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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
2. Maiheft
DOI Artikel:
Rosenberger, Marc: Die drei sogenannten Jamnitzerbrecher
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0355

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Vor beinahe vierzig Jahren habe ich unter diesem Titel
eine kleine Arbeit in der Zeitschrift „Kunst und
Gewerbe“ veröffentlicht. Ich habe darin nachzuweisen
versucht, daß die drei aus der Nürnberger Goldschmiede-
lade stammenden weißsilbernen Becher in Akeleiform,
von denen sich zwei im Germanischen Nationalmuseum
in Nürnberg befinden und einer im Victoria- und Albert-
Museum London, zu den Mustern gehören, welche seit
1573 auf Veranlassung von Wenzel Jamnitzer jedem
angehenden Meister als Modell zu seinem Meisterstück
vorgezeigt wurden.

Wir wissen aus den Quellen,*) daß Martin Rehlein,
R2 3117, die Treibarbeit daran gemacht hat, und ich
habe die Frage aufgeworfen, ob er nicht auch den Ent-
wurf geliefert haben könnte. Das wäre sehr wohl mög-
lich, denn Rehlein ist eine fest umrissene Persönlichkeit
und wir könnten ihm eine solche Arbeit schon Zutrauen.
Immerhin wäre es aber bei der Vorzüglichkeit des Ent-
wurfes auch möglich, daß ein Nürnberger Entwerfer
von Beruf die Zeichnung gemacht hat Nun gibt es
unter den Ornamentstichen eine so große Zahl von
Akeleibechern, die einander alle etwas ähnlich sehen,
daß uns die Wahl schwer wird. Am bekanntesten sind
die Blätter von Virgil Solis und Paul Flindt, deren Namen
auch schon gelegentlich im Zusammenhang mit den
Nürnberger Muster- und Meisterbechern genannt worden
sind. Aber Virgil Solis kann garnicht in Betracht kommen,
da er 1562, also 11 Jahre vor Einführung der Meister
gestorben ist. Der Stich von Paul Flindt ist wiederum
zu spät, er ist wahrscheinlich erst 1602 oder 1603 er-

*) Nürnberger Goldschmiede - Meisterbuch von 1531 im
Kunstgewerbe-Museum Berlin. Vergl. „Kunst und Gewerbe“
1885 S. 298 ff.

schienen. Aber selbst wenn er zur Serie von 1593 ge-
hört, handelt es sich immer noch um 20 Jahre Differenz.
Weniger oft abgebildet und daher weniger allgemein be-
kannt ist der Entwurf von Georg Wechter aus der Serie
von 1579 Genau, Stich um Stich paßt auch dieser

zu keinem der erhaltenen drei Zunftbecher, aber das
darf man auch garnicht erwarten. Jamnitzer hat dem
„in den Stücken sitzenden“ Meister ganz ausdrücklich
Variationen freigestellt, wenn die Arbeit nur nicht
schlechter und minder reich ausfiele. Wenn wir also
von kleinen Verschiedenheiten absehen, stimmt der Ent-
wurf von Wechter ganz ausgezeichnet zu allen drei
Meisterbechern, ganz besonders aber zum Lon-
doner Exemplar. Wir können nicht annehmen, daß
Wechter einen Rehleinschen Musterpokal, der inzwischen
vielleicht schon fünfzigmal kopiert worden war, als eine
Neuigkeit „Zum Verzachnen“, also zum Nachzeichnen
herausgegeben, sondern müssen schließen, daß e r es ist,
der den Entwurf für den Musterbecher von 1573 ge-
macht und einige Jahre nachher den als sein Werk be-
reits bekannten Becher nachträglich veröffentlicht hat.
Um das Verhältnis, in dem der Entwurf zur Stadt Nürn-
berg steht, anzudeuten, bringt er das Nürnberger Stadt-
wappen auf dem Deckel an.

Der Rufname „Jamnitzer-Becher“ mag den in Frage
stehenden drei Stücken immerhin verbleiben, denn sie
sind aufs engste verbunden mit den Bestrebungen Wenzel
Jamnitzers das Meisterstück bei den Nürnberger Gold-
schmieden auf eine Höchststufe zu stellen und dadurch
das ganze Handwerk zu heben. Aus dem Werk Jam-
nitzers aber müssen die Stücke definitiv ausscheiden,
und deshalb habe ich sie auch in meinem demnächst
erscheinenden ,,Jamnitzer“ fortgelassen.

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