Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

DOI Heft:
9. Heft
DOI Artikel:
Literatur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0255

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

2 37

Literatur.

El Conde V<io Valencia de Don Juan. Catälogo
historico-descriptivo de la Real Armeria de Madrid.
Madrid MDCCCXCVIII. Fototipias de Hauser y Menet.
So sehnlich wir seit Jahren dem Erscheinen eines
neuen, dem heutigen Stande der Waffenwissenschaft ent-
sprechenden Kataloges der Armeria Real in Madrid ent-
gegengesehen haben, die Herausgabe desselben in einem
reich illustrierten Bande von 450 Seiten in einem Zeit-
punkte, in welchem das Königreich von schweren
Schicksalsschlägen getroffen tausend andere Sorgen haben
mag, um wieder zu Kräften zu gelangen, hat uns, wir
gestehen es aufrichtig, überrascht, und wir können es nur
dem Fleisse, der Energie und dem Opfermuthe des
Directors der Armeria, Grafen von Valencia de Don
Juan zuschreiben, wenn aller Schwierigkeiten ungeachtet
dieses für das Studium der historischen Waffenkunde so
überaus wichtige Werk an das Licht getreten ist. Es ist
das für uns ein Ereigniss von hoher Bedeutung.
Eine durch mehr als zehn Jahre geführte rege
wissenschaftliche Correspondenz mit dem Verfasser, ja
wiederholte persönliche Rücksprache mit demselben
haben uns auch genügend überzeugt, dass diese
Schwierigkeiten nicht allein in der politischen Lage des
Landes, sondern auch in der Aufgabe selbst und in
widrigen Verhältnissen gelegen waren, die nur durch
eine ungemein zähe Ausdauer glücklich bewältigt werden
konnten.
Die Armeria Real, heute ein grossartiges einzig
werthvolles Waffenmuseum der Welt, ist herausgewachsen
aus der kostbaren Rüstkammer der ersten Habsburger
auf dem Throne spanischer Länder. Philipp II. liess
durch Gaspar de Vega die Caballerizas erbauen, ein
festes Schlofs, in welchem ein weiter Saal eigens den
Waffen der königlichen Vorfahren und berühmter
Helden eingeräumt wurde. Immer reicher sich ge-
staltend verblieb dortselbst die Sammlung bis zum Ein-
rücken der Franzosen 1808. Josef Bonaparte machte
ihr 1811 kurzer Hand ein Ende; er liess die Wafifen-
stücke ausräumen und auf einen Dachboden zusammen-
pferchen, weil er in dem altertümlichen Saal «einen
Ball geben wollte«. Erst unter der Königin Isabellall,
wurde die Armeria wieder in dem alten Raume auf-
gestellt; bei dieser Gelegenheit erschien 1849 der erste
gedruckte Katalog derselben, verfasst von Don Antonio
Martinez del Romero, ein für die damalige Zeit sehr
verdienstliches Werk.
Der eigentliche Regenerator auf Grundlage moderner
Wissenschaft war König Alfons XII., welcher mit der
Durchführung Graf Valencia betraute. Die neue Armeria
sollte nach dem Plane des Königs in einem neu zu
erbauenden Flügel des königlichen Palastes auf der
Plaza de Armas eine würdige Aufstellung erhalten. Die
Aufgabe, welche Graf Valencia erhalten hatte, ebenso
ehrenvoll als wichtig und dankbar, war gleichwohl un-
gemein schwierig. Die historische Wafifenwissenschaft, auf
deren Grundlage die neue Sammlung sich gestalten
musste, hatte seit 1849 einen namhaften Fortschritt ge-
macht. Es erwiesen sich in den historischen Zu-
schreibungen eine Menge chronologischer Irrthümer, die
einzelnen Gegenstände erwiesen sich als zerstückelt und
fachwidrig zusammengestellt; es musste ein ganz neuer

Plan für eine correcte chronologisch-synchronistische
Organisation und Aufstellung gefasst werden und zu
alledem mangelten dem Reorganisator alle historischen
Belege, um mit Sicherheit sein Werk aufzubauen. Mitten
unter dieser unsäglich mühsamen Arbeit trafen Graf
Valencia hintereinander zwei der schwersten Unglücks-
fälle, der Brand der Caballerizas am 9. Juli 1884 und
bald darauf das Ableben des Königs Alfons XII., seines
erhabenen Gönners.
Der König selbst war der Retter der kostbaren
Sammlung in dem furchtbaren Brande. Von einem
glücklichen Gedanken erfasst, drang er in das brennende
| Gebäude, holte aus selbem ein Stück der Sammlung un-
) versehrt heraus und forderte seine zahlreiche Umgebung
auf ein Gleiches zu thun. Mit Begeisterung folgten die
Herren des Hofes und wer nur irgend anzugreifen ver-
mochte, dem erhabenen Beispiele. Das hatte einen über-
aus glücklichen Erfolg und wenn auch so manches
schöne Object (vorzüglich textiles) bei dieser Katastrophe
der Vernichtung anheimgefallen war, die Armeria selbst
mit ihren werthvollen Stücken war gerettet.
Nun mufste die schon ansehnlich gediehene Arbeit
von Neuem begonnen, die Objecte neu gesichtet, ge-
ordnet, gereinigt und zusammengestellt werden, dabei
ging die Forschungsarbeit unausgesetzt fort, die ein
emsiges Studium und mehrere weite Reisen erforderte.
Da trat der Tod des Königs am 25. November 1885
hemmend dazwischen.
Unsere Leser ersehen aus dieser kurzen Schilderung,
dass Graf Valencia in seinen Arbeiten nicht auf Rosen
gebettet war und dass es nur seiner seltenen Energie
und Unverdrossenheit zu verdanken ist, wenn die Armeria
heute in tadelloser Aufstellung vor Augen steht zum
Ruhme der spanischen Nation, zum Besten der Wissen-
schaft und nun heute die Literatur mit einem Werke
bereichert ist, das allen Anforderungen der modernen
Wafifenwissenschaft entspricht.
Ungeachtet aller dieser schweren Schicksalsschläge
fehlte es in dem rastlosen unermüdlichen Schaffen nicht
an freudigen, an glücklichen Momenten. Im Jahre 1893
war Dank der energischen Einflussnahme der Königin
Maria Christina der neue Flügel des Palastes fertig und
für die Aufstellung bereitgestellt worden. Mittlerweile
dehnte Graf Valencia seine Forschungen auf archi-
valisches Gebiet aus und da gelang es demselben in
dem königlichen Archive zu Simancas wichtige Urkunden
für die Klarlegung des Entstehens und der Schicksale
der werthvollsten Gegenstände in Inventarien und
Rechnungsacten des 16. Jahrhunderts zu entdecken. Der
werthvollste Fund darunter ist wohl das Bildinventar der
Wafienkammer Karls V. in Valladolid, welches die Waffen
des Kaisers in der frühesten Periode enthält, aber auch
die Zahlungsbücher brachten wichtige Belege über Meister,
Formen, Benennungen und über die Preise. Hoch-
erfreulich aber und die Vaterlandsliebe in’s hellste Licht
setzend ist die Wahrnehmung, dass von sehr vielen Seiten
getrachtet wurde, die Verluste der Armeria nach dem
verheerenden Brande nach Möglichkeit zu ersetzen.
Voran in diesem patriotischen Streben stehen die
Königin und der Herzog von Osuna durch überaus
werthvolle und historisch auch bedeutsame Spenden.
 
Annotationen