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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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2. Heft
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Hampel, József: Der sogenannte Säbel Karls des Großen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0059

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2. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

49

russischen Funden des X. Jahrhunderts nachweisen.
Zunächst sind die Beschlagbleche aus Silber mit ähn-
lichen Ornamenten von der Scheide des Säbels aus
Tarczal (Comitat Zemplen in Ungarn) zu nennen,
und verwandte Ornamente zieren eine schildförmige
Silberplatte aus demselben Grabe; verwandt ist auch
die Ornamentik an einer solchen schildartigen Platte
aus dem achten Grabe von Bezded (Ungarn, Comitat
Szabolcs) und einem Grabe aus Szolyva (Ungarn, Co-
mitat Beregh). Alle diese hier genannten Analogien
befinden sich im ungarischen Nationalmuseum in
Budapest. Diesen schliesst sich, als den beschriebenen
Ornamenten an Griff und Scheide stilistisch am meisten
verwandtes Stück, die
schildartige Platte von
Galgöcz (Comitat Neu-
tra, Ungarn, National-
museum) an, deren Ab-
bildung wir deshalb
hier beilegen. (Fig. 3.)
Nicht zu verken-
nen ist die Aehnlich-
keit in der Verschlin-
gung und Anreihung
der Ranken und die
Verwandtschaft der Pal-
metten. Wir heben das
Stück von Galgöcz be-
sonders hervor, weil
das Grab, in dem es
lag, einen Silberdirhem
des Emirs Nasr ben
Ahmed aus dem Jahre
gi8 oder gig enthielt.
Stilverwandte Or-
namente kamen auch
zum Vorschein auf Sil-
berblechfragmenten im
Tumulus von Tserni-
gow, früher in der
Sammlung Samokva-
sow, jetzt im histori-
schenMuseumvon Mos-
kau ; auch, diese wur-
den mit Münzen des X. Jahrhunderts gefunden.
Die Ornamentik auf all diesen Stücken, sowie
die Art ihrer Technik weisen auf den Orient, wo sie
speciell mit der sassanidischen Metallindustrie gene-
tisch Zusammenhängen.
Innerhalb dieses Kreises ist jedoch speciell der Or-
namentik des Wiener Säbels eine etwas spätere Stel-
lung zuzutheilen, worauf zunächst stilistische Eigen-
thümlichkeiten deuten. Solche sind: die überhäufte
Anwendung der Rankenverschlingungen, eine beliebte
Verzierungsweise im ganzen orientalischen Mittelalter,
ferner die monotone Bildung mancher Palmetten in
schematischer Doppelpaarung oder gar dreifacher
Wiederholung ohne Schwung und Abwechslung.

Doch wie weit nach diesen Kriterien in der Da-
tirung herabzugehen wäre, dieses zu bestimmen,
möchte ich bei der Dürftigkeit analoger chronologisch
bestimmbarer orientalischer Goldschmiedewerke des
XI. bis XIV. Jahrhunderts noch für zu gewagt halten.
Bei der chronologischen Bestimmung dürfte die
Klinge eine Hauptrolle spielen. Dieselbe wurde be-
reits in der ersten Nummer dieser Zeitschrift von
W. Boeheim eingehend beschrieben und nach ihrer
Form und technischen Vollendung gewürdigt.
Indem wir uns auf diese Ausführung beziehen,
heben wir hier noch einige Eigenthümlichkeiten her-
vor, welche als Anhaltspunkte für die Zeitbestim-
mung verwendbar sind.
Die Klinge ist in
der Länge etwra eines
Dritttheiles von der
Spitze aus zweischnei-
dig; sämmtliche Klin-
gen derselben orien-
talischen Gruppe des
IX. und X. Jahrhun-
derts, die wir aus dem
weiten Gebiete von Un-
garn bis zum Kau-
kasus kennen, sind der
ganzen Länge nach ein-
schneidig. Wir schlies-
sen aus der davon
abweichenden Eigen-
thümlichkeit des Säbels
der Wiener Schatz-
kammer, dass derselbe
nicht vor dem XI.
Jahrhunderte entstan-
den sein mag.
Die zweite Abwei-
chung ist die, dass der
Rücken des Wiener
Säbels nicht in unge-
brochener Linie ver-
läuft, wie an sämmt-
lichen erwähnten Ana-
logien, sondern einen
winkeligen Höcker hat, eine Erscheinung, welche an
Säbelklingen in Ungarn erst seit dem XII. Jahrhunderte
zu beobachten ist.
Schliesslich bleibt das eingeätzte und vergoldete
Rankenornament an der Klinge zu erwähnen, welches
gleichfalls auf ein späteres, nach dem X. Jahrhun-
derte liegendes Datum hinweist.
So stimmen denn also alle Beobachtungen, so-
wohl was die Scheide, als was die Klinge betrifft,
darin überein, dass der sogenannte Säbel «Karls des
Grossen» wenigstens drei Jahrhunderte nach diesem
Herrscher entstanden ist, und man demnach alle Ur-
sache hat, diese Tradition fallen zu lassen.
 
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