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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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7. Heft
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Boeheim, Wendelin: Bogen und Armrust, [2]: eine vergleichende Studie über Gebrauch und Wirkung alter Feuerwaffen
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Reimer, Paul: Das Pulver und die ballistischen Anschauungen im 14. und 15. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0180

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IÖ4

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

I. Band.

aufgestellten Behauptungen ein. Die Bewaffnung ist
ein gar wichtiger Faktor in der Beurtheilung einer
kriegerischen Action, was soll man aber darauf
bauen, wenn in den Gefechtsdarstellungen der älteren
wie neueren Werke die Abtheilungen von Pland-
bogen- und jene von Armrustschützen in der Regel
unter der Bezeichnung «Bogenschützen» subsummirt
werden, deren Leistungsfähigkeit ja riesige Differen-
zen zeigten? So wären gewisse Misserfolge von
Armrustschützen den Handbogenschützen nie begeg-

net, wie auch, beispielsweise bemerkt, der grösste
Theil des kriegerischen Ruhmes der Sarazenen, der
Araber, der Ungarn etc. nur in der unwiderstehlichen
Wirkung ihrer Handbogen gelegen war.
Man verwirft in der Welt so oft das Gute, es
als überlebt betrachtend, um einem geträumten
Besseren nachzujagen, und ist dieses da, dann ist es
nicht das Bessere; man hält es aber für das Beste.
Es liegt in dem Begriffe von Fortschritt oft eine
schwere Täuschung.

Das Pulver und die ballistischen Anschauungen im 14. und 15. Jahrhundert.
Von Paul Reimer, k. pr. Secondelicutcnant im Badischen Fuss-Artillerie-Regiment Nr. 14, Charlottenburg,

Wenn schon die Nachrichten über die ältesten
Geschütze recht lückenhaft sind, so finden sich An-
gaben über das älteste Pulver noch viel spärlicher.
Indessen lassen sie im Verein mit der auf den ver-
schiedenen Abbildungen ersichtlichen Construction
der Geschütze immerhin einige Schlüsse über die
Art des Pulvers, sowie über die ballistischen An-
schauungen im 14. und 15. Jahrhundert zu.
Es wird hier und da erwähnt, dass das Aus-
waschen der grossen Kaliber nach jedem Schuss
sehr umständlich und zeitraubend gewesen, und
Solms führt (15 59) als Vortheil der Hinterladung
an, dass man hierbei nur nöthig habe, den Ladungs-
raum nach jedem Schuss auszuwaschen, da der Rück-
stand des vorhergehenden Schusses durch das Ge-
schoss des nachfolgenden aus der Seele des Rohres
fortgenommen werde. Es geht hieraus hervor, dass
der Rückstand des Pulvers so bedeutend und von
solcher Beschaffenheit gewesen ist, dass er das Laden
erschwerte, denn bei der meist von vorneherein un-
ebenen und rauhen Seele der ältesten Rohre hätte
ein feinvertheilter, schlammartiger Rückstand, wie er
bei dem heutigen Schwarzpulver auftritt, die alten
Artilleristen wohl kaum zum sorgfältigen Auswaschen
der Rohre veranlasst. Hieraus folgt, dass der Rück-
stand hart gewesen ist und fest an den Seelenwänden
und dem Ladungsraum haftete. Ein solcher Rück-
stand ergiebt sich aber, wenn die Bestandtheile des
Pulvers nicht fein genug zerkleinert und nicht innig
genug gemischt wurden, ferner, wenn nicht genügend
Kohle in dem Pulver enthalten ist. Da das Pulver
nicht gekörnt, also auch nicht durch Stampfen etc.
derart verdichtet war, dass jedes Theilchen des Pul-
vers, wie das heutige Mehlpulver, Salpeter, Schwefel
und Kohle in annähernd richtigem Verhältniss ent-
hielt, so mussten sich die lose nebeneinander liegen-
den Bestandtheile des Pulvers beim Schütteln auf
dem Transport — nach den Abbildungen im Weis-
kunig wurde selbst um 1500 das Pulver noch in
grossen Säcken in’s Gefecht transportirt — nach
ihrem specifischen Gewicht ordnen, unten Salpeter,

dann Schwefel und oben Kohle. Man kann sich
also hiernach das Pulver nur als ein sehr ungleich-
massiges Gemenge der drei Bestandtheile vorstellen,
in welchem besonders der sehr schwer zu zerklei-
nernde Schwefel noch in kleinen Stückchen vorhan-
den war. Das damalige Pulver dürfte also ungefähr
auf der Stufe desjenigen gestanden haben, welches
sich Schulknaben zu verbotenen Schiessversuchen
gelegentlich wohl anzufertigen pflegen. Solms führt
bereits eine grosse Reihe von Pulversorten angeblich
verschiedener Wirkungsweise an, welche ausser Sal-
peter, Schwefel und Kohle noch andere z. Th. ganz
indifferente Stoffe enthielten. Es ist daher nicht aus-
geschlossen, dass auch die älteren Büchsenmeister
aus Aberglauben und unrichtiger Vorstellung der
Wirkungsweise des Pulvers dem von ihnen angefer-
tigten Pulver noch die verschiedenartigsten Stoffe
beifügten, welche zumeist lediglich den Rückstand
vermehrten. Dass das Pulver vor seiner Verwendung'
noch einmal gründlich gemengt wurde, lässt sich
kaum annehmen.
Die bekannte Thatsache, dass gekörntes Pulver
heftiger verbrennt als Mehlpulver, hat darin ihren
Grund, dass die an der Stelle der Entzündung er-
zeugte Stichflamme sich durch die Zwischenräume
der Körner in kürzester Zeit in der ganzen Ladung
fortpflanzen und so eine fast gleichzeitige Verbrennung
aller Theile veranlassen kann. Diese Verbrennung ist
um so heftiger, je mehr Zwischenräume zwischen
den Körnern vorhanden sind, also je feinkörniger
das Pulver ist, dabei aber immer vorausgesetzt, dass
jedes Korn die drei Bestandtheile in richtigem Ver-
hältniss enthält. Mehlpulver backt sich ohne Zwischen-
räume fest zusammen, die Entzündungsflamme kann
sich daher erst auf die folgenden Mengen übertragen,
wenn die zuerst entzündeten verbrannt sind, die Ver-
brennung schreitet daher nur langsam fort. Wenn
dies bei dem heutigen, gut bearbeiteten Mehlpulver
der Fall ist, wie langsam und ballistisch ungünstig
muss erst die Verbrennung des ältesten Pulvers ge-
wesen sein, bei welchem nach den obigen Ausfüh-
 
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