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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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5. Heft
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Lenc, Ėduard Ėduardovič: Russland und der Orient in der Geschichte des Waffenwesens
DOI Artikel:
Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0126

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112

Zeitschrift für historische Warenkunde.

I. Band.

Worte wenigstens bis zum Ende des 14. Jahr-
hunderts Schleudermaschinen zum gleichzeitigen
Äbschriellen vieler Pfeile oder Wurfspiesse, nicht
aber Feuerrohre bezeichnet wurden. Auch für die
Lunte (russisch fitil) ist der türkische Name entlehnt
Wörden (fetil tüfenk = das Luntengewehr).
Aus obiger flüchtig und skizzenhaft zusammen-
gestellten Notiz irgend welche Schlüsse ziehen zu
wollen über Art und Zeit der Entlehnung orienta-
lischer Rüststücke durch die Russen wäre natürlich

voreilig und durch nichts gerechtfertigt. Es war
dieses auch nicht der Zweck der Mittheilung. Wir
hoffen aber durch die angeführten Beispiele zur An-
regung und Verbreitung der Idee beigetragen zu
haben, dass ein sorgsames Sammeln und Sichten
des einschlägigen linguistischen Materials im All-
gemeinen und des orientalischen im Besonderen der
historischen Forschung über die Entwicklungs-
geschichte des Waffenwesens zur Seite stehen und
— wenn richtig gehandhabt — auch entschieden
zu lohnenden Resultaten führen muss.

Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen.
Von k. u. k. Major P. Sixl in Levico.

Einleitung.
Die fekenntniss, dass durch die treibende Kraft
des Pulvers die Spannkraft der Ar.mrust-Sehne er-
setzt werden könne, führte zur Construction der Feuer-
waffen.
War einmal dieses Princip praktisch erfasst, so
musste die bequeme Möglichkeit, durch Vermehrung
der Pulverladung die Schussleistung zu vergrössern
und die Wirkung auf ein gleich grosses Geschoss zu
verstärken, bald von selbst zu weiteren Versuchen
anregen.
Man hat bisher daran festgehalten, dass die
ersten Versuche zur Construction der Feuerwaffen
unabhängig von der Grösse derselben durchgeführt
wurden. Es entspricht dem natürlichen Gange, wenn
man annimmt, dass auch in diesem Falle die Ver-
suche mit kleinen Aufgaben beginnen, und dass erst
später grössere Experimente an die Reihe kamen.
Die Erzeugung kleinerer Büchsen lieferte die Er-
fahrung und weitere Anregung zur Ausführung
grösserer Stücke.
War endlich die Construction grösserer Büchsen
gelungen, so wurde die Wirkung eine augenschein-
liche und für den Kriegsmann überzeugende; —
die Schussleistung erhielt durch die Feuer- und Rauch-
erscheinung sowie durch den donnerähnlichen Knall
eine ungewohnte moralische Verstärkung, welche die
Qualifikation der neuen Feuerwaffe als Kriegswaffe
noch erhöhte.
Die Einführung und Anwendung solcher Kriegs-
mittel mussten auch dem Chronisten auffallen, während
die ersten kleinen Feuerwaffen ob ihrer geringen
Leistung kaum Beachtung fanden.
Das grosse Geschütz entwickelte sich selbststän-
dig weiter.
Aus der vielseitigen Anwendung lernte man
bald die Vor- und Nachtheile der neuen Waffe er-
kennen. Die praktische Erfahrung verbessert die Be-
reitung des Pulvers, lehrt den Bau von Rohr und
Geschoss, entwickelt die Grundsätze für die.Ladung,
ist bemüht, den Rückstoss zu mindern, und unter-

sucht den Einfluss der Elevation auf Schussweite und
Wirkung. Es entsteht die Wissenschaft der «Ar-
tollerie» oder der «Arkeley», welche in zahlreichen
Manuskripten, Bilderhandschriften, Feuerwerksbüchern,
Geschützbeschreibungen und in besonderen Lehr-
schriften über «Büchsenmacherei» oder «die Kunst
■ aus Büchsen zu schiessen», — aus dem 14. bis 17.
Jahrhundert — niedergelegt ist.
Einzelne Kriegsherren oder grössere Städte be-
wahrten ihren Waffen-Vorrath systematisch geordnet
in Zeughäusern und Hessen in den «Zeugsbüchern»
oder «Inventarien» die Stücke fachmännisch be-
schreiben, oft auch künstlerisch illustrieren.
Viele grosse Büchsen überlebten ihre Zeit und
geben mit den angeführten reichlichen Quellen um-
ständlichen Aufschluss über Bau und Bedienung der
einzelnen Geschütze und ein nahezu vollständiges Ge-
sammtbild der Entstehung und Entwickelung der
■ Artillerie.
Anders verhält es sich mit den Handfeuerwaffen.
Diesen fehlte anfangs jeder augenscheinliche
Erfolg; sie standen den ganz respectablen Leistungen
von Bogen und Armrust gegenüber und konnten
diese bewährten Schiesswaffen an Treffsicherheit und
Schusszahl lange nicht erreichen.
Die Erzeugung der Waffe hatte diesen Uebel-
ständen wenig entgegen zu setzen, und da man einen
Erfolg nur in der Construction grösserer Feuerbüchsen
suchte, .so kam es, dass man sich mit den Handfeuer-
waffen nur nebenbei und gleichsam versuchsweise
befasste.
Die Schützen sahen in der geringen Wirkung
der neuen Waffe keinen vollwerthigen Ersatz für den
gewohnten Bogen oder die sichere Armrust, — die
primitive Einrichtung der Handbüchsen Hess auch
die persönliche Schiessfertigkeit nicht zur Geltung
kommen.
Es vergingen über hundert Jahre, ehe eine grössere
gemeinsame Anwendung der Handfeuerwaffen statt-
fand, und nur durch diesen Umstand gelangte der
Kffegswerth derselben zur allseitigen Anerkennung.
 
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