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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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4. Heft
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4. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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neuester Zeit völlig anders geworden. Die historische
Waffenwissenschaft ist ein ansehnlicher Zweig der Kunst-
wissenschaft geworden; sie hat auch in England eine her-
vorragende Bedeutung erlangt, und auch dort sind die ro-
mantischen Rüst- und Waffenkammern der Staats- wie der
vielen Privatsammlungen mehr oder weniger zu Studien-
sälen geworden. Ausgezeichnete Fachgelehrte von einer
Bedeutung, die weit über .England hinausreicht, wie Baron
Cosson, Lord Dillon u. A. haben uns den Reichthum Eng-
lands an alten Waffen erschlossen, geistig nahegerückt
und zum Gemeingut gemacht, und nun hat sich diesen eine
neue wackere Kraft, J. Starkie Gardner, mit einem hoch-
werthvollen Essay zugesellt, welcher die Waffen in England
vom Beginne des Mittelalters bis ins XVII. Jahrhundert be-
schreibt und deren Entwicklung in dem Inselreiche darlegt.
Wir müssen gestehen, dass wir schon lange nicht
ein weit umfassendes Thema so trefflich klar geordnet
und eingetheilt, so prägnant behandelt gefunden haben
wie in Gardner’s «Armour in England». Das ist ein über-
aus instructives wie unentbehrliches Uebersichtswerk für
jeden, der sich über die Verhältnisse im Waffenwesen
Englands Belehrung verschaffen will. Der Autor unter-
stützt seine scharf umrissenen Schilderungen durch eine
ansehnliche Zahl bildlicher Beispiele, die nicht allein durch
ihre Wahl, sondern auch ihre unübertreffliche künstlerische
Ausführung unsere vollste Anerkennung herausfordern.
Bei einem so ausgedehnten Thema erweist sich die
Tüchtigkeit des Autors vor Allem in der Wahl seiner Bei-
spiele, und da hat Mr. Gardner das Beste geleistet. Die
gewählten erklärenden Bildbeigaben unterstützen den lapi-
dar gehaltenen Teüt auf das Treffendste und enthalten zu-
gleich eine Anthologie des englischen Studienmaterials in
unübertrefflicher Wiedergabe. Der Autor bringt Vieles,
das uns neu ist, aber auch Bekanntes in einer so scharfen
Wiedergabe, dass wir erst dadurch dessen vollen Werth
erkennen können.
Von der vornormanischen Periode abgesehen, in
welcher sich Spuren einer heimischen Waffenindustrie
erkennen lassen, sind die britischen Inseln bis ins XVIII.
Jahrhundert im Gebiete der Bearbeitung des Eisens und
speciell im Waffengebiete immer vom Auslande, besonders
von Italien, Steiermark, Tirol, den Reichsstädten Augs-
burg und Nürnberg, den Niederlanden und Spanien, ab-
hängig gewesen; so bieten auch die vorhandenen alten
Waffen in England Proben aus allen Ländern. Wer wollte
zum Beispiele in dem Harnische am Mausoleum des Ri-
chard Beauchamp Earl of Warwick von 1454 nicht die
haarscharfe Copie einer Arbeit des Tomaso Missaglia in
Mailand (gest 1469) wieder erkennen?
Im Verlaufe seiner Ausführungen nimmt der Ver-
fasser Gelegenheit, sich eingehender mit dem famosen
Plattnercodex des Kensington-Museums auszusprechen
und hiebei auch der literarischen Bearbeitung dieses wich-
tigen Denkmales des Schreibers dieser Zeilen zu geden-
ken.1) Auch er bringt der bisherigen, auf einer hand-
schriftlichen Note gestützten Annahme, dass der ganze
Codex Werke des Master Jacobe enthalte, Zweifel ent-
gegen. Wir vermuthen, dass die beiden ersten Harnisch-
abbildungen spätere bildliche Darstellungen sind, denn
der Schnitt derselben stimmt nicht mit der Harnischmode
von 1562 und 1563. In dem Meister Jacobe, der gewiss

1) Der Hofplattner des Erzherzogs Ferdinand von Tirol,
Jakob Topf und seine Werke von W. Boeheim. Jahrbuch der
kunsthistor. Sammlungen des Allerh. Kaiserhauses, Wien 1897,
XVIII. Bd.

den grössten Theil der abgebildeten Harnische gefertigt
hatte, haben wir sicher Meister Jakob Topf aus Innsbruck
zu erblicken. Gardner’s Untersuchungen bieten neue Ge-
sichtspunkte zur Beurtheilung dieses wichtigen Codex.
Wir sind den Redacteuren des «Portfolio» für die Auf-
nahme dieser glänzenden Arbeit sowohl, als für die un-
übertreffliche künstlerische Ausstattung derselben, die von
dem Talente und der künstlerischen Kraft, des Malers
Mr. Edmund Evans ein prächtiges Zeugniss gibt, zu be-
sonderem Danke verpflichtet. Unsere Fachfreunde sollten
sich die Lectüre der «Armour in England» als das Beste
und Neueste, was über englisches Waffenwesen geschrieben
wurde, nicht entgehen lassen. W. B.
Ehrenthal, M. v. Führer durch das königliche
historische Museum zu Dresden. 2. Auflage. Dresden,
Wilhelm Baensch, 1897. Ungemein rasch, kaum ein Jahr
nach der Ausgabe des von uns in Nr. 1 unserer Zeitschrift
besprochenen Führers, hat der verdienstvolle Autor des-
selben eine zweite Auflage folgen lassen müssen; das
spricht gewiss sehr für den Werth der ersten.
Bei einem so kurzen Zeiträume konnte neues Cor-
rectionsmateriale sich nur wenig ansammeln. Der Verfasser
war damit nicht in der Lage, wesentliche Aenderungen
des Textes vorzunehmen. Als wichtigste Verbesserung,
für die wir uns sehr dankbar erweisen, ist das angefügte
Verzeichniss der im Buche genannten Künstler und Kunst-
handwerker anzusehen.
Unsere volle Aufmerksamkeit ist nun auf das Er-
scheinen einer fachgemässen Bearbeitung der Abtheilung
der königlichen Gewehrgalerie gerichtet; von der wir
nach dem bisher Gebotenen gewiss das Gediegenste er-
warten können. W. B.
Gurlitt, Cornelius. Die Kunst unter Kurfürst
Friedrich dem Weisen. Archivalische Forschungen.
Heft II. Dresden, Gilbers’schekgl. Hofbuchhandlung, 1897.
Der in der wissenschaftlichen Welt hochgeschätzte
Verfasser, welchen unsere Specialwissenschaft ein aus-
gezeichnetes Quellenwerk1) zu danken hat, tritt nun in
Fortsetzung seiner überaus fleissigen archivalischen Stu-
dien mit einem neuen Werke hervor, das er gewisser-
massen an sein erstes Buch angliedert, das aber alle
Ansprüche darauf machen kann, als eine selbstständige
Geistesarbeit angesehen und gewürdigt zu werden.
Jede Wissenschaft stagnirt, siecht dahin, wenn ihr
nicht durch die Forschung auf historischem und techni-
schem Gebiete immer neue Nahrung zugeführt wird, die
von den Fachschriftstellern verdaut werden muss. Darum
nehmen auch die Quellenforscher in der Wissenschaft mit
Recht einen ersten Rang ein. Wir Anderen sind nichts als
mehr oder weniger geistreiche Compilatoren, die das Ge-
botene mit Fachkenntniss und Geschick verarbeiten und
in das Ganze einfügen. Aber die Arbeit der Quellen-
forschung ist mühselig und undankbar; der Arbeiter bleibt
gar oft im Dunkeln, darum ist es eine Pflicht des Fach-
schriftstellers, diese unentbehrlichen Fachgenossen bei
jeder Gelegenheit hervorzuheben und ihrer Verdienste ge-
recht zu werden, und zu diesenVerdienstvollsten im Gebiete,
der historischen Waffen Wissenschaft zählt Cornelius Gurlitt.
Der Verfasser hat sich hier eine weitere Aufgabe
gestellt; er nimmt sich hier eine Fürstengestalt zum Aus-
gangspunkte seiner Quellenstudien, die hoch herausragt

*) Gurlitt, Cornelius, Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner
des XVI. Jahrhunderts, Dresden, 1889.
 
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