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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 8 (Maiheft 1931)
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Walpole, Hugo: Junggesellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0583

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und des Cricketklubs und gleichzeiLig ein hervorragendes Mitglied der konser-
vativen Vereinigung. Wenn er des Morgens in Tweedjacke und nach der
neuesten Mode geschniLLenen Knickerbockers dahinschriLL, boL er das Bild eines
Mannes, der sich seiner SLellung Ln der WelL bewußL isL. „Tag, Benson",
pflegLe er zu sagen; wenn es hoch ging: „Wie gehLs Ihnen, Bumpus!" und
zuweilen pflegLe er einem Kindchen, das ihm vor die Füße lief, zuzurufen:
„Aus dem Weg, Kleines, aus dem Weg!"

Die LeuLe fanden es merkwürdig, daß zwei Brüder, die immer zusammensteckLen,
so verschieden waren. Aber die, die Robin Chandler genauer kannLen, wußLen,
daß er ZeiL seines Lebens versuchL haLLe, seinem Bruder ähnlich zu werden. OfL
und ofi haLLe er versuchL, herrisch, krafLvoll und kurz angebunden zu erscheinen,
aber naLürlich Lmmer erfolglos. Er haLte die Stimme eines freundlichen Ka-
narienvogels, und es gelang ihm nie, sich auszudrücken, ohne eine große Menge
WorLe zu gebrauchen. Daß Robin seinen Bruder abgöttisch verehrte, wußte
jedes Kind in Polchester. SeiL jenem Tage schon haLLe er ihn verehrL, als
man ihm — er war damals ein einsamer zehnjähriger Iunge gewesen — ver-
kündete, daß er ein Brüderchen bekommen haLLe.

Harry Chandler pflegte auf seinen Bruder miL wohlwollender DuldsamkeiL
hinabzusehen. „Braver alter Kerl, mein Bruder", drückte er sich aus, „aber
ein bißchen sonderbar, man würde nie glauben, daß wir Brüder sind, was?
Sie sollten ihm bloß mal zusehen, wenn er versnchL, Golf zu spielen. StehL da
miL Liefernstem GesichL, macht eine furchtbare Anstrengung; man glaubL wun-
ders, was da kommen wird, und dann verfehlt er miL Lödlicher SicherheiL den
Ball. Ein lieber Kerl, wie gesagL, aber unter nns — ein KirchenlichL ist er
nichL."

Robin kannte die Einftellung seines Bruders ihm gegenüber ganz genau, aber
keine andere schien ihm möglich zu sein. MiL vor Bewunderung weiL aufgeris-
senen Augen haLLe er alle die Iahre hindurch seinen Bruder größer und größer
werden sehen. Das war ein Mensch, sein Bruder! Gab es wohl noch einen
zweiten, der jeden Sport so fabelhasL beherrschte, der in einer Versammlung
so zu dominieren verstand, der sich in einem Salon miL so gewinnender Sicher-
heiL zu bewegen vermochte? Robin selbst fürchtete sich vor den Frauen, außer
vor sehr alten und einsamen. Er war — lang, lang ists her — einmal „furchL-
bar" verliebL gewesen, und vielleichL hätte er auch Gegenliebe gefunden, wenn
er sich ein bißchen Mühe gegeben häLLe; aber, was häLLe wohl Harry ohne ihn
angefangen? N!ein, solange Harry nichL heiratete, durfte auch Robin an so
etwas nichL denken. Daß sein Bruder auf jede Frau unwiderstehlich wirkte,
war für ihn so sicher wie das Amen im Gebet! Was haLLe er für schreckliche
Stunden durchgemachL, als Harry der einen oder anderen anziehenden jungen
Dame seine AufmerksamkeiL geschenkL hatte. „Wie ich höre, Herr Chandler,
wird man Ihrem Bruder bald gratulieren dürfen...!" War Polchester nichL
ein schreckliches KlaLschnest?

Bisher aber war der Kelch an Robin immer vorübergegangen. All die Iahre
hindurch war Harry nichL einmal verlobt gewesen. Robin wunderte sich dar-
über, aber im Grunde seines Herzens war er dankbar dafür, und miL jedem Iahr
wuchs das Gefühl der Sicherheit. Nur manchmal noch kroch des N!achLs ein
unheimliches Gespenst aus dem Dunkel auf ihn zu und flüsterte ihm ins Ohr:

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