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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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3. Heft
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Knötel, Richard: Demmin's Waffenkunde
DOI Artikel:
Boeheim, Wendelin: Der Reiterschild von Seedorf, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0079

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3. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

6g

blick Athem schöpfen!. — Der liebe Himmel möge
Einen vor dem Stück Armeegeschichte bewahren, das
in diesen Zeilen enthalten ist! Weder hat Friedrich
Wilhelm I. das erste Garde-Regiment errichtet, noch
kann diesem Regimente die Kronengarde (sic!) bei-
gezählt werden. Soll nun etwa die Schloss-Garde-
compagnie, die der Verfasser mit Kronengarde meint,
nur deshalb mit dem ersten Garde-Regiment zu-
sammengeworfen werden, 'weil auch sie Grenadier-
mützen trägt, so müsste man nunmehr auch das
Alexander-Grenadier-Regiment getrost zum ersten
Garde-Regiment rechnen!!! Uebrigens ist die Mütze
weder russisch, noch hat sie etwas mit dem Pawlow-
schen Regimente zu schaffen, noch waren die Mützen
des Pawlow’schen Regimentes, die es 1796—1802 trug,
noch die von 1802 bis heute getragenen kleiner als die
preussischen. Was bleibt also von diesen Ausführungen
des Verfassers übrig?
Nach dieser Probe müssen wir eigentlich dem
Verfasser Dank wissen, dass er nicht ganz hält, was er
auf dem Titel verspricht: «bis auf die Gegenwart».
Wenn er sich in das Capitel der modernen Helme
hineingewagt hätte, würde die Sache nach dem an-
geführten Beispiele wohl schlimm ausgefallen sein, die
Geschichte der modernen Helme erscheint aber inter-
essant genug, z. B. die der Pickelhaube, die Entwick-
lungsgeschichte des französischen Kürassier-, DragonCr-
und Carabinier-Helmes und hätte dem Titel nach auch
in das Buch gehört. Es gibt ja auch dafür genug der
Interessenten unter den Waffensammlern, für die das
Buch doch in erster Reihe bestimmt ist. Wenn aber
der Verfasser mit der Grenadiermütze das Thema der
Helme (im weiteren Sinne) abschliessen will, so hätten
wir immerhin verlangen können, dass er vor Allem
typische — nicht seltsame — Formen abbilde.
Recht unglücklich ist der Verfasser wiederum
S. 2o3 mit der Entdeckung einer neuen Waffe. «Mit

Wurfschlingen oder Fangseilen (?) Fechtende. Nach
Wallhausen’sFusskämpfer. Frankfurt a. M. 1616.» Die
Abbildung ist, wenn wir auf das Original zurüc-kgehen,
ein Bruchstück einer auf einem Blatte dargestellten
Folge. Zuerst sehen wir, wie zwei Musketiere sich be-
schiessen. Sodann werfen sie, als das nicht hilft, ihre
Schiessprügel weg und bearbeiten sich mit ihren
Seitengewehren, dann hauen sie sich mit ihren Sturm-
hauben, Musketengabeln, Patronenbandelieren und
enden mit einem Ringkampf, in dem endlich der eine
unterliegt. Die Scene, in welcher der eine den Gegner
am Patronenbandelier herumzerrt, während er sein
eigenes abgestreift hat und es jenem um die Ohren
schlägt, muss nun, obwohl die Darstellung die Bande-
liere mit den daran befestigten Ladungen ganz deutlich
erkennen lässt, zur Entdeckung der neuen Waffe der
Wurfschlingen oder Fangseile herhalten.
Nun zum Schlüsse. Jeder, der sich literarisch be-
schäftigt, ist geneigt, in Bezug auf Druckfehler Milde
walten zu lassen, weil schliesslich jeder sich hier sterb-
lich fühlt; aber namentlich in dem Theile über grie-
chische Waffen übersteigt in den griechischen Wörtern
die Anzahl der Fehler wirklich das Erlaubte. Bisweilen
steht man vor völligen Räthseln. Ich zähle bei einer
Stichprobe in zehn Zeilen, in denen sieben griechische
Wörter Vorkommen, neun Druckfehler. Auch mit der
vom Verfasser beliebten Art von Sprachreinigung
können wir uns durchaus nicht befreunden, so sehr wir
ja diese Bestrebungen auch zu schätzen wissen. Dass
sich ein solches sprachliches Ungeheuer wie «Quer-
abwehrstange» statt « Parirstange» einbürgern sollte,
glauben wir nicht.
Bei alledem aber bleibt das Werk wegen der Fülle
des beigebrachten Materials, namentlich an Abbildun-
gen, ein sehr schätzenswerthes, namentlich wertn bei
einer Neuauflage der Verfasser sich zu einer gründlichen
Revision des Textes entschliessen könnte. R. Knötel.

Der Reiterschild von Seedorf.
Von Wendelin Boeheim.

Eine grosse Schwierigkeit stellt sich dem For-
scher auf dem historischen Waffengebiete in dem
bedenklichen Mangel an originalen Resten gewisser
Waffensorten entgegen; ein Mangel, der ihn zwingt,
mühselige vergleichende Studien in alten Miniaturen
und Siegeln zu machen und sich in Chroniken Rath
zu holen oder Stellen in Dichtungen festzuhalten,
bei welchen oft bange Zweifel sich erheben, wo die
Phantasie schwindet und die reale Thatsache be-
ginnt.
Der Mangel an gegenständlichen originalen Stücken
und die Unverlässlichkeit des anderen artistischen
und literarischen Studienmateriales waren auch Ur-
sache, dass über den mittelalterlichen Reiterschild
so viele verschiedene und theils mit der nüchternen

Wirklichkeit im Gegensätze befindliche Auffassungen
entstanden, die den zum Verständniss leitenden Faden
natürlicherweise eher verwirrten als lösten. Sehen
wir von dem in England befindlichen bretonischen
Schilde1) aus dem X. Jahrhundert als Fussknecht-
t) Nach der Tapete von Bayeux laufen die bretonischen
Schildformen und die normanischen zeitgleich nebeneinander her.
Der bretonische Schild von Bronze, rechteckig, mit abgerundeten
Ecken mit metallener Berandung und mit der Länge nach laufen-
der ornamentirten Metallbeschläge, hat sich, von anderen Nach-
barformen unbeeinflusst, aus dem spätrömischen Schild der Kaiser-
zeit entwickelt, während der normanische, klar ersichtlich, seine
Urform im Orient gefunden hat. Nach der Tapete von Bayeux
treten die bretonischen Schilde in zweierlei Grössen auf, kleinere
für den Reiter und grosse lange, welche den Mann vom Fusse
bis an den Hals deckten, für den Fussstreiter. Der einzig vor-
 
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