Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI Heft:
1. Januarheft
DOI Artikel:
Kunstauktionen / Vom holländischen Kunstmarkt / Der Kampf um die Wiener Gobelins / Aus der Künstlerwelt / Gemeinsame Dresdner Kunstausstellungen? / Londoner Kunstschau / Bibliographische und bibliophile Notizen / Neue Kunstbücher
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0250

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mithin hier an die Schonung künstlerischen Eigensinns, künst-
lerischen Selbstgefühls hingewiesen, denn es ist doch kein Ge-
heimnis, daß der Künstler äußerst empfindlich zu sein pflegt.
Die Rücksicht auf eine solche Empfindlichkeit, um nicht zu sagen:
Eitelkeit, sollte jedoch die gemeinsamen Interessen nicht außer
acht lassen, die sich vor allem auf wirtschaftlichem Gebiete zeigen.
Die Kunst kann durchaus nicht auf die Berücksichtigung wirt-
schaftlicher Interessen verzichten, einen so idealen Standpunkt
kann sie am allerwenigsten in unseren Tagen einnehmen. Darum
eben sollte auch der Subjektivismus in der Kunst, wenn es sich
um Fragen wirtschaftlicher Natur handelt, zurücktreten, auch auf
künstlerischem Gebiete ist mit dem viribus unitis entschieden
mehr zu erreichen als mit der strikten Verfolgung von Sonder-
interessen.

Wenn eine vor drei Jahren bereits erfolgte Anfrage seitens
der Dresdner Sezession an die Künstlervereinigung, ob sie einen
Raum unter eigner Jury in dem Ausstellungsgebäude der Künstler-
vereinigung erhalten könne, glatt abgelehnt worden ist, so kenn-
zeichnet dies so recht die bestehenden Verhältnisse, wie sie oben
beleuchtet worden sind.

Vielleicht zwingt die Not der Kunst doch noch dazu»
dem Plane, gemeinsame Kunstausstellungen zu veranstalten, näher
zu treten. Im Interesse der Kunst und der Künstler selber wäre
eine Einigung, der eine V e r einigung in größerem Maßstabe folgen
könnte, zu wünschen. Es handelt sich ja nicht darum, dem kunst-
liebenden Publikum den verschiedenen Standpunkt der Künstler
vor Augen zu führen, sondern lediglich darum, die Kunst
selbst vorzuführen. Das Publikum wird sich sein Urteil schon
selbst bilden, das um so eher und besser, je übersichtiicher, zu-
sammenfassender, kompletter eine Ausstellung ist, und das kann
eine solche nur dann sein, wenn Kunst und Künstler aller
Richtungen vertreten sind.

Paui Sorgenfrei.

Londonet’ Kunfffcbau.

Eine sehr interessante Stiftung ist, wie man uns aus London
schreibt, dem Britischen Museum in Gestalt der Frank Lloyd-
Sammlung von frühem Worcester-Porzellan zugefallen.
Die Stifter sind Besitzer eines großen Zeitungskonzerns und haben
in fast dreißigjähriger Arbeit die Stücke zusammengetragen, die
aus der Zeit von 1751 — 1790 stammen.

*

Jan Steen steht, so schreibt uns unser Londoner
Korrespondent, in England in hoher Gunst. Bei der
Neumann’schen Auktion vor zwei Jahren wurde seine „Ver-
schwenderin“ um 16 200 Guineen versteigert und anfangs De-
zember kaufte Sabin ein ganz kleines Gemälde, das fahrende
Weihnachtssänger darstellt, für Pf. St. 960.— Guinnees zahlte
Pf. 305.— für einen Florentiner Altarentwurf aus der Samm-
lung von Zeichnungen, die einst Lord Amherst gehörten. Ein
Toilettentischsatz von John Fawdery, i. J. 1703 im Stil Königin
Annas hergestellt, ging an Graham um Pf. 1350.

*

Bei Christies wurde letzthin, wie uns berichtet wird,
vieles aus Privatbesitz verkauft, vor allem herrlicher Schmuck.
Von allgemeinerem Interesse war eine englische Taschenuhr
aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in goldenem und
krystallenem Gehäuse (180 Guineen), Ramsden gab 200 Guineen
für zwei Dresdner Porzellanfiguren und Duveen 400 für ein paar
Kien-Lung-Teller. Eine Deruta-Schüssel mit Frauenkopf ging an
Smith für 300 Guineen, ein Worcester-Dessertservis brachte
Pf. St. 769 ein.

Das kunstliebende London traf sich Mitte Dezember
in der kleinen Ausstellung von farbigen Stichen, die aus Privat-
besitz auf kurze Zeit geliehen waren, um einen vielfach aus-
gesprochenen Wunsch zu erfüllen. Den Ehrenplatz nahm James
Ward’s wundervolle Wiedergabe von Hoppner’s „Miranda“ ein,
für die Mrs. Taylor ihm Modell saß. Der Druck gehört Mr. Fre-

derick Behrens, der auch Keating’s Stich nach Reynold’s „Geor-
giana Herzogin von Devonshire“ besitzt. H. Meyer’s Arbeit nach
Romney’s Emma Hamilton als „Natur“ wechselte i. J. 1917 mit
Pf. St. 1500.— den Besitz, während zwei weitere Wards nach
Hoppner’s Motiven, .Badende Kinder“ und „Jugendliche Zurück-
gezogenheit“, einstmals bei der Versteigerung von Sir Lionel
Philipps eine Sensation bedeuteten, da ihr Preis auf 1800 Guineen
getrieben wurde.

*

Ein Ostade, „Bauernfamilie“, auf Kupfer gemalt, vom
Jahre 1658, wurde bei Christies versteigert und ging für 250 Pf.
in den Besitz von Duits über, der auch G. Terburg’s Gemälde
„Der interessante Brief“ um 290 Guineen erwarb.

Weiterhin wurden G o b e 1 i n s verkauft, von denen die zwei
schönsten, die von Gobelin stammen und exotische Landschaften
darstellen, für M. Jonas, Paris, um 2250 Guineen gekauft wurden.
Ein Brüsseler Oval mit Jagdbild brachte 1300 Pf. (Abbey) und
ein länglicher Gobelin (Tod des Ebers), fiel mit 340 Guineen
Morns zu. Die Firma Simmons zahlte 1850 Guineen für zwei
indische Landschaften von Vanderbauk, der zu der Londoner
Soho-Schule des 17. Jahrhunderts gehörte. Dasselbe Haus er-
warb auch eine Louis XVI. Kommode mit Dubois’ Abzeichen für
2:50 Guineen.

ötbliogt’apbißbe und btbltopbtlc
JHottsen.

In einer erschöpfenden, doch nicht umständlichen Unter-
suchung hat Victor Manheimer geistvoll, mit Ieichter, welt-
männischer Haltung die verschiedenartigen wissenschaftlichen
Zusammenhänge erläutert, aus denen sich für uns heute der
Rahmen von Callots Balli bildet und der Verlag hat der kleinen
Monographie eine gute Wiedergabe dieses seltenen Albums hin-
zugefügt. [Victor Manheimer, Die balli von Jacques
Callot. Ein Essay. GustavKiepenheuer,Potsdam:
1921.] Wenn man für Nachbildungen und Neudrucke die Bücher,
die man wieder findet, von denen unterscheiden möchte, zu denen
man immer wieder zurückfindet, so sind diese zierlichen Bändchen
eines bibliographischen Kabinettstückes der letztgenannten
Gruppe zuzurechnen. Sie bereiten dauernde Freude, je besser
man sie als Zeiterscheinung und als zeitloses Kunstwerk ver-
stehen lernt. Nur als etwas zeitlich bedingt gewesenes lassen
sich die Flugschriften, die die ungeheure Welle der Reformations-
litteratur emportrug und verschlang, würdigen. Aber der Sturm-
wind einer gewaltigen geistigen Bewegung weht uns aus den
jetzt fahl gewordenen Blättern dieser Kampf- und Streitschriften
entgegen. Es läßt sich verstehen, daß die Buchfreunde, die ein-
mal den Reiz empfunden, den diese Pamphlete üben, ihm nicht
mehr widerstehen wollen. Sie lockt nicht Pfaffengezänk oder
Theologendisput, sie verlockt es, auf bibliographischen Pfaden
in die Vergangenheit zurückzukehren. Da eröffnet sich dann
mancher weite Ausblick, wenn der kundige Wegeberater ihn zeigt,
wie das etwa Johannes Luther tut, dessen als II. Band der
von Martin Breslauer herausgegebenen „Biblio-
graphien und Studien“ veröffentlichte Untersuchung:
Martin Luthers Auslegungdes90. Psalms [Berlin,
Breslauer: 1920.] als ein beispielgebendes Muster derartiger
Forschungen zu rühmen ist. Ähnliches gilt von den von Otto
C 1 e m e n geleiteten Flugschriften aus der Reforma-
t i o n s z e i t. [L e i p z i g , O 11 o Harrassowitz: 1921.] Sie
bringen nicht allein für ein billiges Geld vielseitig willkommene
Nachbildungen von Raritäten der Reformationslitteratur in die
Büchersammlungen, sondern stellen sie auch durch ihr erläu-
terndes Nachwort dem Benutzer in der bequemsten Form zur
Verfügung. Wieviele Arbeitsmühe und Arbeitszeit die sachlichen
Angaben dieser Nachworte ersparen helfen, kann nur der recht
würdigen, der selbst einmal auf der Kleindatenjagd gewesen ist.
Hier ist der Nutzen der Faksimileedition offenbar, ihre wissen-
schaftliche Zweckerfüllung offenbar. Aber auch der Bibliophile
kommt reichlich auf seine Kosten.

208
 
Annotationen