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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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3. Heft
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Boeheim, Wendelin: Der Reiterschild von Seedorf, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0080

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70

Zeitschrift für historische WafFenkunde.

1. Band.


schild hier ab, so ist die Zahl der mittelalterlichen
Reiterschilde, die uns noch erhalten geblieben sind,
an sich gering und darum für das Studium ihrer
Formenentwicklung unzureichend.
Von den noch erhaltenen ist der Schild von
Seedorf unbestritten der älteste, und dennoch gehört
dieser älteste erst einer Zeit an, in welcher der Reiter-
schild die Höhe seiner Bedeutung bereits überschritten
hat und einzuschrumpfen beginnt, bis er als petit
ecu und überflüssig geworden, abgelegt wird.
Dieser älteste Reiterschild befindet sich in dem
Dörfchen Seedorf an der südwestlichen Seite des
'Vierwaldstättersees und
stammt seinem Blason
nach von einem Ange-
hörigen des dort sess-
haft gewesenen ritter-
lichen Geschlechtes
von Briens. Ursprüng-
lich ein Schild für
die Feldausrüstung,
wie für den Buhurt
und das Gestech, •)
wurde er später, einem
alten Gebrauche fol-
gend, nach dem Tode
seines Besitzers in der
Kirche des Ritterordens
vom heiligen Lazarus
zu Seedorf, der Stiftung
eines derselben Briens,
aufgehängt und wurde
so zum «Todtenschild».
Kirche und Kloster wa-
ren ursprünglich Au-
gustinernonnen einge-
räumt, später erhiel-
ten sie die Benedic-
tinerinnen, und diese
trugen dem ehrwür-
digen Schilde kein Ver-'
ständniss entgegen. Sie
fanden ihn unpassend
für eine Nonnenkirche
und bewahrten ihn in
einem Schranke, wo er
vergessen ward. Erst
vor einigen Jahren wurde er wieder entdeckt und prangt
nun als schönstes und werthvollstes Stück in der Samm- j

Fig. i. Reiterschild von

lung des Pfarrers von Attinghausen, Anton Denier,
eines überaus kenntnissreichen und liebenswerthen
Priesters, welcher denselben auch kürzlich zum Ge-
genstand einer trefflichen historisch-kunstwissenschaft-
lichen Abhandlung in der «Zeitschrift für christliche
Kunst» gemacht hat, der wir hier auch überaus
werthvolle geschichtliche und kunsttechnische Daten
verdanken. Durch die Güte desselben und des
Redacteurs obiger Zeitschrift, unseres hochgeehrten
Freundes Herrn Canonicus Dr. Alexander Schnütgen
in Köln, ist es uns auch möglich geworden, die bei-
folgenden Abbildungen unseren Lesern zu bringen.
Ehe wir dem Schilde
selbst uns zuwenden,
sei es uns gestattet, die
Bedingungen ins Auge
zu fassen, welche auf
die Form der Reiter-
schilde bestimmend
eingewirkt hatten.
Stellen wir uns einen
Reiter vor, so kom-
men wir augenblick-
lich zurüeberzeugung,
dass kein Schild, sei er
wie immer geformt, den
ganzen Mann decken
kann, ohne seine offen-
sive Thätigkeit zu be-
einträchtigen. Aus die-
sem Grunde hat man sich
vom Beginne an darauf
beschränken müssen,
nur die linke, eigent-
lich wehrlose, die soge-
nannte «Hiebseite» und
je mehr zu decken, je
weniger das Waffen-
kleid selbst, der Har-
nisch (härnasch), vor
den Waffen des Gegners
schützen konnte. Der
mittelalterliche Reiter-
schild, die «Tartsche»,
von dem arabischen
Seedorf (Vorderseite). ddrcike, italienisch tar-
gia hergeleitet, hat sich
aus einer Form entwickelt, welche uns bei den
Normanen des XI. Jahrhunderts zuerst vor Augen

handene originale bretonische Schild im British Museum, einst in
der Sammlung L. Meyricks in Goodrich-Court, aus dem X. Jahr-
hundert, wurde im Withamflusse in Lincolnshire gefunden, er ist
ein Fussknechtschild. Der bretonische Schild scheint die Schlacht
bei Hastings nicht lange überlebt zu haben, während der nor-
manische zur Grundform der späteren Weiterbildungen bis ins
XIV. Jahrhundert und später geworden ist.
l) Zur Zeit der Entstehung dieses Schildes war die Aus-
rüstung für das Turnier noch sehr wenig oder gar nicht ver-
schieden von jener fürs Feld. Es diene weiter zur Aufklärung,
dass es ein Irrthum wäre und nur zu Verwechslungen des Be-
griifes Anlass geben würde, wollte man unseren Schild als «Kampf-

schild» bezeichnen. Eine feindliche Action im Felde wurde fach-
lich correct «Streit» genannt. Der Kampf zu Ross oder zu Fuss
war eine Turnierart, bei welcher nur zwei Gegner einander gegen-
übertraten und um den «Dank» rangen. Selbst die Bezeichnung
«Kampf zü Ross» wird selten uad weit öfter «Kolbenturnier»
angewendet. So hatte sich bis ins XVI. Jahrhundert die Turnier-
form «der alte deutsche Fusskampf» erhalten, bei welchem eigen-
geformte «Kampfharnische» mit «Kampfschurzen» getragen wurden.
Auch die alten Gottesgerichte bestanden in einem Kampf. Man
muss' diese Terminologie, welche sich" aus alter Zeit herschreibt,
festhalten, wenn nicht Missverständnisse sich ergeben sollen.
Kampfschilde hatten "eigene, von den Reiterschilden ganz ver-
 
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