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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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6. Heft
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Boeheim, Wendelin: Bogen und Armrust, [1]: eine vergleichende Studie über Gebrauch und Wirkung alter Fernwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0148

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134

Zeitschrift für historische Waffenkunde,

I. Band»

Jahrtausende eine der hervorragendsten Rollen im
Kriege gespielt hat, und man kann sagen, dass die-
selbe in ihrer Einfachheit im Verhältnisse zu ihrer
Leistung selbst nach heutigen Begriffen zu den vor-
theilhaftesten gezählt werden muss.
So wenig complicirt sich die Construction des
Bogens darstellt, seine Bedienung erforderte zu
allen Zeiten eine bedeutende, uns heute kaum be-
greiflich erscheinende Gewandtheit und Erfahrung.
Verschiedene Anzeichen belehren uns auch, dass in
den ältesten Kriegsheeren schon die Führung des
Bogens auf gewisse Stämme oder Landsmannschaften
sich beschränkte, in denen der Einzelne von Jugend
auf berufsmässig geübt worden war. In den bild-
lichen Darstellungen der Aegypter erscheinen die
Bogenschützen in anderem Typus und lichterer Haut-
farbe, und es ist bekannt, dass Griechen wie Römer
ihre Bogenschützen aus bestimmten Territorien wähl-
ten, deren Bewohner von Alters her in dem Rufe
der Gewandtheit standen. Bei den Griechen waren
es die Thracier und Kreter, bei den Persern die
Parther, bei den Aegyptern die Numidier; die Römer
benutzten Bewohner der griechischen Inseln und
reihten selbe in die Classe der Veliten. Später traten
gewisse bestimmte Stämme der Araber und Sarazenen
alsMeister im Bogenschiessen hervor und wir wissen, dass
selbst in den Kreuzheeren sarazenische Bogenschützen,
sogenannte Turkopolen, und unter den deutschen
Kaisern in Europa gedient hatten. Bis in’s spätere
Mittelalter hinein standen Bewohner von Inseln des
Mittelländischen Meeres in dem Rufe geschickter
Bogenschützen, aber damals machten ihnen bereits
die Italiener und die Hochschotten den Ruhm strei-
tig. Man kann sagen, dass jedes der alten Pleere
vor Einführung des Feuergewehres ihre Bogenschützen
nur aus bestimmten Landschaften wählte; nur Frank-
reich machte da im 13. und 14. Jahrhundert eine
Ausnahme, es hielt zwar erhebliche Mengen fremder
Bogenschützen, unterschätzte aber deren Werth und
nützte sie auch zu seinem eigenen Schaden nicht aus.
Je einfacher eine Fernwaffe ist, desto mehr An-
forderungen stellt sie an ihre Bedienung bezüglich
der Wirkung des Geschosses und der Treffsicherheit
und da bemerken wir in Beziehung auf den Pland-
bogen, dass letztere vorzugsweise in der Fertigkeit
und Ruhe der linken (Bogen-)Hand und der blitz-
artigen sicheren Bewegung der rechten Pland be-
ruhte, welche die Sehne abschnellte. .Man über-
zeugt sich da, wenn man die eigenthümlich gewende-
ten Hände der Bogenschützen am Parthenongiebel
studirt, welche eben die Sehne abschnellend dar-
gestellt sind. Die überlegene Sicherheit der Hand-
habung ist dort mit einem gewissen künstlerischen
Raffinement wiedergegeben.
Um die Ausbildung eines Bogenschützen in der
Handhabung richtig zu beurtheilen, müssen wir er-
innern, dass derselbe nicht die geringste mechanische
Vorrichtung besass, um sein Ziel in’s Auge zu fassen,
die blitzschnelle Richtung des Pfeiles und das mehr

gefühlte als berechnete Erfassen, des Abschnell-
momentes ergab die beabsichtigte Wirkung. Dabei
ist zu bemerken, dass der Schütze auf grössere Ziel-
weiten den flachen Bogenschuss und auf geringere
den directen anwendete.
Von besonderen Vorrichtungen in der Ausrüstung
des Schützen ist im Alterthume nichts hekannt und
auch in ägyptischen Abbildungen nichts zu bemerken.
Erst spät im 16. Jahrhundert erfahren wir von dem
Gebrauche des Ringes am Daumen der linken Hand,
auf welchem der Pfeil aufgelegt wurde, bei den Türken;
aber es ist bei dem starren Conservatismus des Orientes
anzunehmen, dass der Daumenringbei
den Sarazenen und Arabern bereits
in den Kreuzzügen in Anwendung
kam. Der Bogenschütze in West-
europa im späteren Mittelalter
schützte seinen linken Vorderarm
vor der schnellenden Sehne durch
eine Schiene aus Bein oder Metall
oder auch durch einen Fleck starken
Leders,1) der an den Arm ange-
schnallt wurde. In diesen Beobach-
tungen liegen schon Anzeichen einer abnehmenden
Gewandtheit.2)
Da wir noch in
keinem einschlägigen
Werke den Gebrauch
des orientalischen Dau-
menringes erklärt ge-
funden haben, so bie-
ten wir hier in 2 Figu-
ren und zwar in Fig. 1
einen Daumenring für
sich und in Fig. 2 dessen
Anwendung.
Wenden wir uns
nun der Leistung des
Bogens zu, so sehen wir,
dass dieselbe eine nahe-
zu unglaubliche Höhe
erreichte. Wir haben
hiefür allerdings späte
Daten, aber in diesem
Falle können wir die-
selben selbst für die frühesten Perioden als stich-

*) Deutlich erkennen wir diesen Lederschutz am linken Arme
eines venetianischen Bogenschützen in einem Gemälde von Vittore
Carpaccio von 1493 in der Galerie der Akademie zu Venedig
(Saal VIII. 27).
a) Dass der arabische Daumenring im späten Mittelalter auch
in Europa bekannt und benutzt wurde, erweist sich aus dem Funde
eines solchen 1879 im Schlosse zu Pouilly, welcher gegenwärtig
im germanischen Nationalmuseum bewahrt wird. Dabei fand sich
auch eine Schiene aus Bein und eine an den Zeigefinger zu
schnallende Bolzenrinne aus Horn. Sämmtliche Stücke beschreibt
uns A. Essenwein in den Mittheilungen des germanischen Museums
XX. p. 155 und auch er ist der Ansicht, dass derlei Schutzvor-
richtungen vor der schnellenden Sehne kaum von einem Soldaten,
sondern von einem Schützen, der zu seinem Vergnügen den Bogen
handhabte, gebraucht wurden.



Fig. 1.
 
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