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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Juniheft
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Mackowsky, Hans: Hans Thoma's Kunst: briefliche Bekenntnisse des Meisters
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0547

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Jians Tboma’s Kunß

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Professor Dr. Hans Mackowsky, Kustos der National-
galerie in Berlin, gibt im Folgenden alle die charakteri-
stischen Briefe wieder, die der Meister aus Anlaß seiner
großen Ausstellung in der Nationalgalerie ge-
schrieben hat, und fiigt den Worten Thoma’s seine An-
sicht iiber Wesen und Bedeutung des gefeierten Kiinstlers
hinzu.

|ie am 11. März in der Nationalgalerie eröffnete
Hans Thoma-Ausstellung hat Anlaß zn einem
Briefwechsel zwischen dem dreiundachtzigjährigen
Meister und den Staatsbehörden gegeben, der es wohl
verdient, in aller Ausführlichkeit veröffentlicht zu
werden, wenn auch ein und das andere Schriftstück
schon von der l'agespresse bekannt gemacht worden
ist. Namentlich was der Altmeister selbst aus seiner
beschaulichen, bereits zwischen Zeit und Ewigkeit
flatternden Seele über seine Kunst verlauten läßt, sind
kostbare Selbstbekenntnisse, die besser als die noch so
beredten Worte seiner Verehrer den Grund- und Urtext
zu der großen Bilderschau in der Nationalgalerie ab-
geben.

Schon in ihrem Äußeren tragen diese Briefe
Thoma's den Charakter altdeutscher Dokumente. Ge-
ruhsam reihen sich die Buchstaben aneinander, liebevoll
verschnörkelt, wenn auch in ihrem ursprünglich festen
Duktus von der altersschwachen Hand streckenweise
erschüttert. Diese Handschrift ist das genaue Gegen-
spiel seiner Art zu zeichnen. Was sie niederschreibt,
hat den Tiefton des nachdenklichen Selbstgespräches
und scheint nicht mit der Feder umständlich hingemalt,
sondern wie in der Abenddämmerung hingesprochen
mit dem Blick auf die einschlummernde Weite der
Matten und Höhenzüge seiner Schwarzwaldheimat . . .

Die Reihe beginnt mit einem Dankschreiben auf die
Einladung der Galerieleitung zur Eröffnung der Aus-
stellung.

Herrn Direktor der Nationalgalerie

Geheimrat Dr. L. Justl in Berlin
Hochgeehrter Herr!

Herzlich danke ich Euer Hochwohlgeboren für
die freundliche Zusendung der Einladung zur Eröff-
nung der Hans Thoma Ausstellung in der National-
galerie zu Berlin am 11. März d. J. Wie gerne wäre
ich dabei, aber meine dreiundachtzig Jahre haben
mich gelähmt und da gibt man auch im hohen Alter,
wie auch sonst noch im Leben dem harten „Muß“ den
Namen einer schönen Tugend; man nennt sie „Ent-
sagung“. —

Wie gerne hätte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit
mündlich gedankt, dafür daß Ihre Stellung im schönen
Reiche der Kunst es llmen ermöglicht hat, ein Stück
echtes Wesen deutscher Kunst zu der rechten Zeit,
wo wir es brauchen, an das Licht des Täges zu
bringen — Verborgenes aufzufinden, es der Welt zu

zeigen; unseren Feinden damit zu sagen: Nicht nur
so, wie ihr uns schildert, ist unser Volk, sondern es
war seit Lebensaltern ein still bescheiden kunst-
sinnig Volk gewesen. — Der geistige Grundzug un-
seres Wesens wird wohl auch in Zuknnft so bleiben
— man könnte diesen Grundzug Stiüe nennen, hinter
welcher, sich selber fast unbewußt, schöpferische
Kraft steckt — verhaltne Stärke. Möge man nun die
deutsche Kunst klein nennen und beschränkt finden,
wir wollen sie erkennen und wollen anerkennen, daß
sie, ob klein, ob groß, unsere Kunst ist, aus der Tiefe
der geheimen Volksseele hervorgeht und daß sie
ihren Zweck erfüllt, wenn sie als bescheidne Diene-
rin, die Vermittlerin zwischen Seele und Seele
wird. — Wenn sie somit sich selbst versteht, so halte
ich es nicht für unmöglich, daß sie die Verbindung
zwischen sich fremden Volksseelen herstellt und so
als eine Art von Friedensengel durch die zerklüftete
Welt wandert. —

Nur soll sie nicht hochmütig werden — wie noch
so manche andre guten Dinge in der Menschenwelt
bringt der Hochmut, wenn er sich an sie hängt, ganz
besonders auch die Kunst zum Fall. Wenn nun meine
Ausstellung in Berlin in ihrer Reichhaltigkeit Man-
chem Aufklärung darüber geben mag, was deutsche
Kunst in ihrem Wesen sein kann, sein könnte, wenn
man sie ausreifen lassen würde, sie schiitzte und
pflegte ohne viel daran herum doktern zu wollen, so
möge er sich bei Ihnen bedanken. Wenn die Kunst
erzogen werden soll aus dem Wirrwarr heraus, in
den sie in unserer Zeit geraten ist, so kann dies nur
Erziehung zur Freiheit sein, die ihr Gesetz in sich
selber findet, dem sie dann, wenn sie es erkannt hat,
unbedenklich folgen kann — auch die Kunst hat
ewige Gesetze, die in der Natur verankert sind, die
aber alle zur Freiheit des Wirkens führen. — Doch
wo komme ich mit meinem Briefe hin! ich wollte
Ihnen nur meinen einfachen, so selbstverständlichen
Dank pflichtgemäß herzlichst aussprechen, den ich
Ihnen für Ihre unendliche Mühewaltung schuldig
bin. — Ich kann mich nur ein wenig entlasten, daß ich
mir denke, Sie haben dies alles aus Liebe zu unserer
Kunst kraft Ihres Amtes getan.

Somit schließe ich für heute!

Ihr Hochachtungvoll ergebener

Hans Thoma.

Karlsruhe, 7. März 1922.

Unmittelbar nachdem der Minister Dr. Boelitz die
Ausstellung eröffnet und eingehend besichtigt hatte,
sandte er folgendes Schreiben an den Meister:

Seiner Exzellenz Herrn Dr. h. c. Hans Thoma,

Karlsruhe.

Exzellenz,

in der Zeit schwerer Bedrängnis und tiefer De-
mütigung konnte ein Deutscher w.ohl an seinem Na-
men verzweifeln, trüge er nicht in sicli neben der
Erinnerung an ein heldisches Deutschland die Leben-
digkeit des geistigen Deutschland. Dichtung, Musik
und bildende Kunst, Wissenschaft und Schaffens-
freude jeder Art sind diesem reichen und rätselvollen

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