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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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10. Heft
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0269

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io. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

251

das rückwärtige Ende kolbenartig geformt. Es ist
sehr wahrscheinlich, dass diese neue Form der Säule
der Armrust nachgebildet war, nachdem beide Waffen
Hand-Schiesswaffen waren, theilweise dieselben Pro-
jectile schossen und gegen dieselben Ziele angewendet
wurden. Die Armrust- und Handbüchsen-Schützen
standen im Felde und auf den Schiessplätzen in der
ersten Zeit nebeneinander und mögen ihre Er-
fahrungen gegenseitig mitgetheilt haben. Interes-
sant in dieser Beziehung ist eine Rechnung der
Herzoge von Burgund: «En 1431 11 est paye ä
Pietre Donne, canonier, pour 25 couleuvrines de
cuivre enfustees en baston, dont les deux d’icelles
sont en fa§on d’une arbaleste, l’une ä clef et l’autre
sans clef et pour six schambres. . . 62 liv. iosous.»
Die Büchsen waren demnach geschäftet und der
Schaft oder Stab (bäton) hatte zum Theil die Form
der Säule der Armrust.1)
Diese neue Form des Schaftes ermöglichte eine
bequemere Handhabung, wie schon aus dem Codex
Hauslab zu ersehen ist und hatte in Verbindung mit
der zunehmenden Verlängerung des Laufes den Fland-
biichsen ein vollständig verändertes Aussehen ge-
geben, was den Anlass geboten haben mag, dass
die Chronisten von der Erfindung einer neuen Art
Handbüchsen erzählen.
So soll z. B. im Jahre 1423 der Bischof von
Olmütz eine neue Art Feuerwaffen in den Hussiten-
krieg gebracht haben.2 3) (Würdinger I, 197.)
Lenfant in bello hussitico 11. p. 47: »Novorum
armorum genere, nön ita pridem in Germania invento,
ferreis nempe fistulis, quas a sonitu bombardas et
sclopos vocamus instructi. Temmler, im 1. Bande
der histor. Abhandlungen der Gesellschaft der Wissen-
schaften in Kopenhagen, übersetzt von Heinze, p. 213.
ln Augsburg soll i. J. 1430 eine neue Art Büch-
sen erfunden worden sein, sclopetum genannt.8)
Aeneas Silvius berichtet im commentar. lib. IV.
p. 104: «Sclopetum (zum Unterschiede von bom-
barda) in Germania primum hac nostra aetate in-
ventum.» (Würdinger I, 197.)
Nach der Historia Senensis, auctore Johanne
Bandino de Bartholomaeis, Muratori XX, col. 41:
«habebat (Sigismundus imperator), milites quingentos
ad sui custodiam scloppos (ita id genus armorum
vocant) in visum apud nos antea deferentes.»4 *)
Nachdem in Italien die kurzen Flandbüchsen
längst bekannt waren, so konnten bei den Fland-
büchsen der Leibwache nur die neue Form, der
längere Lauf und der kürzere Schaft überraschen.
In Deutschland mag' die von Zizka eingeführte neu-
artige Verwendung von kleineren Feuerwaffen im
Felde die Ansicht von einer neuen Erfindung unter-
stützt haben.

Köhler III, I, 332 A. 1.
2) «Quellen» 23.
3) Ebenda 27, 110.
4) Sigismund wurde 1431 zu Mailand mit der lombard.,
1433 in Rom mit der Kaiserkrone gekrönt.

Die Handbüchse, welche im Codex Hauslab ab-
gebildet ist, steht in einiger Uebereinstimmung mit
einer Abbildung aus Codex 719 des germanischen
Museums in Nürnberg, welcher nach den «Quellen»
mit circa 1450 datiert ist. (Fig. 26.)')
Dieser Codex ist eine undatierte Abschrift des
Feuerwerksbuches, welcher eine Reihe von Zeich-
nungen beigefügt ist.
Die in dieser Handschrift dargestellte Hand-
büchse bedeutet einen weiteren Fortschritt in der
Entwickelung der Handbüchse, indem sowohl der
Lauf als auch der Schaft eine gewisse Regelmässig-
keit in der Construction aufweisen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Lauf
nicht von Eisen, sondern von Kupfer oder Messing
war; dass Verhältniss zwischen Kaliber und Seele
dürfte nach der Zeichnung beiläufig 1 : 25 betragen
haben; es scheint auch, dass sich der Lauf nach
vorne verjüngte. Der Schaft hat vorne die mulden-
förmige Rinne zur Aufnahme des Laufes, ist in der
Mitte verstärkt und endigt in einen vierkantigen
Kolben.
Die Abbildung zeigt nach der Construction des
Schaftes wahrscheinlich eine Handfeuerwaffe grösseren
Kalibers.
Es wurde oben hervorgehoben, dass die Ver-
längerung des Laufes, beziehungsweise der Seele,
das praktische Resultat zur Folge hatte, dass man
mit den langen Rohren «in die wyten» schiessen
könne und dass die Wahrnehmung von der ver-
grösserten Flugkraft des Geschosses den directen
Schuss für die üblichen kurzen Distanzen herbei-
führte. Thatsächlich zeigen mehrere Darstellungen
aus Handschriften jener Zeit, dass die Handbüchse
nicht mehr schräge nach vorne aufwärts, sondern
wagrecht gegen das Ziel in Anschlag genommen
wurde.
Von den hierher gehörigen Handschriften bringt
der Codex ms. 3062 der k. k. Plofbibliothek zu Wien
mehrere interessante Abbildungen.2)
Dieser Codex enthält eine Abschrift des «Feuer-
werksbuchs» und ist wie folgt bezeichnet: «Ge-
schrieben per Johannem Wienn. Anno . . . Trage-
simo septo.» Durch diese Angabe ist das Alter
dieser Handschrift gegeben. Dem Feuerwerksbuch
folgt eine lange Reihe von Abbildungen, welche
Feuerwaffen sowie deren Gebrauch zur Anschauung
bringen.
Auf Bl. 150 ist ein Schütze abgebildet, welcher
eine Handbüchse im wagerechten Anschlag hält.
Die Handbüchse besteht aus Lauf und Schaft.
Der Lauf ist cylindrisch und dürfte nach der Zeich-
nung 8—10 Kaliber fang sein. Der Schaft ist stangen-
förmig, sehr lang und in den Lauf rückwärts ein-
gesteckt.

x) «Quellen» m u. T. B. i. g. (diesseits Fig. 26). Vgl.
Jahns G. d. K. I. 394.
2) Vgl. Jähns, G. d. K. I, 261 u. 393.

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