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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0031

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I.Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

23

Wenn wir nun den hohen Werth, welchen diese
Sammlung' von 150 Phototypien besitzt, überschlagen, so
erscheint er uns vom fachlichen Gesichtspunkte aus be-
deutender durch die Priorität, welche die grösste Zahl
der Blätter besitzt. Die oberste Kriegsleitung Frankreichs
hat zu allen Zeiten Bestrebungen gegenüber, die Schätze
des Museums der Welt zu vermitteln, sich abweislich ver-
halten. Wer sie kennen und bewundern lernen will, der
muss noch zur Stunde nach Paris reisen und nach der
Esplanade wandern. Es liegt ein Sinn in der Methode.
Damit begreift sich’s, wenn wir hier die übergrösste Mehr-
zahl der hervorragendsten Objecte, Wunderwerke der
Waffenschmiedekunst, wie solche keine Sammlung der
Welt aufzuweisen hat, zum ersten Male und in so unüber-
trefflicher Weise abgebildet erblicken.
Die Ausgabe giebt Gelegenheit, die Gegenstände mit
mehr Gemüthsruhe und Aufmerksamkeit zu 'betrachten,
als dies selbst einem Besucher des Musee möglich ist, und
da ersehen wir schon nach übersichtlicher Betrachtung mit
Staunen, wie hoch der reelle Werth der Sammlung durch
die in neuester Zeit aufgerollte Meisterfrage gestiegen
ist. Werke, welche noch vor einigen Jahren geringe Be-
achtung gefunden hatten, stehen heute im Vordergründe,
wie die Harnische der Missaglia, der Worms und noch
Anderer. Diese beginnende Bewegung auf kunstwissen-
schaftlicher Bahn drückt sich in den drei unschätzbaren
Bänden bereits deutlich aus, und doch ist sie erst im Be-
ginne und wird in nächster Zeit einen vollständigen Um-
schwung auf dem Gebiete des Sammlungswesens herbei-
führen.
Der Schreiber dieser Zeilen nimmt hier Gelegenheit,
seinem innigsten Dankgefühle für die munificente Gabe der
französischen Kriegsverwaltung öffentlich Ausdruck zu
geben. Er ist dazu umsomehr verpflichtet, als das reiche
Geschenk von der seltenen Erlaubniss begleitet war, die
Abbildungen auch für eine gelegentliche graphische Wie-
dergabe benützen zu dürfen, eine ehrende Auszeichnung,
die der Schreiber dieser Zeilen nach ihrem Werthe wohl
zu würdigen weiss.
Die phototypischen Reproductionen der Beamten der
technischen Section der Artillerie sind vorzüglich, manche
selbst meisterhaft gelungen, und geben vollständige Zeu-
genschaft von der unübertroffenen Höhe der Leistungs-
fähigkeit. Der Text der ersten Bände von Oberst Robert,
des letzten von Oberst Bernadac beschränkt sich zwar nur
auf die Ueberschriften, alle aber lassen durch ihre Correct-
heit erkennen, dass die beiden tüchtigen Autoren das wissen-
schaftliche Feld vollkommen beherrschen. Beide haben da-
mit ein Werk geschaffen, das der französischen Nation wür-
dig ist, und das will sehr viel gesagt sein. W. B.
Van Duyse, Hermann. Le Goedendag, arme
flamande, sa legende et son histoire. Gand, 1896.
Endlich wieder einmal eine Arbeit, die sich nicht mit
der Decoration, sondern mit der Form einer Waffe, ihrem
Zweck und ihrer Bezeichnung beschäftigt und nach der Me-
thode der modernen Forschung gearbeitet ist. Wir haben
uns schon lange nach einer solchen gesehnt, denn es schien,
als wären die Gewährsmänner für diese wichtigste Partie
im Gebiete ausgestorben.
Der uns vorliegende Essay wurde Ende des Vorjah-
res im Cercle historique et archeologique zu Gent vorge-
tragen. Sein Verfasser, Präsident der archäologischen Sec-
tion genannter Gesellschaft, besitzt seit Längerem einen
ansehnlichen Ruf als Historiker, dessungeachtet hat er mit

seiner neuesten Arbeit alle Fachgenossen auf dem Felde
der historischen Waffenwissenschaft überrascht. Dem Re-
ferenten sind unmittelbar nach deren Erscheinen von meh-
reren competenten Persönlichkeiten überaus lobende Zu-
schriften über selbe zugekommen, deren Inhalt er sich nur
vollständig anschliessen kann; denn die Forschung darin
ist exact geführt, und das Schlussergebniss steht niet-
und nagelfest und bildet eine ansehnliche Correction bis-
heriger Annahmen. Es handelt sich hier um die Frage:
Welche Form hatte die «Goedendag» genannte Waffe,
die in mehreren mittelalterlichen Chroniken, wie im Frois-
sart, unter dieser Bezeichnung erscheint? Schon Felix
De Vigne hatte in einer 1846 erschienenen Abhandlung eine
im Allgemeinen richtige Definition dieser Waffe gegeben,
aber andere und gerade solche Autoren, welche Autorität
geniessen, sind darin wieder weit abgekommen, wie Van
Malderghem in seiner Broschüre: «Laverite surle Goeden-
dag» und nicht minder Viollet-le-Duc in seinem «Diction-
naire du Mobilier francais». Der Eine macht sie zu einer
zur Streithacke zugerichteten Pflugschar, der Andere zu
einem einfachen Streitbeil mit Stossklinge.
Der Verfasser unternimmt es nun, an der Hand der
geschichtlichen, literarischen und artistischen Denkmale,
der Chroniken, Fresken etc., diese Waffe von ihrer frühe-
sten Erwähnung an zu verfolgen und Wort und Bild zu
vergleichen. Er giebt seinen Ausführungen eine polemische
Form, deren Spitze vor Allem gegen Van Malderghem und
seine Broschüre gerichtet ist, um zu erweisen, dass die
Waffe in Flandern weit älter als ihr Name ist, wo sie vor
der Schlacht von Courtrai noch unter der Bezeichnung
«Staf» auftritt. Erst um die Wende des i3. Jahrhunderts er-
scheint sie als Godenda, Goedendag, als welche sie in den
«Annales Gandenses» des Frere Martin, in Villani und von
Guiart etc. genau beschrieben wird. So sagt der Letztere:
«A granz bastonz fesanz ferrez
A i lonc fer agu devant,
Vont ceuz de France recevant.
Tiex bastons qu’il portent en guerre
Ont nom godendac en la terre etc.»
Und dieser Staf oder Goedendag ist nichts Anderes
als eine Waffe für Fussstreiter, etwa 2 Meter lang, ober-
halb sich zu einem Knopf verstärkend und dort mit einer
spitzen kurzen Stossklinge versehen. Der Goedendag war
somit ebenso eine Stoss- wie Schlagwaffe und hatte gegen
den Spiess im Gebrauche manche Vortheile voraus.
Diese Beschreibung entspricht genau der Abbildung
einer Waffe in den bekannten Fresken in der Kapelle der
Weber der Kirche zu Gent, welche unter dem Namen
«Leugemiete» (la menteuse, die Lügnerin) bekannt ge-
worden sind. Wir sehen in selben eine Colonne von mit
Beckenhauben, Wambels und Dreieckschilden bekleideten
und bewaffneten Bürgern, welche theils mit Spiessen, theils
mit den beschriebenen Goedendags ausgerüstet sind.
Mit den gründlichen Ausführungen Van Duyse’s ist
die richtige Form des Goedendag gegeben, und die ab-
weichenden Ansichten und Behauptungen Van Malder-
ghem’s, Viollet-le-Duc’s und Anderer sind ein- für allemal
abgethan.
Van Duyse hat sich mit diesem ausgezeichneten ge-
lehrten Excurs von Neuem ein Verdienst in der Forschung
auf dem Gebiete der historischen Waffenkunde erworben,
das unbestreitbar ist. Wir beglückwünschen ihn dazu herz-
lichst und hoffen, ihm mit ähnlichen tüchtigen Leistungen
baldigst wieder zu begegnen. W. B.
 
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