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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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7. Heft
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Boeheim, Wendelin: Die Waffe und ihre einstige Beudeutung im Welthandel: Vortrag gehalten von dem 2. Vorsitzenden des Vereins, Director Wendelin Boeheim in der Generalversammlung am 2. Juni 1898 zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0199

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7. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

181

dauer die französische Arquebuserie allenthalben
wieder zurückgedrängt.

Sie werden mich von dem Wahne freisprechen,
Ihnen heute ein vollkommen abgerundetes Bild von
dem Antheile gemalt zu haben, welchen die Waffe
von alten Zeiten her immer im Welthandel ge-
nommen hat. Ich habe Ihnen zwar eine Anzahl
von bemerkenswerthen und auch bisher unbekannten
Beispielen geboten, aber leider, und wie ich gestehen
muss, aus Mangel an brauchbaren Quellen, eine
Unsumme tiefer und breiter Lücken gelassen. Wer
vermag, um nur einige derselben zu erwähnen, die
Thätigkeit der Wickinger, der Normanen in der
Geschichte des Waffenhandels festzustellen? Wie
wichtig wäre es, die Verdienste der Hansa seit ihrem
Bestehen auf unser Thema hin zu erforschen. Dunkel
erscheint uns noch, woher die Hussitenheere ihre
Waffen bezogen und nur lückenhafte Daten stehen
uns über den grossartigen Karawanenhandel zur Ver-
fügung, welcher zwischen Persien und Arabien mit
den Tartaren betrieben wurde. Selbst über eine in
Deutschland gelegene berühmte Betriebsstätte Passau
fehlen uns Nachrichten. Dort lag der Waffenhandel
in den festen Händen des Bischofs, der überhaupt
mehr als Feudalherr und Handelsmann, denn als
Kirchenfürst aufzufassen ist. Er war durch Jahr-
hunderte der unumschränkte Gebieter über die grosse
Wasserstrasse Donau in ihrer gesammten Ausdehnung.
Erst am Ende des 13. Jahrhunderts vermochten die
habsburgischen Herzoge sich der drückenden Macht
eines einzelnen Bischofes zu entziehen. Man findet
noch heute in den Sammlungen Passauer Klingen
mit dem bedeutsamen Zeichen des «Pedums».
Zu einer vollendeten Darstellung des Waffen-
handels bedürfte es genauer Angaben über die Ge-
winnungsstätten des vornehmsten Materiales, des
Eisens und der Bearbeitungsorte, die nicht überall
nahe beisammen liegen. Es bildete sich da in aller
Welt eine Handelsthätigkeit, die sich speciell mit
dem Handel mit Rohmaterialien oder Halbfabricaten
befasste, welche zur Erzeugung der Waffen nöthig
waren. Dieser Rohproductenhandel erstreckte sich
aber begreiflicher Weise nicht allein auf Eisen und
Stahl, sondern auf eine Unzahl anderer Artikel für
die Fertigung selbst wie für die Decoration. Ich
erwähne da nur den schwunghaft betriebenen Plandel
mit glatten oder gepickten Spiessschäften aus Tirol
und der Schweiz mit Nussbaum- und Eschenholz zu
Gewehrschäften aus Norddeutschland und Böhmen,
Bogensehnen aus den Niederlanden. Wer kann die
Materialien alle nennen, welche für die Waffen-
erzeugung in Anspruch genommen wurden? Er-
forderte ja die Decoration allein mehr Artikel, als
alle übrigen tectonischen Handwerke zusammenge-
nommen.
Ist schon dieses specielle kommercielle Gebiet
ein allorts lebhaft, ja grossartig gepflegtes, wie

j mächtig stellt sich erst jenes dar,, welches die fertige
! Waffe selbst betraf, aus welchem ich im vorigen
einige besonders hervortretende Beispiele gegeben
habe. Aber wenn es mir auch gelungen wäre, das
Unmögliche zu leisten und Ihnen ziffermässig den
Verkehr in Materialien und fertigen Waaren vom
Alterthume an bis in die Neuzeit darzulegen, Sie
hätten damit doch nicht .mehr als eine ungeheuere
Zahl trockener Daten und es bliebe uns noch die
weitere und wichtigste Arbeit zu bewältigen übrig,
aus diesen nach allen Richtungen hin die richtigen
Schlüsse zu ziehen. Wir würden von diesem ein-
zigen Punkte aus zu der Ueberzeugung kommen,
dass eine Menge Thatsachen in der Geschichte ganz
anders zu beurtheilen sind, als man sie uns bisher
auffassen liess.
Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet hat jeder
Handelspunkt seine eigenthümliche Geschichte, die,
wenn sie nur von politischer Seite genommen wird
auf Abwege führt. Nehmen wir da nur als Beispiel
Mailand. Seine Gründung war kein Ergebniss einer
strategischen Combination, oder die Folge einer
politischen Erwägung, es ist sein Entstehen auf cul-
turclle Bedingnisse zurückzuführen, die alle, wie nach
dem ewigen Gesetze der Krystallisation, an einem
bestimmten Punkte zusammentrafen.
Mailand war mehr als ein strategischer Punkt, mehr
als ein mit starken Mauern umgebener Platz; durch
seine industrielle und merkantile Bedeutung war es
eine Quelle des Reichthums, eine gewaltige Macht
an sich. Es wurde in den Jahrhunderten seiner
Geschichte oft erobert, geplündert, zerstört, aber die
culturellen Bedingungen seiner Existenz konnten
weder der Hunne Attila, noch der Gothe Vitiges,
noch Kaiser Friedrich I. zerstören; und darum nach
allen Verheerungen erstand die Stadt wieder glän-
zender, kräftiger denn vorher. Damit haben wir den
Schlüssel zu dem Räthsel in der politischen Geschichte
dieser zu erobernden, aber nicht zu vernichtenden
Stadt, die mit jener von Damascus manche Aehnlich-
keiten besitzt.
So verschwommen und lückenhaft meine Dar-
stellung auch erscheinen mag, sie mag uns doch
ahnen lassen, welch grossartige Bedeutung in der
Culturgeschichte vor Allem gerade dem Waffen-
handel beizumessen ist. Er hat Länder bereichert
und verarmt, er hat die Mittel geschaffen für die
Eroberung wie für die Vertheidigung und zahlreiche
Staatsexistenzen sind in erster Linie von ihm ab-
hängig gewesen. In unseren Geschichtsbüchern ver-
lautet über diesen wichtigen Gegenstand freilich blut-
wenig, obgleich er einen so bedeutenden Theil der
menschlichen Thätigkeit in Anspruch genommen und
in die Geschicke der Völker so entscheidend eingegriffen
hat. Wollen wir uns darüber wundern? Sehen wir doch
die Waffe an sich in der historischen Literatur entweder
völlig ignorirt oder nebensächlich behandelt; wie
können wir da erwarten, dass der commerciellen Bewe-
gung eine Aufmerksamkeit zugewendet wird? Für uns
 
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