältesten unter den europäischen Hartporzellan-
fabriken, ist die Sammlung Karl Mayer von grund-
legender Bedeutung; lange vor der durch Folnesics’
Eifer jetzt so ausgebauten Abteilung von Wiener
Porzellan im Österreichischen Museum war sie die

9 Die Wiener Porzellan-Sammlung Karl Mayer. Katalog und
historische Einleitung von J. Folnesics. Mit 80 Tafeln. Wien 1914.
Verlag von Artaria & Co.

einzige, in der man alle Entwicklungsphasen und künst-
lerischen Wandlungen in den Werken der kaiserlichen
Porzellanfabrik studieren konnte. Für die in den

Museen mit Ausnahme von Turin 2) (Museo civico) bis
vor Kurzem nur recht schwach und lückenhaft vertretenen
Incunabelzeit des Wiener Porzellans, als sie noch nicht
kaiserlich war, sondern unter der Leitung ihres Besitzers
du Pacquier stand, war die einschlägige Gruppe in den

Vitrinen Karl Mayers überhaupt
die einzige einigermaßen vollstän-
dige, die alle Typen dieser ersten
Blütezeit enthielt. Als ich im
Jahre 1903 zu Troppau und Fol-
nesics 1904 im österreichischen
Museum zu Wien die erste Kollek-
tivausstellung von Wiener Porzellan
vorbereitete, bildete die Sammlung
Mayergewissermaßen die historisch
und künstlerisch gleich bedeutsame
Grundlage, die man nur auszu-
bauen und zu ergänzen hatte.
Das ist der große und nie ver-
siegende Reiz dieser Kollektion,
daß sie den Forscher ebenso, wie
den Kunstliebhaber und Sammler
in gleicher Weise befriedigt und
entzückt. Man gestatte mir, daß
ich wiederhole, was ich kurz nach
dem Tode von Josef Folnesics

und dem Erscheinen seines Mayer-
werkes in der „Kaiserlichen Wiener
Zeitung“ (12. Dezember 1914)
schrieb: „Das wirklich wissen-

schaftliche, ernste Bestreben Mayers
bei der Vergrößerung seiner

Sammlung, das ihn weit über das
alltägliche, rein modemäßige oder schöngeistige Sammeln
besonders gefälliger Objekte hinaushob, verleiht seiner
Sammlung einen direkt urkundlichen Wert. Merksteine
der Entwicklung von den primitivsten Anfängen,
manchmal dem Laienauge unscheinbar, aber trotzdem

historische Dokumente ersten Ranges, wie die „Hunger-
schale“, die „Buschtasse“, bis hinauf zu den
glänzendsten Leistungen einer komplizierten Technik,
die mit der raffinierten Meisterschaft einer in zahllosen
Experimenten erprobten Farbenchemie die schim-

mernden prachtvollen Prunkgeschirre dekoriert: dies alles

-) Auch diese prächtige Sammlung von Wiener Feinporzellan
ist von einem kenntnisreichen Privatsammler zum größten Teile
in Österreich zusammengebracht worden, dem Marchese d’Aziglio
während seiner üesandtenzeit in Wien.

Abb. 1.

Lichtschirmplatte um 1725

245
 
Annotationen