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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1931)
DOI Artikel:
Brock, Erich: Jeanne d'Arc: zum 500. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0579

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von einer EinfachheiL zu gewinnen, die beincche an Blasghemie grenzt. Sie jsl
von der GöLLlichkeiL ihres Vorhabens so durchdrungen (und das ganz ruhig
und klar, ohne hochfliegende Verzückung, ohne sich selbsl als Ich irgendwie
hineinzudrängen, ja keinen Zweifel lassend, sie wäre persönlich lieber auf
ihrem Dorf geblieben), daß sie es bei jeder GelegenheiL Freund und Feind
ohne den geringsten Umschweif, ohne sich in eine Erörkerung darüber einzu-
lassen, als GoLtes Willen verkündigt; und von Gottes Willen zu Gott
selbst ist nur noch ein Schritt. Sie setzte GoLL bei jeder einzelnen Kampf-
handlung wie eine fest umgrenzLe Truppenmacht ein. Es ist nichL genügend
bezcugt, doch völlig in den Rahmen ihrer Ansprüche passend, sie habe öen
Bürgern von Paris, als sie diese SLadL belagerLe, zugerufen: „Iloncksri vous
ä ^68N8!" Völlig auLhentisch und noch weitergehend ist ihr WorL: „1ou8
66ux gui guorroient gu 8aini Ilozgurno cko b'rsneo, gu6rroi6nt eontre
Uoi ^68U8, lloi cku Eiol 6t cl6 tout 16 Noncl6."

So kam alles, wie es kommen mußte. Zwar ist es in der Geschichte oft
vorgckommen, daß ein Volk seinem Befreiungskampfe einen religiösen Rkach-
druck gegeben, sich im Bunde mit GotL gegen die Ungläubigen gefühlt hat.
So die Iuden unter den Makkabäern, so die Puritaner in der englischen
RevoluLion, so die Geusen gegen Spanien. Die Gesänge des Adrian Vale-
rius künden heuLe noch, welche Liese, echte, mannhaste Frömmigkeit das be-
deuten konnte. Und die Franzosen vor Beziers sanden in ihrer Rechtgläubig-
keit sogar RechL und PslichL, zwanzigtausend Proven?alen, Mann, Weib
und Kind, abzuschlachten (worüber ihr Rnführer, 2lbL Albert von CiLeaur,
Lriumphierend an den Papst berichtet: „ultio üiving iu eivitstoiu üostiuru
mii-gbüitor 8ü6vit" — die göLLliche Nache wütete wnndervoll gegen die Skadt
der Feinde — wobei in einem vorteilhasten ZwielichL gelassen wurde, ob es
die Feinde GoLtes oder Frankreichs oder beider seien) — und eine große und
edle, der ihrigen weit überlegene Kultur im JnLeresse der lHguoo uu6 6t
iuckivi^iblo zu zerstören. 2lber immer handelte es sich (bis auf Iohanna und
vielsach auch noch später) auch um eine angenommene rein religiöse UnLer-
scheidung und Rangordnung zwischen den Gegnern, und auch die Franzosen
sagten bei jenem profitablen Kreuzzug noch „GoLL, Neligion und Kirche",
wo sie bei demjenigen von igi/j—1918 „Menschheit, Zivilisation nnd Forr-
schriLL" sagten. Bei Iohanna ist der Kampf und der religiöse TlkzenL zum
erstenmal ein rein politischer. Die religiöse Idee der legitimen Königs-
Erbsolge ist zu dünn, um das zu übertönen.

Will man nun die seltsame, nachtwandlerisch sichere Zeremoniosität und
GchicksalshasLigkeiL ihres Lebens und ihrer TaLen aus göLLliche Einwirkung
zurücksühren, so könnte ihre BoLschafL sich doch wohl zwanglos nur aus die
SiLuaLion beziehen, in die sie hineingesandt wurde, welche allein auf die
Weise grundsätzlich und absolut gesetzt werden kann, wie es Iosef Görres mit
dcmütig beherrschender geschichtsphilosophischer Einfühlung herausgestellt hat:
„Denn wie der WelLLeil (Europa) neuerer ZeiL in Völkern sich ausgeglie-
dert, so sollte es aus lange hin sein Bewenden haben; alle Glieder, wie sie
wechselseitig sich bedingend in ein großes Ganze sich zusammengefügt, sollten
in dieser Ordnung erhalten werden; und das innere Leben konnte nimmer
mit bleibender Bemeisterung und Unterjochung des Einen durch das Andere

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