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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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7. Heft
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Boeheim, Wendelin: Die Waffe und ihre einstige Beudeutung im Welthandel: Vortrag gehalten von dem 2. Vorsitzenden des Vereins, Director Wendelin Boeheim in der Generalversammlung am 2. Juni 1898 zu Berlin
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7. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

171

Die Waffe und ihre einstige Bedeutung im Welthandel.
Vortrag gehalten von dem II. Vorsitzenden des Vereins, Director Wendelin Boeheim
in der Generalversammlung am 2. Juni 1898 zu Berlin.1)

Verehrte Vereinsgenossen!
Unsere junge historische Waffenwissenschaft hat
den Gegenstand ihres Bereiches: «Die Waffe» immer-
hin von verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet
und vor Augen gestellt. Sie wurde sowohl kultur-
wie kunsthistorisch, nach ihrer technischen Beschaffen-
heit, ihrer Fertigung, ihrem Gebrauch und selbst
ihrer Verwendung in der Geschichte einer ernsten
Betrachtung unterzogen, und wenn auch nach allen
genannten Richtungen hin erst wenige Schritte
unternommen worden sind, so ist es doch hoch-
erfreulich zu sehen, dass ein Anfang gemacht wurde,
um das unabsehbar weite Brachfeld zu bebauen.
Der Stand einer Wissenschaft charakterisirt sich
darin, in wie weit diese ihren Gegenstand allseits
betrachtet und sich in dieser Betrachtung vertieft
hat; und da kann es uns bei der Jugend unseres
Wissenschaftszweiges nicht Wunder nehmen, wenn
wir gewahren, dass die Waffe noch nicht von allen
Punkten betrachtet worden ist.
Ich möchte nun heute eine für uns bedeutsame
und denkwürdige Gelegenheit ergreifen, um die
Waffe und was dazu gehört, einmal von einem Ge-
sichtspunkte zu beschauen, von dem sie meines
Wissens noch niemals beschaut worden ist: in ihrer
Eigenschaft als Handelsgegenstand. Sie wer-
den von mir nicht erwarten, dass ich dieses —
ziemlich umfassende — Thema vollkommen erschöpfe,
sie werden mich entschuldigt halten, wenn ich nur
in grossen Zügen, so: al fresco male, aber ich
schmeichle mir, dass auch dieses massige Gesammt-
bild Ihnen die Waffe unter einem Winkel beleuchtet
darstellen wird, wie sie jeder unserer Spezialisten
zur eigenen Beurtheilung einmal besehen muss.
Ich bin kein Freund von langathmigen Ein-
leitungen und gehe deshalb rasch und unvermittelt
in mein Thema, ein und da ist es mir, als sei ich
anfänglich von einer dichten grauen Nebelwolke ver-
hüllt und träte erst allmählig deutlicher aus selber
hervor. Ich beginne mit der Steinzeit im Norden
und weise darauf hin, dass selbst in den ältesten
Fundlagern sich Artefacte nicht selten finden von
einem Steinmateriale, das weit und breit, ja auf
tausende von Meilen im Umkreise nicht zu finden
ist. Eine gleiche und noch weit auffälligere Beob-
achtung machen wir in der späteren Bronzezeit, in
welcher wir im hohen Norden das heimische Kupfer im
Vereine mit lichter Bronze antreffen und in Formen,
ln Folge des Beschlusses der Generalversammlung vom
2. Juni wurde die Redaction beauftragt den gegenwärtigen Vor-
trag in der Nummer 7 unserer Zeitschrift ungetheilt zur Veröffent-
lichung zu bringen.

die nahezu in gar nichts von jenen in unserm südlichen
Ländern sich unterscheiden. Wenn wir uns nun er-
innern, dass ein wesentlicher Bestandtheil der Bronze:
das Zinn, nur spärlich in der Welt angetroffen wird,
so muss man zu der Vermuthung, wenn nicht zur
vollen Ueberzeugung kommen, dass in vorhistorischer
Zeit nicht sowohl das rohe Material, als auch die
Waffe selbst einen ansehnlichen Theil des Welt-
handels gebildet hatte. Treten wir in der Zeit um
einen Schritt näher, so gelangen wir in eine Periode,
in welcher, während die Bronze und selbst noch der
Stein das Hauptmaterial der Waffen bildete, tief im
Süden ein anderes Metall auftauchte, das unvermischt
verwendet, weit einfacher erzeugt, leichter im Ge-
wichte und weit brauchbarer für die Waffenerzeugung
sich erwies als die Bronze: das Eisen, der Stahl.
Die Urstätte der Eisenerzeugung ist Asien. Die
ersten Proben dieses kostbaren Metalles brachten
die knorrigen Bewohner der terrassenförmigen Süd-
abhänge des vom ewigen Schnee bedeckten Hima-
layagebirges, den tiefen schrundigen Thälern des
Kohistan, in das flache weite Tiefland des Pendschab
herab, und erst hier, dem alten Fünfstromlande der
Inder, wurden die noch unfertig ausgeschmelzten
Massen in den kostbaren Stahl verwandelt, der das
ausgezeichnete Material für die Waffen im Alterthume
bildete. Diese Industrie in ihren Anfängen ist rein
indisch, verfolgt man aber den Kulturweg derselben
von ihrem Ursprungspunkte, so entgeht uns nicht,
dass sie ihre Richtung mit voller Entschiedenheit
nach den Westen nimmt. Es ist dies nicht der
Weg einer einzelnen Industrie, so wichtig sie auch
an sich für die Kultur erscheinen mag; es ist von
den Anfängen her die geographische Linie, die von
der Barbarei zur geistigen Entwickelung des Menschen-
geschlechtes leitet. Der Weg, den das Eisen ge-
nommen hatte, führte von den Quellen des Indus
unmittelbar nach Persien, von da den Tigris auf-
wärts nach Babylon und nach Assyris. Liier theilte
sich schon in ältester Zeit der Weg; der nördliche
leitete bis an die Südabhänge des Kaukasus und an
den Pontus Euxinus, an dessen südlichem Gestade
die Chalybes sich einen hohen Ruhm als Waffen-
schmiede erworben hatten; der westliche führte über
Mesopotamien nach Tyrus an das Meer und hier be-
gann bald der ungemein ausgebreitete Handel, zu-
nächst mit Griechenland und Aegypten, beide eisen-
arme Länder; der südliche leitete nach Arabien, um
unter den dortigen Nomadeqstämmen zu versiegen.
Auf dem langen Wege vom Indus bis ans Meer
hatte die Eisenindustrie, welche sich ja fast aus-
schliesslich in der Waffenschmiedekunst conzen-
trirte wie begreiflich, gewisse Knotenpunkte in
 
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