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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Augustheft
DOI Artikel:
Bülow, Joachim von: Kunst und Clique
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0609

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/ahrgang ig22

Herausgeber: AdOlpD DonQtll

1. AUQUStDLßtt

Kunü und Cltque

oon

1. D. Bülotü

Der nachstehende Aufsatz des geschätzten Berliner
Malers Joachim v. Bülow enthält zwar manche Wahr-
heit, wir möchten jedoch bemerken, daß wir einem Teil
seiner Ausführungen nicht beistimmen können.

Die Redaktion.

p< ine nicht fortzuleugnende Erscheinung in unserm
Kunstleben ist die Clique und leider ihre Bedeu-
tung. Letztere ist tatsächlich. Die Clique bedeutet
heut für den bildenden Künstler die einzige Möglichkeit,
auf den Kunstmarkt zu gelangen — bekannt, schließ-
lich berühmt zu werden. Sie ist der einzige Weg, über
den der Künstler zu Brot kommen kann. Das ist so
wahr, wie es traurig ist. Ich b r a u c h e keine Beweise
dafür zu geben, denn jeder, der einigermaßen mit dem
Kunstleben vertraut ist, weiß dies.

Ich w i 11 keine geben, denn da müßte ich Namen
nennen. Der Erfolg des Cliquenwesens für die Allge-
meinheit ist: Schematisierung der Kunst nach Grup-
pen, Vorwegnahme des Urteils über den Kunstwert:
„Die Gruppe hat durch Aufnahme des Künstlers oder
seines Werkes über dessen Bedeutung entschieden“.
Der unverständige Beschauer und Käufer verläßt
sich darauf, der gewissenhafte wird dennoch dadurch
beeinflußt. „Irgend was muß doch daran sein, viel-
leicht verstehe ich es nur nicht. Die Künstler urteilen
selber richtiger über ihre Kollegen usw.“

Das Ergebnis des Cliquenwesens ist Züchtung des
Durchschnittes.

Wem es einmal geglückt ist, in eine Clique einzu-
dringen, der weiß die Vorteile zu schätzen. Er wird
sich hüten, in eine andere Richtung zu verfallen, die ihm
vielleicht die natürliche Entwicklung wäre, ebenso wie

unter oder über dem Durchschnitt sich zu bewegen.
Auch Letzteres. Denn die Clique ist eifersüchtig und
wie jede Masse dumm. Sie will als solche gar keinen
Fortschritt. Sie fürchtet ihn. Denn unter Künstlern
spielt die Eifersucht auf den Erfolg die größte Rolle.
„Wer anders ist als wir, der ist wider uns.“ Kitsch ist
bekanntlich, was die andern machen.

Die Clique hat durch die Bank einen Geschäfts-
führer, er ist Portemonnaie und künstlerisches Gewis-
sen der Clique, er ist ihr Einpeitscher und Sklavenvoigt;
er versteht gewöhnlich nichts von Kunst, doch viel vom
Verkaufen. Er spaltet seine Clique, wie es ihm zweck-
mäßig erscheint, bleibt dabei im Hintergrund, klagt über
Künstlerlaunen und macht damit Reklame. Er zwingt
der Clique seine Proteges auf und beeinflußt dadurch,
wenn er wirklich erst Macht hat, den ganzen Kunstge-
schmack. Wir wissen, daß manche Kunstrichtungen
nur auf die absichtliche Einführung eines neuen Typs
durch einen Kunsthändler hin entstanden sind.

Die Clique vernichtet die Freiheit des Kunstschaf-
fens, aber sie ist immer gewesen oder man hat sie rück-
wirkend konstruiert als Hilfsmittel für die Kunststuden-
ten. Ob die flämische Schule eine wirkliche Clique war,
ob die Siennesen es waren, darf man bezweifeln. Die
Schüler eines Meisters sclilossen sich wohl zusammen
und lebten von dessen Ruhm. Das waren die ersten
Cliquen. Das „beinahe wie“ bestach schon, wenn man
das „ganz wie“ nicht haben konnte.

Wirkliche Cliquen schufen dann die Kunstschulen.
Die Nazarener waren eine. Die Barbizon-Schule war
noch keine, nur eine vom Kunsthändler oder Kritikers
Gnaden zur Erleichterung der Registratur.

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