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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1931)
DOI Artikel:
Green, Julius: Überfahrt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0372

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vom Himmel. Durch frische Luft wehten Wohlgerüche, Ln welchen bereits
der kösiliche Duft von Bäumen uud Erde beschlossen zu liegen schien.

„Nun," meinte der Kapitän und schenkte seiuem Gast Wein ein, „scheiden
wir als gute Freunde. Trinken wir auf unser beider Gesmrdheit."

Des Manues Blick wurde schmerzlich stumpf. Er hob sein Glas, hielt es
einen Augenblick lang hoch und ließ es plötzlich auf Tischtuch und 'Teppich
niederfallen.

„Ich muß Ihnen etwas sagen," flüsterte er.

Er wurde bleich und wiederholte den SaH. Wiederholte ihn lauter, als
sürchte er, der Kapitän habe ihn nicht verstanden. Dieser aber schien aus das
höchste überrascht und ersreut.

„Ha," rief er lachend, „hatte ich es Ihnen nicht gesagt? Ich wußte wohl,
Sie würden schließlich sprechen. Ich kenne das Meer!"

Und er lachte ein Lieses Lachen, in welchem Verlegenheit mitschwang.
„Erholen Sie sich," suhr er fort, als er das Zittern des anderen sah. „Glau-
ben Sie, mir kann man alles sagen. Ich bin ein vorbildlicher Beichtvater."

Da legte der Passagier die Hände aus den Tisch und neigte den Kops, als
wolle er sich sammeln. Und er erzählte seine Geschichte.

2lls er zu Ende gehört hatte, stellte der Kapitän sein Glas hin und sragte:
„Nun?"

„Nun, das ist alles," antwortete der Passagier.

„Wie," rief Suger, „und deshalb wandern Sie aus? Sind Sie toll?"
Sie lebten ruhig in Frankreich..."

„Ich war nicht ruhig."

„Doch Sie hätten es sein können. ftftemand verdächtigte Sie."

Der Mann schüttelte den Kopf.

„Jlber," nahm der Kapitän wieder das Wort, „da gibt es ganz andere
Dinge. Das ist kaum ein Berbrechen zu nennen!"

Bei diesen Worten hob der Reisende schnell den Blick und sah nach dem
Kapitän. Leichter Schweiß perlte an seinen Schläfen. PlöHlich schlug er
mit der Faust aus den Tisch und rief:

„Alles, was ich Ihnen eben sagte, ist falsch! Ich belog Sie. Ich bin kein
Berbrecher."

„Warum, zum Teufel, erzählten Sie mir dann dies alles?" sragke der
Kapitän.

„Weil Sie mich dazu zwangen. Sie betrachten mich ohne Unterlaß, Sie
stellen mir allerlei Fragen, Sie sind wie ein Polizist, der nach einem Mörder
sucht. Da sagte ich, was mir einfiel."

Wieder schlug er mit der Faust auf den Tisch und ries mit gepreßter
Stimme:

„Ich sürchtete mich. Sie jagten mir Angst ein. Ich sahre in Geschäften
uach Amerika. Ich bin durchaus kein Mörder."

Ruhig zuckte der Kapitän die Achseln und lächelte.

„Doch," sagte er, „aber von mir haben Sie nichts zu fürchten. Ich ver-
rate nichts."

Der Passagier neigte den Kopf und sein Zwicker ftel auf den Tisch. In
diesem Augenblick zerriß das Heulen einer Sirene die Luft. Dann klang

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