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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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10. Heft
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Boeheim, Wendelin: Neues aus dem Musée d'Artillerie in Paris, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0259

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Neues aus dem Musee d'Artillerie in Paris.
Von Wendelin Boeheim.

Ein Waffenmuseum, das ausser Verbindung mit
gleichartigen anderen Sammlungen bleibt und nur
ein selbstgenügsames Leben führt, verliert allgemach
an Werth; die Fäden, welche aus den Gebieten der
Geschichte, der Kunst-, der Kriegswissenschaften
einst herüberleiteten und einen geistigen Rapport
ermöglichten, reissen ab und die Traditionen, welche
an den einzelnen Gegenständen noch hafteten, ge-
rathen allmälig in Vergessenheit.
Es ist nicht zu wundern, dass auch das reiche
Musee d’Artillerie in Paris bis in unser Jahrhundert
herein in diesen somnolenten Zustand verfiel; war
man doch in der ganzen Welt über die Aufgaben
eines Museums historischer Waffen sich völlig un-
klar, spielten gerade hier traumhafte romantische
Empfindungen herein und fehlte es überhaupt an
einer wissenschaftlichen Grundlage für die Beurthei-
lung des Materiales nach allen Lebensrichtungen hin.
Ueberall begnügte man sich mit schön stylisirten
Beschreibungen des musealen Inhalts, in denen die
«Vermuthungen» eine hervorragende Rolle spielten
und selbst Fabeln sich breit machten, und Niemand
gerieth auf den Gedanken, oder wagte es, die Axt
der Forschung in die Fland zu nehmen und mit
kühnen Streichen sich durch das Dickicht des Ro-
manticismus durchzuarbeiten oder durch unausgesetz-
ten Vergleich auf die Bahn der Wahrheit zu ge-
langen.
Man muss zugestehen, dass das Musee d’Artil-
lerie das erste Waffenmuseum war, welches nach
dieser speciellen Richtung hin seine Aufgaben zu
erfassen bcg'ann. Es hatte das Glück, seit der Mitte
unseres Jahrhunderts bis zur Gegenwart Conservatoren
zu erhalten, welche Kenntnisse mit Talent verbindend
klar auf die isolirte Stellung ihrer unschätzbaren Samm-
lung' blickten. Dem Obersten Penguilly l’FIaridon
gebührt das Verdienst, zuerst ein gründliches Studium
seiner Sammlung' im Einzelnen eingeleitet zu haben,
ihm folgte der rastlos arbeitende Oberst Ledere,
aber erst unter dem talentvollen und energischen
Oberst Robert gelangte die Leitung auf die. breite
Bahn wissenschaftlicher Forschung, auf welcher sein
nicht minder tüchtiger Nachfolger, der gegenwärtige
Conservator Oberst Bernadac rüstig weiter schreitet,
und auf überraschende Erfolge bereits hinzuweisen
vermag.
Nach manch anderen werthvollen Neuentcleckun-
gen in diesem Museum aus jüngster Zeit, die ebenso
eine Bereicherung der Wissenschaft, als eine Werth-
zunahme der Sammlung selbst darstellen, wollen wir
hier nun die neueste schildern; sie bezieht sich auf

jene zehn Harnische und Waffenstücke, welche im
Jahre 1806 über Befehl des Kaisers Napoleon I.
aus der berühmten Sammlung des Schlosses Ambras
in Tirol aufgehoben und nach Paris überführt worden
sind.1) Der schöne Erfolg war hauptsächlich einer
wissenschaftlichen Verbindung mit der kaiserlichen
Waffensammlung zu Wien zu danken, die schon vor
gut zehn Jahren durch Oberst Robert sich anknüpfte,
unter dem gegenwärtigen Leiter sich fester gestaltete
und allmälig gemeinschaftliche Ziele vor Augen stellte.
Von den zehn Harnischen und Waffenstücken,
welche damals nach Paris gewandert waren und hier
nach dem Wortlaute des französischen Uebergabe-
documentes aufgezählt werden sollen, waren in den
damals bewegtenZeiten einige bezüglich ihrer FI erkunft
in Vergessenheit gekommen; es zeigte sich dies deut-
lich in dem Kataloge des Musee d’Artillerie von
Penguilly l’Haridon,2 3) in welchem nur vier Harnische
als aus dem Schlosse Ambras stammend angegeben
wurden.
Auch in dem letzten Kataloge des Musee 1889
bis 1893 von Oberst L. Roberta) ist der Verfasser
nicht zu einer vollständigeren Bestimmung gelangt.
Nur wurden die beiden Harnische Franz I. (G. 117)
und Karls IX. (G. 120) aufgenommen, die Provenienz
des letzteren aus Ambras ist aber nicht angegeben;
sie war also auch dem Verfasser unbekannt.
Aus Ambras gelangten am 15. Februar 1806
folgende Objecte nach Paris:
1. Ganzer Harnisch des Königs Franz I. von Frank-
reich für Mann und Ross.
2. Plalber Harnisch des Königs Karl IX., im Feuer
vergoldet und verziert mit ornamentirten Strichen,
ohne Beinzeug.
3. Plalber Flämisch des Herzogs Fleinrich von
Guise, vergoldet, mit verschiedenen Kugelmalen
auf der Brust, ohne Helm und Beinzeug.
4. Plalber Harnisch des Flerzogs von Mayenne,
durchaus vergoldet mit seinem Plelm, ohne
Arm- und Beinzeug.

:) Jene Sammlung, welche von dem Erzherzoge Ferdinand
von Tirol von ca. 1580 an angelegt wurde, der mit vielen An-
strengungen die Harnische und Waffen berühmter Feldherren und
Kriegsmänner sammelte. Sie bildet heute den werthvollsten Theil
der kaiserl. Waffensammlung zu Wien.
2) Catalogue des Collections composant le Musee d’Artillerie.
Paris 1862. 1 und 2 waren damals und seit 1852 im Louvre
aufgestellt. 3, 4, 5 und 6 werden beschrieben. 7, 8, 9 und 10
sind bezüglich ihres ursprünglichen Eigenthümers und ihrer Her-
kunft aus Ambras ohne Vermerk geblieben.
3) Catalogue des Collections composant le Musee d’Artillerie
en 1889 par L. Robert. 5 Bände.
 
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