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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Augustheft
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Zobeltitz, Fedor von: Das Stammbuch des Heinrich von Offenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0454

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die Literatur. Sonst hat er wenig getaugt. Wir wissen,
daß er wegen eines Diebstahls im Casseler Antiquitäten-
und Mtlnzkabinet 1775 nach England flüchten mußte,
und dort engagierte ihn ahnungslos die Offenbergsche
Reisegesellschaft, die im übrigen auch nicht sonderlich
zufrieden mit ihm war. Mit einem braven Gedicht in
hübscher Handschrift trug er sich am 8. Mai 1779 in
Heinrichs Stammbuch ein. Als einen weiteren Reise-
gefährten nennt Clemen einen Herrn von Kleist. Ich
vermute, daß dies der 1758 geborene Christian Ewald
von Kleist war (f 1812), in erster Ehe vermählt mit einer
geborenen von Keyserlingk, dessen Sohn den Namen
von Kleist-Keyserlingk annahm, ein baltischer Lands-
mann Offenbergs.

Das Stammbuch besteht aus Blättern, die mit einer
Umrahmung in Kupferdruck geschmückt sind. Oben
trägt sie in einem Oval das Monogramm des Besitzers.

und der Weltreisende Georg Förster in dem Stammbuch;
Reinhold Förster, der Vater, trat in London dazu. Frei-
gebig zeigten sich die englischen Künstler: Benjamin
West, Joshua Reynolds, Thomas Gainsborough, dann
Cipriani, Sandby, Rigaud, Carver, auch Angelica Kauff-
mann schließt sich an, ferner Robertson und John Smart.
Carver stiftete eine Flußlandschaft, Rigaud einen Her-
kules am Scheidewege, verewigte sich mit seiner Gattin
Mary auch noch handschriftlich. Höchst interessant sind
die Westschen Federzeichnungen: eine Skizze für sein
großes Gemälde, den Tod des Generals Wolfe bei der
Eroberung von Quebeck darstellend, und der sterbende
König Lear. Angelica Kauffmanns Aquarell: die drei
bildenden Künste wurde später von Berger gestochen.
(Clemen schreibt die Kauffmann merkwürdigerweise
immer mit einem f.) Ihr Gatte Antonio Zucchi stiftete
eine Sepiazeichnung. Robertson ist mit einer Flußland-

Ernst S t e rn
Szenen

aus Aristophanes
„Lysistrata“

Neue Kunst-
handlung, Berlin

Offenberg hat sich die Blätter jedenfalls in London her-
richten lassen. Die früheste Eintragung rührt von keinem
Geringeren als Kant her und stammt noch aus Offenbergs
Königsberger Studienzeit. Datiert ist sie vom 23. Sep-
tember 1773 und lautet: „Nullum numen abest, si sit
prudentia“ — —; Unterschrift „Immanuel Kant. Log. et
Met. Prof. Qrd.“ In der Sammlung von Stammbuchein-
tragungen im dritten Bande des Kantschen Briefwechsels
in der Ausgabe der Berliner Akademie fehlt dieser Bei-
trag. Die Reisen Offenbergs lassen sich an der Hand
des Albums ziemlich genau verfolgen. Im Juli 1778 ver-
ließ er Mitau und war im August in Berlin, wo Ramler,
Sulzer und der Hofbuchdrucker Decker sich eintrugen.
Im September schenkte ihm Chodowiecki eine Zeichnung
für das Album, um diese Zeit wohl auch J. M. Meil die
hübschen Figurinen zur Oper „Cyrus“. Über Holland
ging es nach England. In Leiden und im Haag ver-
ewigten sich der Zeichner und Kupferstecher J. J. Bylaert

Schaft wie Carver vertreten, Smart mit einem allerliebsten
Kinderköpfchen.

Weiter führte die Reise nach Cambridge, Oxford
und Portsmouth, und überall sammelte Offenberg Ein-
tragungen für sein Album, u. a. von dem alttestament-
lichen Textkritiker Paul Jakob Bruns, von dem berühmten
Schiffsbauer Samuel Bentham und seinem Bruder Jeremy,
dem Philosophen. Dann kehrte man auf das Festland
zurück. In Düsseldorf traf Offenberg den Kupferstecher
Heß, sowie dessen Freund „Herrn Rost, der eigentlich
Heine heißt“, eine kleine Verwechslung zwischen Johann
Christoph Rost, dem Verfasser der „Schäfererzählungen“,
und Wilhelm Heine, dem Autor des „Ardinghello“.
Lebhaft ging es in Mannheim zu. Hier erscheinen
Ferdinand Kobell, Stephan v. Stengel, Friedrich von der
Schlichten, Josef Fratrel mit Handzeichnungen im Album,
ferner ein Greisenkopf, der wahrscheinlich von Heribert
von Dalberg herrührt. Der Buchhändler Schwan, der

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