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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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2. Heft
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Boeheim, Wendelin: Ein historisches Museum der Armee in Paris
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Boeheim, Wendelin: Ein Meisterwerk der Waffenschmiedekunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0052

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42

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

I. Band.

wichtigen Aufgaben gegenüber der gelehrten Welt
und der grossen Menge des Volkes gerecht werden
kann. Was nützt das reichste und schönste Museum,
wenn es nicht eine instructive Wirksamkeit auszu-
üben in der Lage ist?
Mehr, als man gewöhnlich annimmt, ist die Local-
frage für ein Museum heutzutage von Wichtigkeit.
Das Musee d’Artillerie hatte ein einziges Jahr das
Glück genossen, in einem eigenen, für seinen Zweck
eigens errichteten Gebäude untergebracht zu sein.
Seit dem 14. Juli 178g, an w'elchem Tage letzteres
zerstört wurde, ist es vom Schicksale verfolgt ge-
wesen, hin- und hergeschoben zu werden, wo eben
Platz war. Das Invalidenhötel, in welchem es seit
etwa 20 Jahren untergebracht ist, besitzt allerdings
grosse und schöne, wenn auch nicht ausnahmslos
lichte Räume. Von diesen waren aber dem Museum
nur eine so geringe Anzahl zugewiesen, dass die Auf-
stellung nothwendig darunter leiden musste. In der
That war selbe auch viel zu gedrängt.
Bei selbst grösserer Ausdehnung, die ja leicht
ins Werk zu setzen gewesen wäre, könnte ein Mu-
seum den Anforderungen der heutigen Zeit nicht ent-
sprechen. Ein solches bedarf einer ganzen Menge von

Hilfsanstalten: Ateliers für Giesserei, Photographie,
Beratbungs-, Copirsäle, Räume für Restaurirungen,
besonders textiler Gegenstände, für die Bibliothek etc.,
um seinen Zwecken zu dienen, abgesehen von den
nöthigen Räumlichkeiten für den Verkehr und die
Bequemlichkeit des Publicums.
Allen diesen Bedürfnissen kann man nur in
einem eigens für den speciellen Zweck errichteten
Gebäude gerecht werden. Selbst die umfassendsten
Adaptirungen im Invalidenhotel, zu welchen man sich
wohl schwer entschliessen würde, könnten doch nur
Unzulängliches zu Tage fördern.
Und noch Eins! Das neue Musee historique de
l’Armee hat weite Räumlichkeiten ganz zunächst dem
Musee d’Artillerie vom Ministerium zugewiesen:
sechs grosse Säle: Louvois, d’Hautpoul, d’Assas und
La Tour d’Auvergne nebst den Corridoren Grenoble
und Neufbrisach. Damit ist für das Musee d’Artil-
lerie jede Erweiterung, auf welche ja jede Sammlung
naturgemäss angewiesen ist, abgeschnitten. Beginnt
hier nicht schon die Concurrenz auf räumlichem Ge-
bietet Sie wird sich bald auch auf das Fachliche
ausdehnen. Das ist unzweifelhaft; nur die Hoffnung
bleibt aufrecht, dass der interne Kampf bald sein
Ende findet und etwas Grosses und Ganzes ge-
schaffen wird. Doeheim.

Ein Meisterwerk der Waffenschmiedekunst.
Von Wendelin Boeheim.

Im Besitze Seiner königlichen Hoheit des Gross-
herzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar be-
findet sich ein Prunkharnisch von einer so reichen
künstlerischen Ausstattung, dass wir ihn getrost zu
den schönsten und werthvollsten zählen dürfen, welche
gegenwärtig noch in der Welt vorhanden sind. Durch
den Umstand, dass derselbe als altehrwürdiges Erb-
stück der grossherzoglich Weimar’schen Familie nie
in den Sammlungen, sondern immer in den Privat-
gemächern aufgestellt war, hat sich das Kunstwerk bis-
her der Kenntniss der Fachwelt entzogen, und wir
verdanken es nur der besonderen Güte und Colle-
gialität des Schlosshauptmannes und Commandanten
der Wartburg, Herrn v. Cranach, von selbem Kennt-
niss zu erlangen und Abbildungen zu erhalten. Wir
sind dadurch in den Stand gesetzt, unseren verehrten
Mitgliedern mit einigen kunstwissenschaftlichen Details
über dieses Prachtwerk ersten Ranges zu dienen, so-
weit der Stand der Forschung dies heute gestattet.
Nach der Tradition des grossherzoglich Weimar-
schen Hauses soll dieser Harnisch (Fig. 1) von König
Ludtvig XIII. (1601—1643) an den Herzog Bern-
hard von Weimar (1604—i63g) als Geschenk ge-
kommen sein. Dieser Angabe widerspricht die Form
des Harnisches, welche einer älteren Zeit angehört.
Ludwig XIII. könnte diesen Gegenstand nicht früher

als 16x0 an den Herzog gesendet und dieser ihn
kaum vor 1620 getragen haben, eher später; der Har-
nisch datirt aber noch vom Ende des XVI. Jahrhun-
derts, zwischen 1590 und 1595. Hielten wir an der
Tradition soweit fest, dass der Harnisch als Geschenk
aus Frankreich an einen Weimar’schen Fürsten ge-
langte, so könnte der Geschenkgeber nur Heinrich IV.
(1553—1610) gewesen sein, und wirklich befindet
sich im Musee d’Artillerie in Paris noch ein halber
Harnisch (G. 51) aus der Zeit von nahe um 1600,
von gleicher technischer Ausstattung, welche mög-
licherweise der Hand desselben Meisters entstammt,
der den vorliegenden Harnisch gefertigt hatte1). Um
der Wahrheit auf die Spur zu kommen, müsste in
den grossherzoglichen Archiven Beziehungen zu Frank-
reich nachgegangen werden, die ja seit der Regierung
Johann Wilhelms II. besonders innig gewesen
waren; auch eine Durchforschung dieser Archive vom
kunsthistorischen Gesichtspunkte dürfte zu einer Auf-
klärung der Provenienz des Gegenstandes führen. Bis
dahin ist nur der negative Befund feststehend, dass
die Tradition unstichhältig und der Harnisch um
mindestens 25 Jahre älter ist.
*) Dieser Harnisch wurde noch vor Kurzem als eine Arbeit
um 1550 datirt und nach Zeichnungen Benvenuto Cellini’s (!) ge-
fertigt angegeben. Er ist in der That nicht älter als 1600.
 
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