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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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2. Heft
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Ehrenthal, Max von: Eine bulgarische heilige Fahne aus dem14. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0044

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36

Zeitschrift für historische 'Waffenkunde.

I. Band.

Eine bulgarische heilige Fahne aus dem XIV. Jahrhundert.
Von M. V. Ehrenthal in Dresden.
Mit Tafel.

Im königl. historischen Museum zu Dresden wird
eine Fahne bewahrt, deren historischer und künstle-
rischer Werth eine Besprechung an dieser Stelle wohl
rechtfertigen dürfte. Die Fahne, deren Abbildung wir
hier in beiliegender Tafel bringen, ist nur noch zum
Theil, glücklicherweise aber in ihrem Haupttheile er-
halten. Sie misst in der Höhe 1-70 M., in der Breite
i'50 M. Der Conservirung wegen ist sie auf Leinwand
aufgeklebt und unter Glas aufgestellt worden. Aus
goldschimmernder Seide in feinem Muster gewebt, zeigt
die Fahne als Mitteistück einen thronenden Christus
auf phantastisch geschmücktem Sessel in Tempera- |
malerei. Der von einem goldenen Heiligenschein
umgebene Kopf des Heilandes lässt den orientali-
schen Typus in veredelter Auffassung erkennen. Die
linke Hand des Erlösers hält das Buch des Lebens,
die rechte ist segnend nach vorwärts gestreckt. Das
rothfarbene Unterkleid ist mit goldenen Borten be-
setzt; ein hellblauer Mantel, dessen kräftiger Falten-
wurf namentlich an der unteren Partie hervortritt,
umhüllt den grösseren Theil der Gestalt. Zu beiden
Seiten des Heilandes befanden sich ehedem auf-
gemalte Sterne und Inschriften, die jedoch heute
nur noch auf der linken Hälfte der Fahne erhalten
sind. Die Uebersetzung der lesbaren Inschrift lautet:
«In der Tapferkeit wirst du siegen.» Sie weist
darauf hin, dass die Fahne dem Kampfe geweiht
war. Betrachten wir die Malerei mit kritischem Auge,
so ergiebt sich trotz einiger Verzeichnungen an der
Figur immerhin ein beachtenswerthes Stück byzan-
tinischer Kunst. Zwar haben wir kein Werk vor uns,
welches die Kunst seiner Zeit repräsentirte, sondern
nur das Product einer Kunstrichtung, welche Jahr-
hunderte lang fast unverändert in den christlichen
Culturstaaten des Orients sich erhalten hatte, bis
ihr der Untergang des oströmischen Reiches ein
Ende bereitete. Die Pflegstätte dieser Kunst war
auch dort wie im Abendlande die Kirche; ins-
besondere waren es die zahlreichen Klöster, aus
denen die Gemälde zur Ausschmückung von Kirchen
und Kapellen und ebenso auch profane Kunstwerke
hervorgingen. Dem conservativen Geiste der Kirche
entsprach auch die von ihr gepflegte Kunst, so dass
sie schliesslich einem starren Schematismus anheim-
fiel. So hat denn auch der fromme Künstler, der
die Malerei der Fahne schuf, nicht aus sich selbst
geschöpft, sondern sich eines Vorbildes bedient, das
er mit einigen dem Zweck entsprechenden Aen-
derungen wiedergegeben hat. Höchst wahrscheinlich
war es das Mosaik über dem Portal der Sophien-
kirche in Constantinopel aus der zweiten Hälfte des
VI. Jahrhunderts, welches von ihm in Temperafarben

auf Seide übertragen wurde. Es zeigt dieses Mosaik,
von dem man in W. Lübke’s Grundriss der Kunst-
geschichte, S. 274, eine Abbildung findet, den Hei-
land in derselben allgemeinen Auffassung, wie wir ihn
hier Wiedersehen. Nur die Umgebung des thronenden
Christus ist auf der Fahne eine andere wie auf dem
Mosaik. Hier sieht man zu beiden Seiten des Hei-
landes die Medaillons der Madonna und des Erz-
engels Michael, dort Sterne als Symbol einer besseren
Zukunft und Inschriften, welche die Krieger zur
Tapferkeit anfeuern sollen. Denselben Kopf des
Heilandes wie auf unserer Fahne findet man auch
auf einem Bildniss des Antlitzes des Erlösers in der
Kapelle St. Simon und Juda im Dom zu Prag, in-
schriftlich nach einem alten byzantinischen Gemälde
von Thomas von Mutina i368 gemalt.
Die bulgarische Fahne gelangte als Geschenk
des Herzogs Ernst Günther von Holstein (1606—
1689) an Kurfürst Johann Georg II. (i6i3 —1680)
in den Besitz des Hauses Sachsen Albertinischer
Linie, vielleicht zu gleicher Zeit mit einigen anderen
byzantinischen Malereien, deren Ueberbringer der
Oberst Christoph von Degenfeldt warI). Das zwischen
1680 und .1684 angelegte Inventar der kurfürstlichen
Rüstkammer besagt, dass die Fahne «von den Mol-
dauern erbeutet» worden sei. Auf Grund dieser Auf-
zeichnung galt sie lange Zeit als eine moldauische,
bis Kaiser Nicolaus I. von Russland bei seinem Be-
suche des Museums im Sommer des Jahres i838 sie
mit Sicherheit als eine bulgarische bezeichnete. Der
Czar fügte hinzu, dass er ein ähnliches Stück in der
Eremitage zu St. Petersburg besitze. Inzwischen haben
wissenschaftliche Forschungen die Richtigkeit des
kaiserlichen Ausspruches bestätigt. Schon die alt-
bulgarischen Schriftzeichen, die Inschriften in bul-
garischer Sprache weisen auf den Ursprung der
Fahne hin. Höchstwahrscheinlich stammt sie aus
der Zeit, als das bulgarische Volk unter seinem
tapferen Könige Schischman III. mit den über den
Balkan vordringenden Osmanen um Freiheit und
Glauben kämpfte, aus der zweiten Hälfte des XIV.
Jahrhunderts. Mit dem Bildnisse des Heilandes ge-
schmückt, von den Priestern geweiht, war diese
Fahne wohl ein heiliges Feldzeichen der Krieger,
das Symbol des Kreuzes gegen den Halbmond. Als
das Bulgarenvolk trotz seiner Tapferkeit der feind-
lichen Uebermacht erlag, fiel die Fahne in die Hände
der Osmanen und wurde von ihnen als Kriegstrophäe
bewahrt. Drei Jahrhunderte nachher, in einem der

*) S. 2 und 3 des Kataloges der königl. Gemäldegalerie zu
Dresden von Carl Woermann.
 
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