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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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2. Heft
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Boeheim, Wendelin: Leichteisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0043

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2. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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und andererseits die beste Härtung nicht so weit ge-
trieben werden kann, um den Harnisch durch Ver-
minderung des Volumens auf die Hälfte des abso-
luten Gewichtes herabzusetzen, dann wäre eben nur
anzunehmen, dass es Camelio gelungen ist, das Mate-
riale durch seine Zubereitung bei gewöhnlichem Vo-
lumen auf die Hälfte des specifischen Gewichtes
herabzubringen, aber auch dieser Vermuthung sind
von vorneherein ernste Zweifel entgegenzusetzen.
Wenn wir auch gerne zugeben, dass wir in der
Metallurgie noch gewiss eine Menge zu entdecken
haben werden, so streifte die Entdeckung der Her-
stellung eines Eisens, welches bei gleicher Brauch-
barkeit des bisherigen ein durchschnittliches speci-
fisches Gewicht von etwa 3-g, eines Stahles von etwa
4'i besässe, geradezu an das Märchenhafte.
Wir übersehen da keineswegs, dass das Eisen in
den verschiedenen Ländern ganz erhebliche Unter-
schiede aufweist; so besitzt geschmiedetes deutsches
Eisen durchschnittlich 7'6o, derlei englisches durch-
schnittlich 778, eine Differenz, die sich durch die
grössere oder geringere Porosität desselben erklären
lässt; steigt doch gehämmerter Stahl auf 7'82, eng-
lischer Feilenstahl gar auf 8'ig.
Der Gedanke, Eisen durch die Art seiner Zu-
bereitung auf ein erheblich geringeres specifisch'es
Gewicht zu bringen, ist vollständig auszuschliessen,
aber vielleicht war es Camelio gelungen, dieses durch
eine Legirung mit einem uns unbekannten specifisch
leichten Metall zu erzielen? Eine solche Annahme
wäre nicht a limine abzuweisen, umsoweniger, wenn
wir uns an die Legirungen mit Aluminium erinnern,
die heute bereits ganz annehmbare Resultate ergeben.
Camelio war, das ergiebt sich aus seinen be-
kannten Leistungen, nicht allein Künstler, er war
Metallurg und war auf letzterem Gebiete angestrengt
thätig, der Natur weitere Geheimnisse zu entlocken;
das lag schon vom Mittelalter her im Geiste der
Zeit, die Kunstgeschichte weist da, besonders im
Oriente, später auch in Italien, eine ansehnliche Reihe
von Adepten auf; aber die meisten der Entdeckungen
derselben wurden von diesen als tiefstes Geheimniss
bewahrt und geriethen mit deren Ableben in Ver-
gessenheit, ohne auch je für das praktische Leben
ausgenützt worden zu sein.
Es ist bekannt, dass verschiedene Metalle und
mit ihnen auch das Eisen durch Legirungen Verän-
derungen in ihrer Härte erleiden und einzelne bis
zur Unbrauchbarkeit spröde werden. Diese allgemeine
Erfahrung Hesse nebenher noch die Annahme zu,
dass ein Harnisch auch im Volumen — hier in der
Blechstärke — geringer gehalten werden konnte. Es
sind das nur allgemeine Ideen, ohne bei selben ge-
rade an Aluminium zu denken.
Diese Erfahrung führt uns auf die Vermuthung,
dass Camelio bei seinen unausgesetzten Experimenten

mit Metallen auf eine Eisenlegirung gelangt ist,
welches bei grosser Härte und guter Hämmerbarkeit
ein Product von sehr geringem specifischen Gewicht
lieferte.
Es ist ein eigenthümlicher Zufall, dass dem
Schreiber dieser Zeilen schon wiederholt in früheren
Jahren Haudegen und Faustrohre in die Hände ge-
kommen sind, welche auf das Gefühl hin ein über-
raschend geringes Gewicht besassen; alle diese so un
gewöhnlich leichten Waffen gehörten dem Ende des
XVI. und dem XVII. Jahrhundert an und stammten
aus den Manufacturen von Brescia, den Werkstätten
an der Mella und Garza, welche ihr Rohproduct den
eisenreichen Gebirgen vom Monte Prealba und Monte
Conche bis Gardone und Caino hinauf entnahmen.
Leider war der Verfasser in allen jenen Fällen nicht
in der Lage, diese so staunenswerth leichten Waffen-
stücke auf ihr specifisch es Gewicht hin prüfen zu
lassen. Besonders leicht erscheinende Degen und
Faustrohre, welche ihm jetzt zur Hand sind, ver-
danken ihr geringes absolutes Gewicht nur dem herab-
geminderten Volumen ihrer Theile und schwanken,
wenn die Prüfung genau vor sich gegangen ist, in
ihrem specifischen Gewichte zwischen 7-68 und 7'83.
Vielleicht wäre es in der Verfolgung des Ge-
dankens rathsam, die Waffensammlung des könig-
lichen Arsenales in Venedig einer genaueren Durch-
sicht zu unterziehen, welches zum grossen Theile
Waffen aus der Periode der Anwesenheit Camelio’s
dortselbst enthält. Dazu bedürfte es allerdings einer
Einwilligung der königlichen Admiralität1).
Wir haben uns hier nur die Aufgabe gestellt,
unseren verehrten Mitgliedern, und nicht zum We-
nigsten unseren militärischen, das bis jetzt noch un-
aufgeklärte- Document zur Beurtheilung vorzulegen
und Einiges zu seiner Würdigung beizutragen. Uns
erscheint der Inhalt wichtig genug, um einige An-
strengungen zu machen, dem Geheimnisse auf den
Grund zu kommen, und wir haben darum nicht ver-
fehlt, die einzuschlagenden Wege anzudeuten. Ein
brauchbares Eisenmaterial zu erhalten, welches, wenn
auch nicht gerade die Hälfte, doch einen erheblich
geringeren Procentsatz des specifischen Gewichtes be-
sässe, müsste in einer Armee als ein phänomenaler
Erfolg bezeichnet werden.
Möglich, dass alle Anstrengungen zu keinem
nennenswerthen Erfolge führen, möglich, dass die
Erfindung des alten Meisters, wenn aufgeklärt, unbe-
deutend oder unverwerthbar erscheint. Wenn aber
doch hinter den hoch beachtenswertbenVersprechungen
Camelio’s etwas stäcke, dann wäre, dächten wir, selbst
die höchste Anstrengung des Preises werth.

J) Bei dieser Gelegenheit könnte auch ein Katalog dieser
hoch werthvollen Sammlung verfasst werden, der leider zur Stunde
noch fehlt.
 
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