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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 8 (Maiheft 1931)
DOI Artikel:
Brock, Erich: Jeanne d'Arc: zum 500. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0580

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bestehen. Das Unrechk sollte baher auf bie Dauer nicht siegreich bleiben an
den Feinden; schon stieg am fernen GesichLskreise die ReformaLion, an noch
fernerem die RevoluLion herauf; nichL die eine noch andere durfLe Frank-
reich und England unLer einem HaupLe vereinigL finden, weil sie sonst ent-
weder durch bloße, maLerielle GewalL erstickL, bei dem Zustande, in dem sie
die europäische GesellschafL gefunden, einen schrankenlosen AbsoluLismus,
oder über den ganzen WelLLeil siegreich ausgebreiLeL, zügellos wilde Anarchie,
in beiden Fällen also Auslösung aller gesellschafLlichen Qrdnung herbeige-
führL häLLe. Zugleich war für die kommende ZeiL das Reich der Franzosen
zu einer Geißel und einem Sporn des AnLriebs den anderen Reichen auf-
behalLen, und mußLe, sollLe es diese Bestimmung erfüllen, von der HerrschafL
des Auslandes befreiL, und in seiner EigenLümlichkeiL geschüHL und verwahrL
werden."

MiL dieser Idee haL dann Frankreich von Zohanna ab sich aufznbauen be-
gonnen. Zunächst haL es Burgund, die große Gefahr des unenLschiedenen
Zwischenreiches, miL dem sich das Ausland poliLisch und geistig ein Einfalls-
Lor nach Frankreich schaffen konnLe, weggefegL. Aber es griff alsbald über
seiue Volksgrenzen hinaus. Es schuf sich EinfallsLore nach DeuLschland—
Straßburg, „uns sntrse su ^llsmagne" (Richelieu) — ZLalien, Spanien und
seinen übrigen Nachbarn. Es entnahm aus der WirksamkeiL der Iungfrau
nichL die Lehre, Europa solle aus gleichberechtigten lleaLionalstaaLen bestehen,
sondern die viel einfachere, der es seither Lreu geblieben ist: Frankreich hat
rechL; es haL Iesus, oder wie man heute sagL, RechL und Moral unbedingL
bei sich. Frankreich haL konstituLionell rechL. Frankreichs InLeressen ver-
LreLen und rechL haben ist eine und dieselbe Sache. Frankreich ist von vorn-
herein miL allen jeweils höchsten WerLen einig, niemand anders hat einen
Anspruch auf sie. Dies miL der luziferisch unbeirrbaren GradlinigkeiL fran-
zösischen WerLens haL die Gesinnung geschasten, wie sie Sieburg in seinem
Buche „GoLL in Frankreich" zeichnete. Wie rechL er haL, zeigL die Aufnahme,
welche es in Frankreich fand. Man leckte den Zucker von der biLLern Pille, die
europäische Gesinnung erzeugen soll, und die Pille selbst spie man dem Dar-
reicher ins GesichL*. Und, das können wir aus jüngsten Erfahrungen noch
hinzufügen, nie ist die EnLrüstung so groß, wie wenn ein anderer eine der
Ideen, die als Berpackung allein für Frankreichs starrsinnige Selbstsucht
gedachL waren, davon ablöst und zu ihrem Ernste bringL, wohl gar noch per-
sönlich einen legiLimen Borteil dabei findend.

HeuLe bauL man Iohanna in Frankreich neue Kirchen, und in den alten stehL
sie mik der blau-weiß-roten Fahne als lebendige Verkörperung der „Ilsligiou
cks la patrio". Träte ein Engländer in eine solche Kirche, so müßte seine
Verehrung eine bemerkenswerLe Geistesfreiheit erfordern, nachdem zu Leb-
zeiten der Heiligen aller Gegenstand ihres Heiligenlebens, ihrer besonderen
Verbindung miL dem Himmel, der Kampf gegen England war. Iohanna ist
wohl die erste Heilige, die sinnvollerweise nur in einem Land verehrL werden
kann. Da dieses Land sich ohnehin weithin in einer heillosen Begriffsverwir-
rung zwischen Religion und VaLerlandsliebe bewegL, so mußte kurz nach

GrautofL schreibt in der „Literatur" über diese oon ihm zugegebene Äusnahme des LucheS:
„Hofsentlich oerpatzt kein deutscher Antieuropäer die Wirkung." Hossentlich!

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