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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Zum Preisausschreiben für "Pelikan"-Tuschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0023

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Heft 2.

Die Werkstatt der Kunst.


Tum Preisausschreiben
kur „Pelikan"-Tuschen

Ls kann heute kaum mehr ein Preisausschreiben durch-
geführt werden, ohne daß sich eine Stimme erhöbe, die an
der Form, an den Bedingungen oder aber am Ergebnis
etwas auszusetzen habe. Somit müßte man sich beinahe
scheuen, in solchen Sachen überhaupt das Wort zu ergreifen,
wenn ich diese Scheu hier überwinde, so geschieht es zum
großen Teil mit im Hinblick auf den Ende Juni in der
„w. d. K." erschienenen Aussatz „Ueber Plakat-Preisaus-
schreiben", mit dessen Inhalt ich mich damals völlig ein-
verstanden erklären konnte bis aus einen Punkt: den
Glauben an die unbedingte Zuverlässigkeit des Urteils-
spruches.
Im Dresdener Künstlerhaus ist jetzt ein kleiner Teil
der 2500 Entwürfe ausgestellt, die zu Günther Wagners
Preisausschreiben eingegangen waren. Es sind wohl
ZOO Blatt. Diese Ausstellung sowie das Ergebnis, das sie
zeigt, fordert in verschiedener Beziehung zum Widerspruch
heraus.
Erstens: warum ist der erste Preis nicht vergeben
worden? Die Begründung, daß ein den Anforderungen
der Jury nach allen Richtungen entsprechender Entwurf
nicht eingegangen sei, ist den Künstlern bei solchen Ge-
legenheiten schon so oft vorgesetzt worden, daß sie kaum
mehr viel anders wirken kann, als eine bloße Redensart.
Es ist ja an und für sich nur zu begrüßen, daß durch
Teilung des ;ooo Ulk.-Preises in vier Preise zu 250 Ulk.
noch drei Künstler weniger bei der Sache eine Niete ge-
zogen haben. Aber im allgemeinen muß diese Verweige-
rung des ersten Preises doch als ein Unfug bezeichnet werden,
um so mehr, als es sich hier ja durchaus nicht um eine
Sache von öffentlicher Bedeutung handelt, und als man
ja schon längst davon abgekommen ist, mit der Vergebung
des ersten Preises zugleich auch die Verpflichtung der Aus-
führung oder Verwendung des Entwurfs zu übernehmen.
Der erste Preis gehört einfach dem Entwurf, den die Jury
für den besten erklärt, wenn die Herren Juroren aber so
genau wissen, welche Anforderungen sie an den ersten
Preis zu stellen haben, warum werden denn diese dann
nicht einfach im Preisausschreiben ausgesprochen? Im
vorliegenden Falle könnte man vielleicht die Forderung
dahin stellen, daß außer allen künstlerischen Fragen das
Plakat in gleichem Maße auf schwarze wie auf die farbigen
Tuschen aufmerksam machen müßte. Das fehlt bei den
meisten Entwürfen.
Zweitens: In dem Preisausschreiben stand: „Nach
Auswahl der Jury werden die Entwürfe in großen Städten
zur Ausstellung gebracht." Das kann nichts anderes heißen,
als: Nachdem die Jury ihres Amtes gewaltet, nämlich die
Preise bestimmt hat. was hat nun aber die Jury und
die ausschreibende Firma berechtigt, für die Ausstellung
noch eine besondere Auswahl zu treffen, anstatt alle
Entwürfe auszustellen? Die von der Firma in ihrem Be-
richt ausgesprochene Entschuldigung: „weil die sür solche
Gelegenheitsausstellungen zur Verfügung stehenden Räume
in der Regel keine größere Anzahl aufnehmen können", ist
durchaus nicht stichhaltig. Auch ist es ein leichtes, un-
gerahmte Entwürfe in Stößen zu 50 bis ;oo Stück auf
Tafeln auszulegen. Seit man in der Fachpresse wiederholt
auf das Unberechtigte und verderbliche hingewiefen hat, was
in der Ausschreibung von so umfangreichen Konkurrenzen
für eine verhältnismäßig so leicht zu beschaffende Sache
liegt wie ein Plakat, ist als einziges Aequivalent für die
viele vergeblich veranlaßte Arbeit anerkannt worden: die
Ausstellung der eingegangenen Entwürfe mit Namens-
nennung der Künstler. Dieses Aequivalent hat die Firma
in ihrem Preisausschreiben auch in Aussicht gestellt, aber
voll eingelöst hat sie ihr Wort nur in Hannover, auswärts
dagegen nur zu t2"/y. Gder sollte der vorhin erwähnte

Passus: „Nach Auswahl der Jury . . ." etwa gar absicht-
lich doppelsinnig gefaßt sein, so daß die Firma nun jetzt
darunter verstanden wissen will: Die Entwürfe werden
nach einer, d. h. gemäß oder in einer von der Jury ge-
troffenen Auswahl ausgestellt??
Drittens: Zu dieser letzteren Aufsassung der Sache
wird man fast gezwungen durch die Beobachtung, daß allen
in Dresden ausgestellten Entwürfen in der rechten unteren
Ecke ein gedrucktes Zettelchen aufgeklebt ist mit den Worten:
„Für die Ausstellung. Die Jury." Daraus geht hervor,
daß die Auswahl geradezu mit ins Programm der Jury
ausgenommen worden war, daß diese außer ihrer ersten
Kritik, der Prämiierung, und der zweiten, der Ankäufe —
diese gehören von Rechts wegen gar nicht zur Funktion
der Jury; hier sollten mehr die Wünsche des Konsumenten,
der ausschreibenden Firma zum Ausdruck kommen — noch
eine dritte Kritik geübt hat. Nach welchen Grundsätzen
aber hat denn diese dritte Wahl stattgefunden? Soll da-
mit etwa gesagt sein, daß dies nun die 300 besten Ent-
würfe seien, daß sie unbedingt wertvoller seien als alles
übrige, was nicht mit ausgestellt worden ist? Das wäre
sehr merkwürdig. Denn unter den ausgestellten Entwürfen
sind eine ganze Anzahl, die teils in der künstlerischen Form,
teils im Gedanken viel eher als abschreckende, denn als
empfehlende Beispiele dienen könnten. Nicht allein, daß
die Forderung des Innenxlakates in vielen Fällen und
höchst merkwürdiger weise auch bei einigen der angekauften
Entwürfe völlig außer acht gelassen worden ist — das
Wesen des Innenplakates aber ist nicht in der Komposition
eines Genrebildes, auch nicht in bildmäßiger Modellierung
oder Ausführung zu sehen, sondern lediglich in einer Art
der künstlerischen Durchformung oder Ausstattung, die
auch für den geringen Abstand der Betrachtung im Zimmer
noch besondere Reize birgt —, daß ferner Ideen, die nach-
gerade zu Tode gehetzt worden sind, wie „Der Kenner",
oder solche, die nicht die geringste Beziehung zum Thema
und zur Ware haben, wie ein niederdeutsches Bauernhaus,
doch schon deshalb abzulehnen wären, so müßte vollends
alles ferngehalten werden, was irgendwie, wenn auch noch
fo zart, nach Plagiat schmeckt (das grüne Mädchen des
Berliner Secefsionsplakates!) oder nach allzu skrupelloser
Benutzung allgemein zugänglicher Vorbilder. Ls ist ja
nicht unbedingt zu verlangen, daß den Juroren das vor
etwa ;5 Jahren erschienene englische Tierbilderbuch: ,,^II
Lbout unirnLls" bekannt ist. Aber einem von fünf
bildenden Künstlern hätte es doch eigentlich auffallen müssen,
wenn unter 300 Entwürfen zweimal ganz derselbe Pelikan
erscheint in einer ziemlich auffälligen Stellung, der Körper
von vorn gesehen, der Kopf scharf nach rechts gedreht, wie
ihn S. des genannten Werkes zeigt, wenn hier schließ-
lich auch keine unrechtmäßige Benutzung einer schon vor-
handenen künstlerischen Schöpfung vorliegt, fo ist es doch
immerhin ein rechtes Armutszeugnis. Freilich hat ja auch
einer der bekanntesten Künstler der jüngeren Münchener
Schule sich nicht gescheut, auf einem Gemälde, das sich
jetzt im Besitz einer berühmten mitteldeutschen königlichen
Galerie befindet, und das durch Reproduktion in Farben-
buchdruck noch bekannter geworden ist, einen in dem ge-
nannten Werk abgebildeten Löwen getreulich abzukonter-
feien.
Ich hätte noch manches zu erwähnen, auf dem Herzen,
muß es mir aber versagen, da ich fürchten muß, das Pro-
gramm der „w. d. K.", das ja — leider! — mit ästhe-
tischen Dingen im allgemeinen nichts zu tun haben soll,
zu überschreiten. Erwähnen möchte ich nur noch die Un-
glaublichkeit des Ankaufs eines Entwurfs, der in vier oder
fünf Farben außer der Schrift nichts weiter enthält, als
in gelber Randlinie eine kleine Figur, die sich bei längerem
Studium etwa als die roheste Verballhornung eines Blumen-
körbchens in der Art von Malerei an Bauernmöbeln ent-
puppt, oder die Ausstellung eines in zarter, kolorierter
Bleistiftzeichnung gehaltenen Entwurfs, auf dem eine weiße
Porzellanpalette mit der zoologisch sachlichen Wiedergabe
eines Pelikans an roten fliegenden Bändchen hängt, da-
 
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