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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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2. Heft
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Boeheim, Wendelin: Leichteisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0041

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Leichteisen.

Von Wendelin Boeheim.

Im Jahre 1890 kam mir das Pariser Kunstjournal
«Courrier de l’art» in die Hände, und ich fand in
dessem 9. Jahrgange 1889, Nr. 16, eine interessante
Abhandlung aus der Feder des Directors des Museo
Artistico in Rom, Raffaele Erculei, mit dem Titel:
«L'art retrospectif ä l’Exposition de Barcellone», darin
las ich folgende Stelle (S. 123):
«A Venise se retrouvient : Victor Camelio, plus
connu comme graveur de medailles et de monnais,
qui, ä force d’etudes et d’essais ä produire des ar-
mures merveilleusement legeres ...»
Dieser unscheinbare Passus erregte meine Auf-
merksamkeit nicht allein durch seinen Inhalt, als
durch die darin genannte Persönlichkeit, die zu den
universalsten Meistern Italiens in Kunst und Technik
zählt. Einmal angeregt, suchte ich den Gegenstand
etwas weiter zu verfolgen, und fand nach langem
Suchen, dass alle Angaben über das Wirken des Vit-
tore Camelio, speciell im Gebiete der Waffen, auf den
Archäologen D. Urbani de Gheltof als Quelle zurück-
zuleiten sind, welchem, wie man mir in Venedig
versicherte, eine Zeitlang das Senatsarchiv dortselbst
offen gestanden und von selbem für kunsthistorische
Studien benützt worden ist. Die Quelle über die an-
geführte Thatsache fand ich endlich in einer Ab-
handlung des genannten Archäologen unter dem Titel:
«Vittore Camelio Armajuolo» im «Bulettino di Arti,
Industrie e Curiositä Veneziane», Jahrgang I, 1877
bis 1878, Seite 59.
Dieser, nebenher bemerkt, ziemlich oberflächlich
gehaltene Artikel hat für uns vorläufig nur insoferne
Werth, als er ein Gesuch des Münzmeisters Vittore
Camelio an den Senat zu Venedig um ein Privile-
gium zur Erzeugung von überaus leichten Harnischen
im vollen Wortlaute enthält.
Dieses Schriftstück aus dem königlichen General-
Staatsarchive zu Venedig (Senato-Terra-Registi 1508,
o q. 158) ist hier nicht datirt, stammt aber sicher
aus dem Jahre 1509; es soll hier in genauer Ab-
schrift und in sinngetreuer deutscher Uebersetzung
folgen:
«Illustri Principi eiusque Clementissimo Dominio:
Reuerentemente expone al fidelissimo seruidor di vo-
stra sublimata Victor Camelio Maistro de stampe ä
la Cecha. Hauendo lui per sua Industria excogitado
et Trouado uno modo nouo de far arme de doso, zoe

curazine, pectorali et armadure de resto de la per-
sona de sorte in usitata le quäle starano a questa
proua et parangone de spada, pugnale, spedo, parte-
sana : et Lanzone : come quelle comunamente se fol-
giano far et Pesara manco la mita de le dicte arme
usitate : che a luj par esser summamente a proposito
de i combatenti de vostra sublimata et publicata, che
sia questa sua Inuentione saria facil cossa : Come In-
trauien ad altri sacreti (sic!) diuulgati che li homeni
se meteriano a far questa medesima opera, et usur-
parsi il fruto delle fatiche et Industria de luj Inuentor.
Humilmente supplica che uostra serenita se degni
conciederlj gratia et priuilegio che niuno altro possa
far questa sorta armature. In questa Inclita citä : Ne
in altro loco et terre de Vostra sublimata sotto pena
de perder el lauor et sotto quelle stricture che a
quella parera a cio che esso supplicante come fide-
lissimo di et nocte : In uigilar el ben et utile de
questo stado : et non perdano I fructi de la sua In-
dustria; et possa uiuer di la gratia di Vostra signoria
offerendosi che si l’opera sua piacera a uostra subli-
mata farne assaissime quantita cum el fauor et adiuto
de quella et cum speranza far de breue gran spe-
rientie supra ziö : tal che la sublimata Vostra spiero
sera ben satisfatta a la quäl humelmente me Rico-
mando.»
Mancher Schwierigkeit in der Sprache wegen,
die ein Gemisch von Lateinisch, Altitalienisch, Spa-
nisch und Vicentiner Dialekt darstellt und die Lesung
erschwert, folge hier die getreue deutsche Ueber-
setzung der Urkunde:
«Erleuchtete Fürsten dieser huldreichen Herr-
schaft! Ehrerbietigst erklärt der treueste Diener Euerer
Hoheit Victor Camelio, Münzmeister an der Zecca,
dass er in seiner Geschäftsthätigkeit (Industria) eine
neue Art ausersonnen und erfunden hat, Wa-ffen-
kleider (Arme de doso) als Corazzine, Brustpanzer
und Harnische für den Mann zu machen, welche die
Probe von Stössen des Dolches, des Spiesses, der
Partisane und der Lanze aushalten, welche gemein-
lich auf selbe wirken, und welchen die Hälfte des
Gewichtes ähnlicher Waffenkleider, wie sie jetzt
gebraucht werden, fehlt. Durch diese seine Erfin-
dung ist die Anwendung für die Krieger Euerer
Hoheit ihm zu einer leichten Sache (facil cossa)
geworden.

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