Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

DOI Heft:
9. Heft
DOI Artikel:
Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [5]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0241

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

223

Die Handfeuerwaffen im 15. Jahrhundert.

. Eine vollkommen genaue Eintheilung der Hand-
feuerwaffen nach den vorliegenden .Zeitperioden, ins-
besondere für den Uebergang aus dem 14. in das
15. : Jahrhundert lässt sich nicht durchführen.
Das 14. Jahrhundert wurde characterisirt durch
die Münchener Handschrift;, die in diese Zeit ge-
wiesenen kleinen Feuerwaffen sind thatsächlich
Büchsen, bussen (boete), pots, vasa, welche durch
die Kürze der Seele und die primitive Construction
auffallen und mit den Abbildungen des cod. germ.
600 in eine gewisse Uebereinstimmung gebracht
werden können.
Anders gestalten sich die Verhältnisse im 15. Jahr-
hundert.
Die Bilderhandschriften werden deutlicher und
enthalten zahlreiche Abbildungen von Handfeuer-
waffen, welche entweder in der Art der Darstellung
oder in dem manchmal beigefügten Texte die er-
gänzende Erklärung finden. Von diesen Hand-
schriften wären folgende hervorzuheben:
Cod. ms. ph.il. 63 der Universitäts-Bibliothek
zu Göttingen (1396 —1405), Konrad Kyeser’s «Belli-
fortis», ein Kriegsbuch, welches den Uebergang aus
dem 14. in das 15. Jahrhundert vermittelt. — Mit
diesem Manuscripte steht eine Reihe jüngerer mehr
oder weniger vollständiger Copien in Verbindung,
z. B. cod. ms. 16. o. 7. im Ferdinandeum zu Inns-
bruck; cod. ms. phil. 64 der Universitäts-Bibliothek
zu Göttingen; cod. ms. 5278 der k. k. Hofbibliothek
zu Wien u. s. w.
Abbildungen und Nachrichten über Handfeuer-
waffen enthalten ferner: cod. ms. 3069 der k. k. Hof-
bibliothek zu Wien (1411); ferner aus den kunst-
historischen Sammlungen des A. H. Kaiserhauses
zu Wien: cod. ms. 52 und cod. ms. 55, dieselben
werden zwar dem Ende des 14. Jahrhunderts zu-
geschrieben, dürften jedoch dem Anfänge des 15.
Jahrhunderts angehören; cod. ms. 34 (früher 141)
von 1410 und cod. ms. 67 ungefähr aus derselben
Zeit.J)
Den breitesten Raum im 15. Jahrhundert nimmt
das berühmte deutsche «Feuerwerksbuch» ein. Das-
selbe ist in zahlreichen Abschriften vorhanden, welche
durch die gemachten Zusätze und Ergänzungen die
allmählige Entwickelung der Handfeuerwaffen zur
Anschauung bringen. Hierher gehören: cod. germ.
4902 der kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München
(1429); cod. ms. 3062 der k. k. Hofbibliothek zu
Wien (1437), zwei undatierte Abschriften derselben
Bibliothek: cod. ms. 2987 und cod. ms. 1089$;
J. G. Hoyer publizierte im Anhänge zu seiner
«Geschichte der Kriegskunst« (II, 1107—x 147) ein
Exemplar vom Jahre 1445, u. s. w.
Einige Nachrichten und Abbildungen von Hand-
x) Bei Durchsicht dieser Handschriften stand uns IiCrrDirector
Wendelin Boeheim oftmals in freundlichster und liebenswürdigster
Weise zur Seite, wofür wir den verbindlichsten Dank sagen.

feuerwaffen enthalten die Manuscripte s, 1 und ä der
Bibliothek Hauslab-Liechtenstein zu Wien; ferner
cod. germ. 734 der kgl. Hof- und Staatsbibliothek
zu München (1450); der Atlas des deutschen
Vegetius (ca. 1460); das «mittelalterliche Hausbuchs
der Sammlung des Fürsten Waldburg-Wolfegg-Wald-
see (ca.. 1580); cod. lat. 7239 der National-Bibliothek
zu Paris, u. s. w.
Urkundliche Nachrichten, wie Zeughaus-Inven-
tarien, Uebersichten von Waffenbeständen oder Aus-
züge aus städtischen Kämmerei-Rechnungen bringen
ziffernmässig die zunehmende Ausbreitung der Hand-
feuerwaffen zum Ausdruck. Die aus dieser Zeit er-
haltenen Hand- und Hakenbüchsen schliessen leicht
an die Abbildungen der Handschriften an und beim
Vergleich derselben untereinander gelangt man zu
bestimmten gemeinsamen Grundsätzen in der Con-
struction, welche auch den stufenweisen Fortschritt
verfolgen lassen. Die Einzeln-Schussleistung ist
durch die gestellten Bedingungen bei den Schiess-
übungen fixiert und in den Schiessbriefen und Schiess-
ordnungen des 15. Jahrhunderts genau verzeichnet;
die Verwendung der Handfeuerwaffen im Felde ist
durch Vorschriften, Ordnungen und Ordonnanzen der
Kriegsherrn bestimmt und geregelt.
Ueberblickt man dieses Quellenmaterial, so er-
giebt sich die Nothwendigkeit, bei Untersuchung der
Entwickelung und des Gebrauchs der Handfeuer-
waffen im 15. Jahrhundert nach bestimmten Grund-
sätzen vorzugehen.
Die Handfeuerwaffe darf einzig und allein nur
vom Standpunkte der Kriegsbrauchbarkeit beurtheilt
werden. Nicht technische Künsteleien einzelner
Büchsenschmiede, sondern praktische im Felde ver-
wendbare Constructionen müssen dem Kriterium
unterzogen und hervorgehoben werden, weil nur
der kriegsmässige Gebrauch die Weiterentwickelung
der Flandfeuerwaffen bedingte.
Für die Jagd war die geräuschlose und sichere
Armrust viel bequemer, während der Knall der Hand-
büchsen das Wild aufscheuchte; es muss auch fest-
gehalten werden, dass die Schiessübungen der
Schützengilden ursprünglich geschulte Schützen für
das Feld stellen sollten.
DieBeschreibungundBeurtheilung der Waffe muss
die einzelnen Theile derselben, Lauf, Schaft, Entzün-
dungs- und Visiervorrichtungen gleichmässig umfassen.
Der Lauf konnte bei günstigen Umständen in
der ursprünglichen Form bis auf unsere Tage sich
erhalten, indessen lässt die geringe Zahl der erhal-
tenen Exemplare annchmen, dass der in seiner Con-
struction veraltete Lauf umgearbeitet oder einge-
schmolzen wurde. Der Schaft war schon infolge
des Materials einer gewissen Zerstörung durch die
Länge der Zeit ausgesetzt, noch mehr war dies der
Fall, wenn die Waffe zum feldmässigen Gebrauche
bei der damaligen Kampfweise gelangte; endlich
 
Annotationen