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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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11. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0311

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II. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

293

wurden, beweisen die im Jahre 1535 mit Kaiser Karl V.
freiwillig nach Afrika gezogenen deutschen Tuchmacher,
welche weder Helm noch Harnisch, sondern Beinkleider,
Wams und Mütze aus doppeltem Filz trugen und von
dem Tuchmacher Ostermann 1527 erfunden worden war.
(Mittheilungen des Geschichts- und Alterthumsvereines zu
Leisnig, 7. Heft, pag. 51, Leisnig 1868.) Mag übrigens im
afrikanischen Klima eine etwas unbequeme warme Kleidung
gewesen sein. Auch einzelne russische Corps hatten im
Jahre 1813 Mäntel von einer Gattung dicken Filztuches,
die sehr heiss und zum Tragen und Packen gleich un-
bequem waren.1)
1580. Was ist ein Thardaeisen? Es kommt zum
Preise von 24 Kreuzern in einer Rechnung des land-
schaftlichen Zeughauses in Graz vor und scheint von dem
französischen dard (Wurfspiess, Wurfpfeil) abgeleitet zu
sein,2 3) welche Waffe aber damals und selbst noch lange
früher weder in Deutschland noch in Frankreich üblich
gewesen war.
1673. In dem sehr interessanten Werke des Fran-
cesco Mazzioli «Precotti militari», Bologna 1673, sieht
man die Pikeniere gegen die Reiterei Arm in Arm mit
den Nebenmännern eingehängt abgebildet. Diese Stellung,
welche eine grössere Festigkeit des Ganzen erzwecken
sollte, aber im Gebrauche der Waffe sehr behindern
musste, dürfte wahrscheinlich ein blosses Project gewesen
sein. — Die Pikeniere erscheinen übrigens bei Mazzioli
nebst der Pike auch mit einer im Degengurt steckenden
Pistole mit Flintenschloss bewaffnet und mit einer kleinen
Patronentasche ausgerüstet. — Für die Musketen schlägt er
Patrontaschen mit zwölf blechernen Hülsen und in diesen

l) Sie rührten noch vom vorigen Feldzüge 1812 her, thaten
aber in der Wintercampagne 1813 gute Dienste.
-) Die Tardaeisen finden sich in den Inventarien des Landes-
zeughauses zu . Graz bis 1647. (Die Waffen des Landeszeughauses
zu Graz von F. G. v. M. 1880.) Diese leichten Spiesseisen leiten
ihre Nameu von dem arabischen «djerid» (Wurfspiess) ab. Eben
daher stammt auch das französische dard, welches eine gleiche
Waffe bezeichnet. Die Franzosen scheinen den dard in den Käm-
pfen mit den Mauren unter den Carolingern übernommen zu haben;
wir schliessen dies daraus, weil derselbe auch unter der Bezeich-
nung «algier» auftritt. In derThat geschieht auch erst im Rolands-
liede eine Erwähnung der dards (darz). Im Nibelungenliede suchen
wir das Wort vergebens, doch spricht von selber der romanische
Poet Wilhelm Guiart 1302. Damals und überhaupt vom 12. Jahr-
hundert schon an wurde der Name auf den gemeinen leichten Fuss-
knechtspiess übertragen und erhielt sich in dieser Bedeutung bis
in’s XVII. Jahrhundert. Also die Steiermärker erhielten das Wort
nicht von den Franzosen, sondern von den Arabern durch die Tür-
ken auf geradem und nicht auf dem Umwege über Frankreich, was
sich schon aus den jahrhundertelangen Kämpfen mit Arabern und
Türken erklären lässt.

Papierpatronen mit aufgebundener ivugel vor. Er be-
klagt, dass früher bloss die Kugel ohne Pfropf in den
Lauf geworfen, oft sogar ohne Ansetzen mit dem Lad-
stocke, nur durch Aufstossen des Kolbens schlecht ge-
laden wurde und enpfiehlt das Aufbeissen der Patrone.
Die bisher üblichen Bandouli^re mit Holzpatronen tadelt
er wegen des von ihnen hervorgebrachten Geräusches,
ihrer Untauglichkeit und ihrer Feuergefährlichkeit.1)
Um 1600 hiess ein breiter kurzer Degen «Plaute»,
vielleicht von dem Worte Platte abgeleitet?
1598—1700. Man irrt, wenn man die übermässige
Schwere der Harnische einer bestimmten Periode
Deutschlands zuschreibt.2) Seit die geschlagenen Har-
nische die Ring- und Schuppenpanzer verdrängten, bis
zu der Zeit, wo die Rüstung auf Bruststück und Helm
oder auf erstere allein zusammenschmolz, kamen Ueber-
treibungen in den Scharen theils vereinzelt, theils häufiger
vor. Noch am 30. Juli 1598 erstickten auf dem Zuge
Adolfs von Schwarzenberg gegen Totis einige Knechte
in ihren Harnischen, freilich bei ausserordentlicher Hitze
und Wassermangel. In Surirey de Saint Remy’s «Me-
moires d’Artillerie» werden Brust- und Rückenkürasse er-
wähnt, welche nach ihrer Grösse für Leute verschiedener
Statur dreissig bis fünfunddreissig Pfund Schwere hatten,
während die dazu gehörigen Eisenhauben (pots) sechzehn
bis achtzehn Pfund wogen.

1) Die Erwähnung dieser für jene Zeit gewiss praktischen
und von einem grossartigen Erfolge begleitet gewesenen Vorschläge
für die Ausrüstung führt uns auf die Bemerkung, dass wir vom
Mittelalter her die bedeutendsten Erfindungen auf dem Gebiete des
Waffenwesens den Italienern zu verdanken haben; ja man kann
sagen, dass alle übrigen Nationen zusammengenommen die Verdienste
der Italiener darin nicht überbieten. Freilich treffen wir in den
zahllosen militärischen Werken nicht selten auf verfehlte, unaus-
führbare und selbst ganz unsinnige Projecte. Zu einem solchen
dürfte wohl jenes in dem Werke des Venetianers Cicogna zählen,
welcher die Befestigung in Form einer heraldischen Lilie empfiehlt,
weil sie eine schöne Blume sei, gut röche und das Symbol einer
Familie sei, für die der profunde Verfasser von jeher eine grosse Ver-
ehrung gehegt habe. Unsinnigeres konnte man selbst im XVIII. Jahr-
hundert, in welchem das Foliowerk erschienen ist, nicht schreiben.
3) Nach meinen Beobachtungen erhalten die deutschen, nieder-
ländischen und theils auch die französischen Helme und Brusthar-
nische erst am Ende des XVI. Jahrhunderts eine zuweilen ganz er-
schreckend übertriebene Schwere. Die überwiegend grösste Anzahl
derselben sind aber sogenannte Trancheeharnische, besonders jene
der Niederländer. Die Franzosen führten ganz ansehnlich schwere
Trancheeharnische noch unter Louis Philippe um 1840. In der
kaiserlichen Waffensammlung zu Wien wird ein ganzer Harnisch
von ausserordentlichem Gewicht bewahrt. Eine dazu gehörige
Sturmhaube wiegt allein 12 Kilogramm. Er ist von niederländischer
Herkunft. (Schluss folgt.)

Literatur.

Die Studien über die französische Waffen-
geschichte des Conservateurs J. B. Giraud. Documents
sur l’importation des armes italiennes ä Lyon a l’epoque
de la Renaissance. Lyon 1897. Propriöte de l’auteur.
J. B. Giraud, Conservator der archäologischen Museen
der Stadt Lyon, zählt zu den geachtetsten Gelehrten auf dem

Gebiete der industriellen Künste, und das Verdienst, das sich
derselbe in seinen zahlreichen Schriften auch um die Waffen
Wissenschaft erworben hat, liegt weniger in der Bearbei-
tung verschiedener Quellen, als in der Erschliessung der
Quellen selbst, durch eine correcte und systematische Er-
forschung der heimischen Archive. Von der stattlichen
 
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