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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

DOI Heft:
11. Heft
DOI Artikel:
Bleuler, G.: Glefe oder Gertel - Waffe oder Werkzeug?
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0301

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II. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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im 1. Heft unserer Zeitschrift abgebildeten Geräth
gesagt, «als Werkzeug hat zweifellos das Fundstück
nicht, wohl aber als wuchtige und gefährliche Waffe
gedient», ohne dass diese Behauptung irgendwie be-
legt oder begründet würde. Das Eisen, dessen Ge-
wicht mit 750 gr. angegeben wird, dürfte, am Ende
eines Schafts für zweihändigen Gebrauch, keine sehr
«wuchtige» Waffe ausmachen, auch «gefährlich» sieht
das Ding nicht aus, indem nur ein verhältnissmässig
geringer Theil von dessen Umiang scharf ist und das
Ende der Gabel, mit welcher man bei unvorsichtiger
Manipulation jemand verletzen könnte, sorgfältig ab-
gerundet ist.
Zu einer vollwerthigen Stangenwaffe gehört, nach
gewöhnlicher Auffassung, eine Spitze, die wir meist
auch bei Waffen vorfmden, welche ganz besonders
für den Schlag bestimmt sind, wie Streitaxt, Streit-
kolben, Morgenstern etc.
Der Haken, in den die Schneide ausläuft, ist
für eine Hiebwaffe weniger aggressiv als hinder-
lich, da er für den oberen Theil der Schneide einen
todten Winkel bildet.
Den Flaken am Rücken der«Waffe» sucht der Ver-
fasser des fraglichen Aufsatzes damit zu motivieren,
dass dieselbe als Trabantenwaffc und der Haken zum
Anhängen von «kostbaren Rüst- oder Würdenstücken»
gedient haben mochte. Es liege daher der Gedanke
nahe, dass diese merovingischen Sichel- resp. Haken-
waffen als Abzeichen königlicher Trabanten aufzu-
fassen seien.
Nebenbei erfahren wir auch, dass die römischen
Soldaten auf Märschen ihr Gepäck in einem Bündel
auf der Spitze ihrer Lanzen trugen, ebenso die frän-
kischen, deren Lanzen zu diesem Zweck mit Quer-
knebeln versehen waren.
In der erwähnten Abhandlung, unter dem Titel:
«Merovingische und carolingische Sichelwaffen», wird
die aufgefundene «Glefe» mit den gleichnamigen
Waffen des XIV. bis XVI. Jahrhunderts verglichen
und zwar mit «Schweizerischen Glefen» nach Demmin
und einer burgundischen Kriegssichel des XV. Jahr-
hunderts, nach einem Manuscript.
Von diesen vier abgebildeten Waffen hat einzig
die «Schweizerische Glefe des XV. Jahrhunderts»
Aehnlichkeit mit dem Fundstück, indem auch diese
Waffe keine Spitze hat. Wir werden auf diese «Glefe»
zurückkommen. Die drei anderen sind die bekannten
Glefen, resp. italienischen Helmbarten: eine kräftige
Stossklinge mit verschiedenartigen Haken, welche
diesen Waffen den eigenthümlichen Character geben,
die dem Fundstück gerade abgeht.
Als weitere Seitenstücke zu der «merovingischen
Glefe» wird in erster Linie angeführt eine in einem
Frankengrabe bei Mertloch gefundene Waffe, die
A. von Essenwein in den Mittheilungen des Germa-
nischen Museums (1886, pag. 177) beschreibt. Nach
der mitgetheilten Skizze hat die Waffe vollständig
die Gestalt einer Kriegssense, also eine regelrechte
Stossklinge. Einen abgebrochenen Ansatz am untern

Theil des Rückens deutet Essenwein als senkrechte
Spitze, der Verfasser der «Merovingischen Sichel-
waffen» glaubt annehmen zu können, dieser Ansatz
habe die Form derjenigen seiner «Glefe» gehabt.
Flierzu kommt eine andere Waffe, welche in
einem merovingischen Grabe bei Charnay gefunden
wurde; dieselbe hat eine gerade, spitz zulaufende
Klinge, die mit einer viereckigen Tülle versehen ist.
Infolge ihres ausgeprägten Characters als Stichwaffe,
lassen sich diese beiden Fundstücke, unseres Erach-
tens, mit dem Gegenstand unserer Untersuchung nicht
zusammenstellen. Von einer weiteren, aus einem
Grabe bei Niederbreisig stammenden Waffe wird ge-
sagt, dass sie die Biegung des oben beschriebenen
Mertlocher Fundstückes habe.
Schliesslich wird auch ein Gegenstand zugezogen,
welcher in A. Demmin’s Kriegswaffen (4. Aufl.)
pag. 804 Fig. 2, als Schweizer Glefe des XIII. Jahr-
hunderts abgebildet ist. Dieses Stück, welches sich
im cantonalen Museum in Lausanne befindet, passt
nun allerdings ganz besonders gut zu einem Ver-
gleich, nur muss bemerkt werden, dass dieser Haken
nie von jemand anderem als Waffe angesehen wurde,
als von Demmin, da er weder Spitze noch Schneide
besitzt.
Das Characteristische an dem Fundstück ist der
Haken auf dem Rücken der Klinge. Wäre dieser
nicht' vorhanden, so hätte niemand etwas anderes
darin gesehen, als einen Gertei. Dieser Ansatz ist
nun auch Parirhaken genannt worden. Eine Parir-
vorrichtung gehört aber naturgemäss an’s untere Ende
der Klinge, um alle Hiebe aufzufangen, welche die
Klinge treffen. Die Stellung eines Parirhakens bezw.
«Klingenfängers» am oberen Ende der Klinge ist un-
denkbar.
Auch zum Abheben von gegnerischen Rüst-
stücken ist gerade dieser, in einem kleinen Knopf
endigende Haken nicht geeignet, da er leicht in einer
Fuge stecken bleiben würde.
Jedenfalls dürfte eine solche Vorrichtung den
Zweck der Waffe, den Gegner zu verwunden, nicht da-
durch beeinträchtigen, dass der Gebrauch zum Schlag
und die Verwendung zum «Abrüsten» des Gegners
eine verschiedene Flandhabe bedingt; das wäre aber
hier der Fall.
Wir haben nun für das Fundstück eine andere
Familie ausfindig zu machen gesucht, deren Ange-
hörige wir hier zusammenstellen.
Nr. 1 ist ein Plackmesser, welches in den Rui-
nen der im Jahre 1309 zerstörten Burg Alt-Büron
(Canton Luzern) gefunden wurde.
Nr. 2 und 3 sind Fundstücke, die anlässlich von
Kanalbauten im Canton Bern zu Tage gefördert wur-
den und deren Alter sich nicht bestimmen lässt.
Diese drei Stücke gehören dem Flistorischen
Museum in Bern.
Nr. 4 ist ein Gertei mit ca. r20 m langem Stiel,
wie er im Rebgelände am Bielersee noch heute zum
Abhauen von Gestrüpp und Unterholz verwendet wird.
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