Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI issue:
1. Augustheft
DOI article:
Grautoff, Otto: Die Sammlung Platky in Leipzig
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0456

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
der europäischen Kunst. Seit dem alten Jakob Grimm
war der Barock in Verruf. Auch Jakob Burckhardt hatte
für den Barock nur herablassende Geringschätzung. Cor-
nelius Gurlitts Schriften über Barockarchitektur fanden
keine durchschlagende Räsonnanz. Ein intensiveres In-
teresse am Barock wachte zuerst in Oesterreich auf. Die
Kunsthistoriker des Institus für österreichische Geschichts-
forschung nahmen die Barockkunst ernst und vertieften
sich in das Studium des 17. Jahrhunderts in Italien und
Oesterreich. In Deutschland riefen Heinrich Wölfflin und
August Schmarsow zur Erforschung der Barockkunst auf.
A. E. Brinckmann, Walter Friedländer, Carl Horst, Her-
mann Posse, Hugo Schmerber u. A. waren die Ersten,
die sich dieser Spätzeit der italienischen Kunst zuwandten.
Kürzlich hat Hermann Voss in einem zweibändigen Werk:
„Die Malerei der Spätrenaissance in Rom und Florenz“
dargestellt, der demnächst eine Geschichte der Malerei
des Barockzeitalters folgen soll. Diese Arbeiten werden
eine seit langem, empfindlich fühlbare Lücke in der
kunsthistorischen Literatur ausfüllen. Denn bisher endete
die kunstgeschichtliche Darstellung mit dem Verblühen
der Renaissance. Die Sammlung Platky ist die schönste
Illustration, die man sich zu dem Buche des jungen,
Leipziger Gelehrten denken kann. Sein Buch gewinnt
erst Leben, wenn man die vornehmen Räume des Leip-
ziger Sammlers durchwandert. Während das Buch die
historisch-wissenschaftliche Begabung von Hermann Voss
erleuchtet, läßt die Sammlung Platky die praktisch museale
Tätigkeit von Hermann Voss erkennen. Er war in den
letzten Jahren Platkys Berater. Wer heute in Deutschland
die spätitalienische Malerei kennen lernen will, muß
einerseits das Buch von Hermann Voss lesen und anderer-
seits nach Leipzig fahren und die Sammlung Platky
studieren.

Es dürfte außerhalb Italiens keine zweite, öffentliche
oder private Sammlung geben, die einen so umfassenden
Überblick über die Malerei des siebzehnten und acht-
zehnten Jahrhunderts gibt, wie die Galerie Platky. Wie
in dem Buch von Hermann Voss die spätitalienische
Malerei geographisch gegliedert und nach Schulen histo-
risch geordnet worden ist, so treten in der Sammlung
Platky die einzelnen Meister in charaktervollen Beispielen
in Erscheinung. Die Entwicklung der modernen Land-
schaftsmalerei illustriert eine bedeutende Flußlandschaft
mit Rudernden von Annibale Carracci, die in ihrer leichten
Technik und in der verschwimmenden Ferne von noch
größerem Stimmungszauber ist als die bergige Landschaft
im Kaiser-Friedrich-Museum Die Einfalt und Schlicht-
heit dieser Naturschilderung wird nicht durch irgend
eine biblische oder antike Figurengruppe beeinträchtigt.
Annibale hat sich hier ganz dem Naturerlebnis hingegeben.
In diesem Sinne leitet das Bild gut zu einer reinen Land-
schaftsschilderung des Gaspard Dughet über. Er ist
mit einem Bilde aus der waldreichen Umgebung um
Rom vertreten. Von Nicolas Poussin besitzt Platky eine
heilige Familie aus jener späten Periode des Meisters,
in der ihm die Beseelung der Natur das Wesentliche
war. Im Landschaftlichen liegt der Hauptreiz dieses
Bildes. Man hat Gelegenheit den römischen und neapo-

litanischen Landschaftsstil zu vergleichen. Salvator Rosa
ist mit einem interessanten Werkstattbild vertreten, in
dem die bewegliche Phantasie der neapolitanischen Schule
wirksam zum Ausdruck kommt.

Der Vorläufer der Carracci, Pellegrino Tibaldini,
der von Daniele da Voltena zur Mitarbeit in der Trinitä
de’Monti berufen wurde, ist bei Platky mit einem herben
„Johannes in der Wüste“ vertreten. Die Bologneser
Malerschule tritt ferner durch einen entzückenden weib-
lichen Kopf von Elisabetta Sirani und eine Verkündigung
des Giacomo Cavedone in Erscheinung. Besonders
reizvoll ist die ausdrucksreiche Haltung der Maria, die
in keuscher Ergebenheit vor dem Betpult kniet, und mit
gesenkten Lidern und leichter Neigung die frohe Bot-
schaft entgegennimmt, die der hinter ihr erscheinende
Engel verkündet. Auch die spätere Phase der Bolog-
neser Malerei ist von Platky berücksichtigt worden.
Carlo Cignani ist mit einer monumentalen „büßenden
Magdalena“ vertreten. Das Interessanteste dieser Periode
ist eine Genreszene des Giuseppe Maria Crespi, die zu
den Sittenbildern überleitet, wie sie die venezianische
Kunst des 18. Jahrhunderts ausgebildet hat.

Soviel Schönes und Anregendes dieser Teil der
Sammlung enthält, den Hauptakzent hat Platky vorläufig
noch auf die venezianischen Schulen gelegt. Eingeleitet
wird diese Gruppe mit einer „Verkündigung an die
Hirten“ von Francesco Bassano, die die breite Pinsel-
führung des Meisters und die dramatische Kinder-
postierung von hellen und dunklen Flächen erkennen
lassen. Dem venezianischen Stile verwandt erscheint
eine mythologische Szene des Ferraresen Scarsellino.
Am wenigsten Beachtung hat bisher das venezianische
Seicento erfahren. Es ist ein besonderes Verdienst von
Platky, daß sein Suchersinn auch in diese Richtung
spürte. Als vorläufiges Ergebnis seiner Bemühungen
kann man in seiner Sammlung eine mythologische Szene
von Giulio Carpioni und eine inehrfigurige Darstellung
von Battista Langetti „Der Wettstreit des Apollo mit
Marsyas“ bewundern, der, wie Hermann Voss schon
mit Recht hervorgehoben hat, wohl nicht zufällig an
Jugendwerke des van Dyck erinnert. Für den Umschwung
von der halbdunklen Tonmalerei zur heiteren Hellmalerei
des 18. Jahrhunderts ist Gregorio Lazzarini charakte-
ristisch. Er ist mit einem sonnig hellen Bilde „Tobias
mit dem Engel“ vertreten. In die gleiche Reihe gehört
Antonio Pellegrinis Entwurf zu der großen „Allegoria
der Vermählung Johann Wilhelms von der Pfalz mit
Maria Loisia von Toskana“, die sich im bayrischen Staats-
besitz befindet, eine der köstlichsten, groß und in einem
Zuge hingeschriebenen Impressionen. Gute Proben der
blühenden Malerei von Piazetta, Sebastiano Ricci, Gae-
tano Zompini und (eine Plafondskizze) von Tiepolo
finden sich ebenfalls bei Platky. Schon die wenigen
Beispiele dieser Künstler lassen erkennen, daß der Geist
des Dix-huiteme nicht nur in Paris, sondern auch in
Venedig künstlerischen Ausdruck fand. Das bestätigt
vor allem das HauptstUck dieser Gruppe, die herrliche
„Schlummernde Venus“ von Jacopo Amigoni. Das sinn-
liche Empfinden, der prickelnde Geist und die blühenden

452
 
Annotationen