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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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7. Heft
DOI Artikel:
Reimer, Paul: Das Pulver und die ballistischen Anschauungen im 14. und 15. Jahrhundert
DOI Artikel:
Rose, Walther: Die Verzierungen auf orientalischen Panzerhemden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0182

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i66

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

I. Band.

nach Einführung- widerstandsfähiger Kugeln durch
Vergrösserung der Ladung die Geschossgeschwindig-
keit, den erweiterten Aufgaben der Geschütze ent-
sprechend, zu erhöhen suchte. Dies konnte jedoch
erst gelingen, als man auch den vorderen Rohrtheil,
den «Flug», entsprechend verlängerte, um den Pulver-
gasen Gelegenheit zu geben, längere Zeit auf das
Geschoss einzuwirken. Auf diese Weise gelangte
man zu 20 bis 40 Kaliber langen Rohren, wie sie
im 15. Jahrhundert ziemlich häufig sind. Der mehr-
fach erwähnten Ladeweise gemäss konnten diese
Rohre nur Hinterlader mit beweglicher Kammer sein.
Gegen Ende desselben Jahrhunderts scheint man
dann auch bei Geschützen hier und da zu Kornpulver
übergegangen zu sein, wenigstens finden sich schon

verhältnissmässig lange Geschütze mit kurzer Kammer,
also für eine kleinere Ladung aus rasch verbrennen-
dem Pulver bestimmt, und zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts scheint die Verwendung des ungekörnten
Pulvers ganz aufgehört zu haben. Die Geschütze
wurden damals von vorne mittelst Ladeschaufeln ge-
laden. Durch die Bestrebungen Kaiser Maximilians I.
wurde dann die Artillerie derart gefördert, dass um
die Mitte des 16. Jahrhunderts bereits Beutelkartuschen
in Anwendung waren, und die Länge der Rohre auf
das für Verwendung, Bedienung und Transport
günstigste Maass gebracht wurde. Die Kammer be-
hielt man für Wurfgeschütze bei, da sie auch für
die kleinen Ladungen gekörnten Pulvers die günstigste
Verwerthung ergab.

Die Verzierungen auf orientalischen Panzerhemden.

(Schluss.)

Wenn daher auch im vorliegenden Falle eine
derartig weite Zuriickdatirung bis zur Zeit der Kreuz-
züge nicht ganz unglaublich erscheint, zumal gerade
den Arabern Panzerhemden mit vernieteten Ringen
schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrech-
nung bekannt waren, so scheint es doch dem Aeusse-
ren der abgebildeten SchutzwafFe mehr zu entsprechen,
ihre Anfertigung in eben dieselbe Zeit zu versetzen,
in welcher auch im Occidente Panzerhemden mit ge-
schweissten und vernieten Ringen, reihenweise ab-
wechselnd, hergestellt wurden, also in die Mitte des
15. Jahrhunderts.
Die Schrift auf den Bronzescheiben ist von kun-
diger Pland geschrieben, aber mangelhaft gravirt.
Die Striche sind oft unmässig verkürzt oder ver-
längert, die Züge zuweilen eckig statt rund. Die
Vokalzeichen fehlen ganz, ebenso die diakritischen
Punkte, so dass also z. B. j n, j t, j th, J b, üy (j)
ganz gleich erscheinen. Trotzdem ist es der scharf-
sinnigen und höchst interessanten Untersuchung des
Herrn Dr. Schultze gelungen, das nachstehende Re-
sultat zu ermitteln:
Die Inschrift auf der oberen Bronzescheibe lautet:

iS*V* cP
imjäzu-ka abü lagäg Husainu ’bnu 'Umara T-Walmi
Deine Auszeichnung Vater der Ausdauer Flussein,
Sohn Omar’s, der Walmit.

Die Inschrift auf der unteren (kleineren) Bronze-
scheibe lautet:

# wJ! cXaä iJJI


(X\£.

(rückwärts zu lesen:)
gubbatu'Abdi’lbarri. Barra ’llähu (oder bismi’llahi)
'Ab da ’lbarri.

Der Panzer Abdulbarr’s. Gütig ist Gott (oder im
Namen Gottes) dem Abdulbarr.
Auf der oberen Bronzescheibe ist die Schrift
centripedal, auf der unteren centrifugal.
Fliernach scheint also das Panzerhemd zunächst
einem Krieger Namens Hussein, Sohn des Omar,
aus dem Stamme der Walm (Walmi) oder Wathm
(Wathmi ), und sodann einem Krieger Namens
Abdulbarr gehört zu haben, falls man nicht statt des
Namens «Abdulbarr» lesen will:
^.Jl cXat-'abdu '1-barr «Knecht des Gütigen» oder
'abdu ’l-abarr «Knecht des Gütigsten»,
so dass also ein besonderer Eigenname hier im zweiten
Falle wegfiele.
Fragt man nun nach der Bedeutung derartiger
Bronzescheiben, mit denen zuweilen, wie wir auch
aus dem Kataloge der Milleniums-Ausstellung sehen,
orientalische Panzerhemden in ganz eigenartiger Weise
geziert sind, so kann man hierbei zwei Klassen unter-
scheiden.
Im Allgemeinen sind solche Bronzescheiben
offenbar Talismane oder Amulette, wie die Orien-
talen sie noch heute tragen, zum Schutz gegen feind-
liche Geschosse, gegen Krankheit oder gegen den
bösen Blick. Auf solchen Amuletten darf man dann
keine sinnvollen Inschriften erwarten, es sind viel-
mehr entweder sinnlos zusammengestellte Buchstaben
oder einzelne Wörter, die als Zauberformeln dienen.
Seltener ist es vielleicht ein bekannter Satz aus dem
Koran oder dergleichen.
Um so interessanter erscheint demgegenüber die
andere Klasse derartiger Bronzescheiben, welche, wie
 
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