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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Augustheft
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Schneider, Friedrich: Die neuentdeckte Greizer Bibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0466

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Stande, da sie seit Generationen überhaupt nicht und
früher anscheinend nur selten benutzt wurde. Daher
der großartige künstlerische Gesamteindruck, den die
vergoldeten, nicht im geringsten verblaßten Bände auf
den Beschauer machen.

Alle Wissensgebiete sind in dieser Greizer
Bibliothek vertreten. Ich greife nur einige Bände nament-
lich heraus. Eine „nach langen und vielen Nachfragen
eines beauftragten Amsterdamer Bankiers“ Anfang des
18. Jahrhunderts in die Hände eines dafür interessierten
Reußen, Heinrichs XXIV. in Köstritz, gelangte „Biblia en
Lengua Espanola, traduzida palabra por palabra de la
verdad Herbrayca por muy excelentes letrados, vista y
examined a perel officio de la inquisicion. En Amster-
dam, Impressesadorie de Gillis Joost, en el Nieuwe-
straet, 5606.“ Reiche, in Amsterdam lebende, vertriebene
portugiesische Juden haben die Kosten der Übersetzung
getragen! — „Biblia interprete Sebastiano Castalione.
Basileae 1564.“ — Eine illuminierte Hans Luftbibel vom
Jahre 1534 mit dem Stammbaum des reußischen Hauses.
In wertvollsten vier Bänden „Biblia sacra ex Sebastiani
Castellionis Interpretatione eiusque postrema recognitione,
Lipsia 1728.“ Französische Prachtbibeln in rotem Safian-
leder aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Die theo-
logische Abteilung ist überaus gut bestellt.

Geradezu unübertroffen sind die naturwissen-
schaftlichen Bände, oft mit zahlreichen auch bunten
Kupfern ausgestattete Reihen wie z. B. die gewaltigen
Bände der „Histoire naturelle des oiseaux d’Afrique par
Frangois Levaillant“ oder die prächtig geschmückten
Foliobände der „Voyage pittoresque de Naples et de
Sicile; de Malte et de Lipari“, Paris 1782 erschienen.

Ferner weise ich auf die vorhandene englische Aus-
gabe des Orlando Furioso von John Harington (der
Königin Elisabeth gewidmet) hin. Unser Exemplar, ohne
Jahresangabe befand sich 1750 noch im Besitz einer
Mrs. Marten, später ging der Band an Elisabeth von
Hessen-Homburg über. Ihr gehörte auch ein besonderes
Prachtstück der Bibliothek, nämlich die ihr von ihrem
Bruder Augustus geschenkten, von diesem in Italien ge-
kauften achtundzwanzig doppelseitig geschmückten Per-
gamentblätter: Insignia Magnatum, Comitum et Baronum
Angliae qui ad solemnia illa Regni Comitia Westmonastery
habita convocati convenerunt: anno regni Augustissimae
Elizabethae Angliae Franciae et Hiberniae Reginae Fidei
propugnatricis et quadragesimo Domini vero. So schrieb
auf dem Titelblatt in vollendeter Calligraphie Gulielmus
Dethick, im Jahre 1597 Wappenkönig, und fügte auf der
zweiten Seite der farbenprächtigen Sammlung die folgen-
den Verse hinzu:

Viue valeque diu laus, et spes sola Britannis:

Pacis Elisa salus: Martis Elisa decus:

Et quadragenos quos fauste rexeris annos

Hos quadrinogenos annuat esse Deus.

Nur der Zufall konnte ein derartiges Wertstück an
unseren Strand verschlagen! Eine persisch geschriebene,
wohl in Indien von einem Engländer gekaufte Miniatur-
handschrift (wie aus dem Exlibris hervorgeht) harrt noch
eingehender Bewertung.

Zu Elisabeths Privatbüchern gehörten u. a.: in
schwerem Leder mit Golddruck, den gepreßten Initialen
und dem eigenhändigen Namenszug, ein besonderes
Schaustück, folgende Bände: Amorum Emblemata, figuris
Aeneis incisa Studio Othonis Vaeni, with verses in Latin,
English and Italian. Antverpiae 1608. — The Psalms of
David in meeter . . . Edinburgh 1682. — The Works of
Francis Osborn Esq. 1673—1682. — The Lament of
Tasso by Lord Byron. London 1817. — Mazeppa. A.
Poem. By Lord Byron London 1819. John Hooles Jeru-
salem delivered. London 1802. Daneben etwa die große
Shakespeare Ausgabe von Samuel Ayscough. 2 Bände.
London 1790. D. Junii et Auli Persii Satyrae cum Anno-
tationibus Thomae Farmabit. Amstelodami 1670 — C.
Plinii Caecilii secundi Epistolae selectae. Halle und
Magdeburg 1727. Safiangebundene Ciceroausgaben wie
z. B. M. T. Ciceronis opera philosophica ad exemplar
Londinense edita. Berolini 1745. — Letters of the Right
Honourable Lady M-y W-y M-e, Berlin 1781 (mit Kupfer
von D. Chodowiecki). — Brunechilde Tragedia del padre
lettore Ringhieri, monaco ulivetano, seconda edizione.
In Padova 1766. — Aus der Moliere-Literatur erwähne
ich: Oeuvres de Moliere, nouvelle edition, par M. de
Voltaires, avec de tr£s-belles Figures en Tailles douces.
1765. — Estampes destinees ä orner les editions de M.
de Voltaire dediees ä son altesse royale monseigneur le
prince de Prusse par J. M. Moreau, dessinateur et gra-
veur du roi. o. J. — The most ancient and famous
history of the renowned Prince Arthur. London 1634. —
The most famous, delectable and pleasant history of
Parismus, the most renowned prince of Bohemia. Lon-
don 1684, und viele andere Werke.

Auch an der Geschichte Friedrichs des Großen von
Franz Kugler, gezeichnet von Adolph Menzel, Leipzig
1840, will ich nicht vorübergehen. Es handelt sich um
die besonders seltene Ausgabe, in der sich Seite 45
noch das bekannte unzüchtige Bild nebst Geschichte be-
findet, das später unterdrückt wurde! Ridinger und
Merian, Frhr. von Racknitz’ Geschichte des Geschmacks,
sind natürlich ebenso vertreten wie die großen Pracht-
und Tafelwerke, die sich Fürstlichkeiten früher schenkten,
Krönungszüge und Leichenbegängnisse darstellend, eine
Fundgrube für die Wissenschaft und für jeden, der alten
Wein in neue Schläuche füllen will!

Wir eilen an den Schweinslederbänden, der Me-
moiren- und Reiseliteratur vorüber, Stammbücher
und Handzeichnungen harren wie der ganze
Schatz eben noch der wissenschaftlichen Erschöpfung —
ich erinnere nur an die politische Satire! —, alte Eisen-
truhen mit kunstvoll gearbeiteten, ziselierten Schlössern
(auch Fixierschlössern) bergen noch manchen reizvollen
Inhalt, etwa eine nach tausenden zählende Siegel- und
Autographensammlung des deutschen und europäischen
Adels, Privatbriefe der Kaiserin Maria Theresia, politische
Urkunden usw. Die der Bibliothek angeschlossenen
Archive besitzen Urkunden vom 14. bis zum 19. Jahr-
hundert, den berühmten Fürstenbrief der Reußen wie
Un terschriften der Kaiser des heiligen römischen Reiches

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