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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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9. Heft
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Jähns, Max: Die Kehrwiederkeule
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0235

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Die Kehrwiederkeule.

Von Dr. Max Jähns in Berlin.

Die Kehrwiederkeule ist unter dem falschen
Namen «Boumerang'» allbekannt, und muss als
eine der merkwürdigsten Wurfwaffen bezeichnet
werden.1) Es handelt sich da um ein seitlich ab-
gehacktes, in der Mitte knieartig stumpfwinkelig ein-
gebogenes, einem Joch- oder Krummbügel ähnliches
Werkzeug, das man auch als flachen Haken be-
zeichnen könnte und das etwa 1/2 m lang, 5 cm
breit, aus schwerem Hartholz: Buchs-, Akazien- oder
Eisenrindenholz hergestellt ist. (Fig. 1 u. 2). Der aus-
wärts gebogene Rand sammt der einen Seite ist flach
gehalten, während die andere Seite sich wölbt und
zuweilen auch be-
deutend erweitert.
Wurfkeulen letz-
terer Art bezeich-
nen die Englän-
der als Hatchet
Boomerang.
(Fig. 3.) Diese
seltsame Keule
wird nun in der
Art geworfen,
dass sie in der
Ebene ihrer
Fläche, wie auf
der Luft schwim-
mend, um sich
selbst wirbelt,
wobei der
Schwerpunkt
möglichst weit
ausserhalb der
Drehungsaxe lie-
gen muss. Man
wirft und trifft damit auf Entfernungen von über
100 Fuss. Wirft der Schütze die Keule kurz vor
sich auf den Boden, so geht sie in Sprüngen (rico-
chettirend) weiter; wird sie unter Erhöhungswinkeln
von 22, 45 oder 65° geworfen und zwar so, dass
die Anfangsgeschwindigkeit nach vorwärts geringer
ist als die Geschwindigkeit der dem Geschosse er-
theilten Wirbelbewegung um die Flächenaxe, so
kommt — falls nicht etwa das Ziel oder ein anderer
Gegenstand getroffen wird — ein Augenblick, da
die Vorwärtsbewegung infolge des Luftwiderstandes

!) R. Brough Shmith: The Aborigines of Victoria (Lon-
don 1878). Der gebräuchlichste Name für die Waffe in Australien
ist «parkan». Mit dem Ausdrucke «woömera», woraus boumerang
entstanden ist, wird nicht die Wurfkeule, sondern das Wurfbrett
zum Speeischleudern bezeichnet.

aufhört, während die Wirbelbewegung noch andauert.
Dann folgt die Keule dieser Drehungsbewegung;
sie wendet sich, indem sie zugleich langsam fällt,
allmählich im Bogen rückwärts und gleitet, von der
Luft getragen, annäherungsweise in die alte Bahn
und damit zum Abwerfer zurück. (Fig. 4.) Dieser
eigenthümliche Flug beruht auf dem Gesetze der
Schraube. Da nun von einem solchen die Menschen
der Vorzeit sicherlich keine Ahnung hatten, so war
hier gewiss der Zufall Vater der Erfindung: man
hatte eben bemerkt, dass ein flacher, stumpfgewin-
kelter Knüppel, wenn er in gewisser Weise geworfen
wurde, in der Luft
Kehrt machte,und
vorvollkommnete
dann durch un-
aufhörliches Ver-
suchen sowohl die
Waffe wie das
Wurfverfahren.—
Abgesehen von
der Treffwirkung,
die ziemlich be-
deutend ist, weil
die Wirbelbewe-
gung bei ihr mit-
spielt, schien die
Kehrwiederkeule
im Gefechte be-
sonders deshalb
gefährlich, weil es
in dem Augen-
blicke , da man
sie in der Luft
erblickt, unmög-
lich ist, zu beurtheilen welchen Weg sie nehmen
und wo sie niederschlagen werde.1)
Zumal im Süden und Osten Australiens ist die
Kehrwiederkeule noch heute in verschiedenen Formen
und unter verschiedenen Namen (parkan, wagno,
knili u. a.) verbreitet, und es sind auch noch Mittel-
formen zwischen ihr und anderen Kriegskeulen jener
Gegenden bekannt, welche auf allmähliche Entwicke-
lung hinzudeuten scheinen.2)
Wie in Australien so erscheint die Kehrwieder-
keule seit uralter Zeit auch in Indien. Das Sanskrit
kennt sie unter dem Namen' ,ästara’, d. i. der Zer-

1) C. Wilkens: Exploring expedition, 1839—1842, II,
S. 198. — Poggendorfs Annalen, Bd. 121. S. 474- — Luders:
Ueber Wurfwaffen (Hamburg 1891).
2) Tylor: Urgeschichte der Menschheit (Leipzig o. J.) S. 239.


Fig. 1 und 2.
 
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