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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 8 (Maiheft 1931)
DOI Artikel:
Brock, Erich: Jeanne d'Arc: zum 500. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0581

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dieser Heiligsprechung sein pseudoreligiöser Nationalismus von Rom ver-
dammt werden.

Seither hat sich die katholische Kirche im SkreiL der Nachkriegs-Rkationa-
lismen rechL wacker gehalLen und Johannas weißes Banner miL dem Ge-
kreuzigLen so guL es ging nber das GeLümmel zu erheben gewußL. 2lber so
gewiß eine Religion wirklichkeiLsflüchLig und schwächlich wäre, welche in den
großen Schicksalsslunden eines Volkes ihm als Volk nichLs zu sagen häLLe,
so gewiß isl auch bei Johanna der Ursprung jener Verwüstung, wonach der
bewußL uud naLurhafL auf die eigene ArL gerichLeLe Wille dieser die eigenL-
liche und höchste religiöse Weihe verleihL. Es ist guL und noLwendig, daß der
Mensch seiuen Boden, seine HeimaL, sein VaLerland, seine VolksarL und den
Geist seiner KulLur in den Augenblicken der leHLen Bedrohung als ekwas
Heiliges, als ihm zur VerLeidigung auf Tod und Leben von hoher SLelle
Überbundeues empfindeL und verehrL. Und auch sonst ist es in einer Feier-
stunde erlaubt uud geboten, dessen herzlich froh und verpflichLeL zu werden,
was das eigene Volk in seiner Sprache den leHLen Dingen zu anL-
worten haL. Aber was über einer großen Spannung richtig ist, was unter
den leHLen AnLrieben alle ideellen Gegeninstanzen überwindet, das ist als
kaltblütiges System für den Alltag nur höchst bedingterweise wahr und gut.
Es ist ein Greuel, die spannungslose nackte Tatsache der eigenen Natur auf
den AlLar zu heben; ein größerer Greuel ist es, sie mit Ideen zu bekleben,
die ihre Würde von größerer Umfassnng herschreiben, aber nun dem strengsten
VerboLe unterßehen, von jenem noch recht animalischen Körper abgelöst zu
werden. Iohanna ist nur stellenweise auf die Grenze zu diesen Mißbräuchen
getreten; aber die Demut und DienstwilligkeiL dem Höheren gegenüber,
welche sie bewahrL haLLe, diese Grenzen zu überschreiten, begann ihrem Volke
zu fehlen — und damiL wurde sie chm doch in weiten Bezirken zum Berderben.
Allen Völkern, die gar zn sicher sind, daß an ihrem Wesen die WelL ge-
nesen soll, ob sie es will oder nichL, haL das Schicksal derbe LekLionen bereiL,
die besagm, daß es auch ohne diese Völker gehL, daß nnter Umständen der
Kampf gegen sie zum Kampf gegen einen anderen Herrn der WelL wird, als
den Iohanna meinte. Das ist ein ewiges RkaLurgeseH der Geschichte, und es
handelL sich für die Bölker darum, sich ihm zu beugen, Abstand zu sich selbß
zn finden, ohne den Willen zu weltgeschichLlicher Selbstbewahrung und
Leißung zu verlieren.

Rkachdem wir nns diese notwendige KlarheiL verschasfL haben, wenden wir
den Blick zurück auf Iohannas GestalL. Lassen wir uns die Freude an
dieser nichL dadurch nehmen, was die GeschichLe an falschen Folgerungen
daraus entnommen hat! Ihre Schönheit gleichL jenen miLLelalterlichen fran-
zösischen Bildwerken der Madonna, deren Hingabe an das GöLLliche so viel
UkaLurhafLigkeiL bewahrL, daß sie kein gewalLLätiges ÜberLroHen eines unheil-
baren Bruches bedeutet, sondern das sanfte ürachgeben gegenüber einer lieb-
lichen Stimme, und daraus KrafL gewinnL, alles Harte zu Lun und zu leiden,
als fiele es, von dorL her freundlich geboten, in seiner HärLe gar nicht mehr
in BeLrachL. Solches konnte Frankreich sein, als es noch an Anderes als sich
selber glaubte, als es nicht, um die Tiefe sich nichL gegenüberstellen zu müs-
sen, am Übermenschlichen absichtlich und verbissen vorbeischaute, sondern es
in schöner Form seiner MenschlichkeiL fromm bewahrte.

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