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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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8. Heft
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Lenz, Eduard von: Geschützgiesser in Russland vom 15. bis in's 18. Jahrhundert
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Fachliche Notizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0228

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210

Zeitschrift für historische Waftenkunde.

I. Band.

Weit davon entfernt, für obige Skizze auf Voll-
ständigkeit des Personenverzeichnisses Anspruch er-
heben zu wollen, glauben wir doch, dass hier so
ziemlich «omnia quae supersunt» an Namen hervor-
ragender russischer eingeborener wie in Russland
thätiger fremdländischer Geschützgiesser angeführt
sind. Diese trockene Namensaufzählung bietet für’s
Erste des Belehrenden und Interessanten wenig, doch
hoffen wir in nicht allzu ferner Zukunft photo-
graphische Aufnahmen der bemerkenswerthesten
Werke unserer Giesser bringen zu können und zu-
gleich das hier gegebene Material durch Angaben

und Beschreibung der grossen Anzahl von Ge-
schützen zu vervollständigen, welche in unseren
Museen aufbewahrt werden, deren Verfertiger aber
unbekannt geblieben sind. Erst dann Hessen sich
die zur Charakteristik gewisser Epochen nothwendigen
maassgebenden Kennzeichen in Bezug auf Form,
Material, Gewicht und Verzierung der Geschütze
feststellen, ohne welche eine einheitliche und wissen-
schaftliche Bestimmung der Herkunft eines Stückes
nach Ort, Zeit und Meister oder Schule nicht denk-
bar ist.

Fachliche Notizen.

Ein gothischer Feldharnisch. Se. Durchlaucht
Prinz Ernst zu Windisch-Graetz, unser hochverehrtes
Vereinsmitglied, hat vor Kurzem einen interessanten Har-
nisch für seine erlesene Sammlung erworben, welchen wir
in Folgendem näher betrachten und in Abbildung bringen
wollen (Fig. i).
Der Harnisch stammt aus der Bliithezeit deutscher
Plattnerkunst und hebt sich in seinen Formen entschieden
von dem Typus der Mailänder Harnische ab, wie solcher
charakteristisch in der herrlichen Reiterstatue des Barto- l
lomeo Colleoni zu Venedig von c. 1470 oder noch |
besser in einem ganz gleichzeitigen Standbilde Kaiser J
Friedrichs III. im Hofe der ehemaligen Burg zu Wiener-
Neustadt sich darstellt.1) Er weist in seinen Gesammt-
formen deutlich auf die Kleidertracht von 1460 bis 1480,
die von Florenz ihren Ausgangspunkt genommen hatte, j
In seinen Einzelformen ist noch die Spätgothik scharf
ausgesprochen, die um 1480 und selbst noch bis in’s
16. Jahrhundert herein in Deutschland der herrschende |
Kunststil geblieben war.
Beide Harnischtypen, der Mailänder der Missaglia
und der deutsch-gothische, den wir seiner ursprünglichen I
Herkunft halber den «Nürnberger» nennen wollen; beide
laufen gleichzeitig nebeneinander her. Letzterer ist um \
die genannte Zeit in Deutschland allgemein. Wir erinnern j
uns da an die bekannten Stichblätter Dürers und an das
famose Blatt «Ritter, Tod und Teufel» von 1513, auf
dessen Originalzeichnung der Meister die Worte schrieb:
«Das ist die rüstung zu der zeit in deutschland gewest.»
In seinen Jugendjahren bis etwa 1510 trug Maximilian I.
den gothischen Harnisch. In grossen Massen ging dieser
Harnisch aus Nürnberger Werkstätten nach Frankreich
zur Ausrüstung der Gens d’armes. Aus dem Vorkommen
dieser Harnischform in französischen Sammlungen, be-
stärkt durch gleichzeitige Abbildungen dieser Reitertruppe,
hat sich in Frankreich die irrige Ansicht herausgebildet,
es sei diese Kriegertracht den Gens d’armes allein eigen-
thümlich gewesen.
Betrachten wir uns nun denselben, wie er in dem
vor uns befindlichen, ganz schulmässig ausgeführten Feld- !

*) Die Statue an der Wand mit den berühmten Wappen-
tafeln, im Hofe der heutigen Theresianischen Militär-Akademie,
letztere von dem Steinmetz Peter von Pusica 1457, erstere zweifels-
ohne von dem berühmten niederländischen Bildhauer Niclas van
Leyden.

I harnisch vor Augen tritt, so erscheint vor Allem die
Kopfbedeckung (Hauptharnisch) charakteristisch: die
| Schaller, Schallern (mhd. schalem, aus dem italienischen
j salata, französisch salade). Sie stellt nichts Anderes, als
j die Form eines zurechtgebogenen Filzhutes dar, der im
: italienischen Eisenhute seine Urform besitzt. Unter den
Händen des praktischen deutschen Plattners verkürzten
sich allmälig vorn und an den Seiten die störenden
Krempentheile, und damit bildete sich die «deutsche.
Schallern» heraus, die in ihrer Form keine antikischen
Reminiscenzen erkennen lässt und von der italienischen
Salata ganz verschieden ist.1)
Um 1460 und bis 1510 ist die Frage des Halsschutzes
noch nicht gelöst gewesen. Hier hat diese Aufgabe der
«Bart», der an den Obertheil der Brust festgestellt, den
Hals nebst den unteren Theil des Gesichtes zu decken
bestimmt war. Man ersieht, dass hier die Aufgabe nach
beiden Richtungen nur unvollkommen gelöst ist, denn
der Bart ist vom Haupte unabhängig, feststehend, und
der Reiter musste, um Deckung zu erlangen, den Nacken
entsprechend einziehen. Die Bärte der späteren Zeit
waren ein- bis dreimal abschlächtig, um auf Märschen
das Gesicht freizuhalten. Die Achseln besitzen in der
Regel nur kleine Vorder- aber grosse und nicht selten
sich überkreuzende Hinterflüge, beide in der Regel muschel-
förmig gekehlt. Es war ein grosser Nachtheil des gothi-
schen Harnisches, dass die einzelnen Bestandtheile des
Armzeuges nur mit Schnüren oder Riemen und nicht
miteinander verbunden, sondern an den Leib befestigt
wurden, so sind auch die Achseln mit Schnüren, die an
dem Lederwamms hafteten, an dieses geschnürt. Erst
gegen 1508, mit der Einführung des Harnischkragens,
erfolgte die Befestigung mittelst Federzapfens, wie wir
sie hier sehen. Nur ganz schüchtern treten an den
Achseln die sogenannten «Achselstauchen» auf, welche
bei zunehmender Grösse «Brechränder» und «Stosskrä-
gen» genannt werden. In starker Ausbildung finden wir
sie zuerst bei den Mailändern. Die Stellung derselben
ist genau berechnet, dass einerseits jeder Stoss eines

r) Ganz die ähnliche Formenwandlung hat der alte nord
deutsche Seemannshut erfahren. Anfänglich wurde der Vordertheil
der Krempe aufgestülpt, die beiden in der Arbeit störenden seit-
lichen Theile der Krempe weggeschnitten und nur der schwanz-
ähnliche schmal geschnittene Hintertheil belassen, damit entstand
der charakteristische «Südwester» der Seeleute der deutschen Küsten.
 
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