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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1./2. Juliheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [4]: die französische Liebhaberusgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0429

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zweifelhaft erscheinen muß. Da aber nicht immer
deutlich genug der doppelte Ursprung der Forde-

rungen, die an ein exemplaire choisi eines franzö-
sischen Kupferstichwerkes des achtzehnten Jahrhunderts
gestellt zu werden pflegen, unterschieden wird, so
ist es notwendig, ihn ausdrücklich zu betonen. Denn
das aesthetische Element in dieser Sammeltechnik ist
wesentlich für die Prüfung, inwieweit sie Bestre-

bungen der Buchkunst fördert und inwieweit dieser
fremde, ja sie hemmende Einflüsse von der Iediglichen
Nachahmung des durch die Sammeltechnik erzeugten
Buchtypus der „Liebhaberausgabe“ erzeugt werden.

Um sicher zu vergleichen und die Bereicherungen eines
Sammlerstückes in ihrem Verhältnis zur Buchkunst auch
dahin zu erklären, inwieweit sie überhaupt erforderlich
werden, um eine Buchkunsthöchstleistung zu gewinnen,
ist es zweckdienlich, die Entwicklung der französischen
Liebhaberausgabe seit dem achtzehnten Jahrhundert zu
übersehen. Die Buchkunstmuster, die sie aufstellte,
gelangten nämlich mehr und mehr dazu, die Form der
Liebhaberausgabe schlechthin als Ausdrucksmittel der
Buchkunst zu wählen und damit auch die Bestimmung
der Liebhaberausgabe, soweit sie ein Buchkunstmittel ist,
zu verkennen. Auch das Buch in seiner aesthetischen
und technischen Vollendung, mag es aus Gründen seiner
Herstellungskosten ein notwendiges Prachtwerk sein, ist
nur ein Wegbereiter und Wegweiser für das Durch-
schnittsbuch und seine Vervollkommnung. Ist dieses
ethische Moment der Liebhaberausgabe fremd, erhebt sie
den Anspruch, ausschließlich für sich die Buchkunst zu
isolieren, dann paßt ihr allerdings der Name einer Luxus-
edition ausgezeichnet, aber dann ist auch ihr Überfluß
zwecklos. Und vor allen Dingen, es ist dann sinnlos,
weil die Herstellung eines kostbaren oder bloß kost-
spieligen Buches weder in der Ausführung noch in der
Bestimmung eines Druckwerkes seine Rechfertigung
finden kann, ln der Ausführung nicht, weil die Buch-
kunst das schöne und nicht das teure Buch will, in der
Bestimmung nicht, weil die Druckvervielfältigung ihrer
Natur nach auf die Buchverbilligung und die Buchver-
breitung ausgeht. Das Buchkunstwerk ist ein Sammler-
stück, weil es ein Buchkunstwerk ist, mag sein Preis
nun hoch oder niedrig sein. Das künstlich erzeugte
Sammlerstück aber hat als solches in der Buchwelt über-

Die Jllustration kann eine authentische, dokumentierende
sein, das Bild mit, nicht bloß neben dem Wort zum Bestandteil
des Textes eines Werkes machen. Sie hat dann ihre eigenen
Regeln, die freilich noch allzuoft vernachlässigt werden, weil
auch bei der authentischen Jllustration das Bild im Buche häufig
die Behandlung einer bloßen Zugabe erfährt. Das läßt sich an
dieser Stelle nur andeuten und nicht weiter ausführen. Oder
aber die Jllustration ist eine einheitliche Interpretation eines
Werkes durch einen Künstler. Dann notwendigerweise von einer
durch den Werkgedanken, dem sie dient, beschränkten Subjek-
tivität, deren Grenzen darin bestehen, daß sie sich dem Text
mindestens anfügen und ihm nicht widersprechen muß. (Sehr
beherzigenswerte Feststellungen über die Aufgabe eines freien
Buchbildes machte in diesen Blättern (II. Dezemberheft 1919)
unlängst H. W. Singer). Allerdings ist das Buchbild, das
nicht den Jllustrationsrahmen zersprengt, als solches dann erst
vollkommen, wenn es sich dem Texte auch drucktechnisch ein-
fügt und wenigstens die Annäherungen erstrebt, wo ein restloser

haupt keine Daseinsberechtigung, weil der Begriff des
Sammlerstückes etwas sekundäres ist, dessen primäres
Element in irgend welchen Buchwerten wurzelt. Buch-
kunst kann und muß oft die Gestalt der Liebhaberaus-
gabe wählen, aber das Gewand einer Liebhaberausgabe
allein ist nicht imstande, zum Buchkunstträger zu werden.
Etwas, das noch allzuoft und gerade in den letztver-
flossenen Jahren auch in Deutschland verwechselt wird.

Kennzeichnend für die Buchkunst des Rokoko ist
die Vignette. Dieses Beiwerk des seitenfüllenden Buch-
bildes löste sich immer weiter von dessen Absicht einer
„Jllustration“1) und wurde zu einem mit artistischem
Raffinement und mit Virtuosität geübtem Spiel der
künstlerischen Laune und Phantasie. Die ausgezeichneten
französischen Buchkünstler des achtzehnten Jahrhunderts
waren Vignettisten, deren unvergleichliche Kunstfertigkeit
darin bestand, Nichtigkeiten und Wichtigkeiten derart zu
vereinen, daß dabei etwas ganz eigenartiges, vorher und
später nie wieder erreichtes entstand, die Verschmelzung
des Buchbildes mit dem Buchschmuck. (Zu Hilfe kam
ihnen dabei jenes französische Talent, das einmal
Voltaire an seinen Landsleuten ironisch rühmte: Parfaits
dans le petit, sublimes en bijoux, Grands inventeurs
de riens . . .). Die Eleganz, mit der die Kopf- und
Schlußstücke in die Satzgliederung eingeschoben wurden,
ihre Kleinkunstsonderart legen den (an dieser Stelle nicht
auszuführenden) Vergleich mit der Miniatur nahe: nicht
nur mit der Miniaturportraitmode ihrer Epoche, sondern
auch mit den alten Buchmalereien der Handschriften,
deren Verhältnis zur Buchform und zur Buchgestaltung
bei den Rokokovignettisten in neuen Anwendungen ver-
sucht wurde. Aber der Buchmalerei war die Verknüpfung
von Initiale und Miniatur aus dem Schriftorganismus und
dessen expressionistischer Tendenz geglückt und ihre
Schriftmalerei aus der Schrift selbst hervorgewachsen,
die Vignetten dagegen sind eingefügt und nicht einmal
immer eingegliedert. Doch blieb die Entwicklung der
Rokokovignette zu kurz, um über die Einzelleistungen
hinauszukommen, um eine mit ihrer raschen Verbreitung
entsprechende Vertiefung zu erfahren. Und so gibt es
aus jenen Jahren wohl beispielgebende Bücher in größerer
Zahl, aber keine Entwicklungsreihen, die Anfang und
Ende des Vignettierens deutlich bezeichnen könnten.

(Fortsetzung folgt.)

Ausgleich, wie beim Buchdruck und Kupferstich, unmöglich wird.
Diese Forderung ist keineswegs ein pedantisches Verbot des
Buchgebietes für den frei schaffenden Künstler. Aber mit dem
gleichen Rechte, mit dem heute Bücher für die Jllustratoren in
Bildermappenwerke umgestaltet werden, könnte auch eine Buch-
einrichtung für die Freskomalerei verlangt werden, die vielfach
in ihren Glanzzeiten die Einteilung und den Stoffgehalte ihrer
Cyklen einem Buche entlehnte und unter diesem Gesichtspunkte
schließlich ebenfalls der Jllustration zugerechnet werden könnte.
Man verwechsle nicht das Buchbild mit der Ausführung von Bildern
nach einem Werke. Daß die Jllustration eines alten Werkes, in welcher
Kunstgesinnung sie sich ausdrückenwill, dessen Zeitton nichtwider-
legen soll, damit sie überhaupt eine Jllustration bleibt und der
Buchtitel nicht zum Vorwand wird, sollte man auch nicht übersehen
wollen. Die Jllustrationen der Klassiker ohne historische Rich-
tigkeit, von der psychologischen Richtigkeit ganz zu schweigen,
unterscheiden sich nicht weiter von den kindlichen Versuchen,
durch „ähnliche“ Ausschnittbilder eine alte Dichtung zu illustrieren.

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