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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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4. Heft
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Boeheim, Wendelin: Der Reiterschild von Seedorf, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0107

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4. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

95

stak in einem Lederband, der Armschlinge, während
die aufwärts gerichtete Hand die aus zwei kreuz-
weise angeordneten Lederbändern gebildete Faust-
schlinge erfasste und damit in die Höhe hob. Merk-
würdigerweise finden wir diese Tragart auch bei den
normanischen Reitern in der Tapete von Bayeux
des XII. Jahrhunderts und man wäre fast versucht,
diese als die ursprüngliche zu halten (Fig. 3). Der
Reiter aber trug in der Regel seinen Schild mit
wagrecht gehaltenem Vorderarme, aber auch hier
stak der letztere in der Armschlinge, während die
Hand gleichfalls zwei kreuzweise übereinander la-
gernde Riemen ergriff
und festhielt (Fig. 4).
Nebst dieser Faust-
schlinge umfasste die
Hand auch die Zügel.
Auf dem Marsche trug
zwar auch er ihn an ei-
nem Riemen auf dem
Rücken, im Gefechte
aber war er am Halse
hängend derart vorge-
schoben, dass er die
linke Brustseite mit der
Achsel und der Zügel-
hand deckte. Der Arm
erfasste den Schild von
der Seite. Schon aus
der Erklärung und dem
Blicke auf die Abbil-
dung ist das Unbe-
queme und Unprak-
tische in der Schild-
und Zügelführung zu
erkennen, und in der
That ist auch vom XII.
Jahrhundert an das Be-
streben merkbar, die
Zügelhand möglichst
von der Schildführung
freizumachen unddoch
gedeckt zu behalten.
Das gelang aber erst
allmählich und zwar
erst dann,als der Schild
kleinere Dimensionen
erhielt. Anfänglich half man sich damit, denselben
nur in der Attake zu ergreifen und fest an den Leib
anzuziehen, später begnügte man sich, denselben blos
in der Armschlinge zu halten, je nach Gewohnheit
und Bedürfniss. Die Vorrichtungen aber blieben bei-
behalten, je weniger sie auch benützt wurden.
Es musste somit jeder Schild zum Wenigsten
acht durch das ganze Schildblatt dringende Nieten
aufweisen, von welchen zum Wenigsten deren vier
zugleich auch zur Befestigung des Polsters dienen
mussten, das unerlässlich war, um den ansehnlichen
Druck des Drahthemdes (Haubcrt) auf den Arm zu
mildern. In älterer Zeit benöthigten die Schildfessel

zwei, die Armschlinge zwei und die beiden kreuzweise
angeordneten Riemen der Handhabe vier Riemen.
Hier in dieser späteren Periode ist, wie aus der
Stellung der Nieten an der Innenseite des Schildes
Fig. 5 ersichtlich ist, die Kreuzschlinge nicht mehr
angewendet, und die Benützung der Nieten kann
nicht anders geschehen sein, als in beiliegender
Skizze Fig. 6 angedeutet ist, wobei zwei Riemen für
den Arm und der vordere für die Handhabe diente.
Eine andere einfache Lösung der Frage lässt die
Stellung der Nieten zu einander nicht zu. Immerhin
sprechen auch praktische Gründe für die Richtig-
keit unserer Annahme.
Bei zwei Armschlingen
ruhte der Vorderarm
gewiss fester am Schil-
de, und die zugleich
auch die Zügel füh-
rende Hand war eher
im Stande, ihre Dop-
pclaufgabe: den Schild
zu halten und das
Ross zu leiten, zu er-
füllen. Es ist dabei auch
anzunehmen, dass die
beiden unteren Nie-
ten noch durch einen
Querriemen verbun-
denwaren, welcher da-
zu diente, um an ihn die
Zügelenden zu binden.
Andern vorerwähnten
Grabmale zu Lincoln
lässt der linksseitige
schlafende Krieger ei-
nen Theil der Innen-
seite des Schildes er-
kennen,und da trifft die
Anordnung des Hand-
haberiemens in über-
raschender Weise zu.
Wer nur einigermassen
die Entwicklung des
Waffenwesens verfolgt
hat, wird zu derUcbcr-
zeugung gekommen
sein, dass bis in das
XVII. Jahrhundert an eine uniforme Gestaltung der Be-
waffnung nicht zu denken ist. Der Stand der Kriegs-
kunst hatte nur einen allgemeinen Einfluss auf die For-
men, die Details bildeten sich nach nationellen An-
schauungen und individueller Auffassung. Gewisse
Typen wie die Formenverhältnisse der Schilde treten
aber gleichartig auf, die Tragart, Beriemung etc. ist
verschieden, insoweit sic nur dem Zwecke diente. Hier
sind Varianten innerhalb gewisser Grenzen ganz wohl
denkbar. So finden wir auch die Beriemung am
Schilde von Seedorf ausserhalb der Schablone stehend,
aber diese Aenderung ist als eine Verbesserung an-
zusehen, die im weiteren Verlaufe der Zeiten, als


Fig. 5. Innenseite des Reiterschildes von Seedorf.
 
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